Mit der numerischen Rating-Skala (NRS) überführen die Patienten ihren Schmerz in einen Zahlenwert zwischen 0 und 10, wobei 10 den größten vorstellbaren Schmerz und 0 gar keinen Schmerz bezeichnet. Durch die NRS soll der Schmerz verobjektiviert und vergleichbar werden. Die Angaben zur Schmerzintensität dienen dem Arzt, den Erfolg seiner bisherigen Therapien abzuschätzen und sie ggf. zu modifizieren. Es handelt sich bei der NRS um eine eindimensionale Erhebung, bei der nur die Intensität des Schmerzes erfasst wird, nicht aber die Qualität des Schmerzes (z. B. stechend, drückend, brennend), der genaue Ort, der Schmerzverlauf je nach Situation und auch nicht die Wirkung der bisher verabreichten Analgetika.

In dieser qualitativen Studie in einem Krankenhaus der Maximalversorgung wurden in der Chirurgie, Orthopädie und Urologie 15 Patienten im Alter zwischen 51 und 87 Jahren in den Tagen nach einer Operation in leitfadengestützten Interviews befragt. Sie sollten zur Durchführung der Schmerzbefragung, zu ihrem Antwortverhalten und zur Zufriedenheit mit dem Messinstrument „NRS“ Auskunft geben. Außerdem wurden sie von den Forschern um L. Gerken, München, aufgefordert, ihre Antworten auf die Schmerzbefragung zu reflektieren. Es wurden kognitive gesunde Patienten, die unter akuten, nicht aber an chronischen Schmerzen leiden, ausgewählt.

Patientenangaben nur bedingt valide

Als Ergebnis der Studie kann festgehalten werden:

  • Die Patienten waren nicht genügend über die Bedeutung der NRS informiert. Ein Patient hatte den Eindruck, dass die Schmerztherapie automatisch nach den Zahlenangaben zur Schmerzintensität erfolge und fühlte sich der Schmerztherapie ausgeliefert. Drei Patienten kannten die Bedeutung der NRS gar nicht; ein Patient hielt die NRS-Erhebung für reine Formsache. Auch Ängste verbanden sich mit der NRS; zwei Patienten fürchteten, dass ihre Zahlenangaben zu einem längeren Klinikaufenthalt oder zu einer erneuten Operation führen werden.

  • Ein Patient passt seine Zahlenangaben der antizipierten Reaktion von Pflegern und Ärzten an, um z.B. kein Medikament nehmen zu müssen.

  • Die Art des Assessments lässt eine differenzierte Antwort, bei der zwischen Schmerz in Ruhigstellung und Schmerz bei Bewegung unterschieden wird, nicht zu.

  • Einige Patienten hatten Probleme damit, die Schmerzintensität zu einem Referenzwert, z.B. einer besonders schmerzhaften Erfahrung, in Bezug zu setzen, entweder weil sie solche Erfahrungen noch nicht hatten, sich nicht mehr genau daran erinnern konnten oder sich einen 10er-Schmerz gar nicht vorstellen können.

Ärzte, Pfleger und Patienten sollten, so das Fazit der Wissenschaftler, gemeinschaftlich in einem Gespräch den Schmerzwert ermitteln und einen transparenten Bezug zwischen Schmerzintensität und Therapie herstellen. Bei aller Schwierigkeit sollte der Patient dazu animiert werden, einen Referenzwert zu erinnern oder sich vorzustellen. Bei der Ermittlung des Schmerzes sollten auch andere Dimensionen wie die Qualität und verschiedene Schmerzsituationen berücksichtigt werden. Wichtig für das Gesundheitspersonal ist es, auf die individuellen Besonderheiten des Patienten und seines Schmerzempfindens Rücksicht zu nehmen und nicht automatisch vorzugehen.