Bisherige Schätzungen zur Häufigkeit neuropathischer Schmerzen bei Patienten mit chronischen Tumorschmerzen beruhen auf Studien mit stationär behandelten Patienten in speziellen Einrichtungen wie Schmerz- und Palliativkliniken. Nach Ansicht von Dr. Didier Bouhassira, Gesundheitsinstitut INSERM in Boulogne-Billancourt/Frankreich und seinen Kollegen sind Untersuchungen ambulanter Tumorschmerzpatienten repräsentativer.

Deshalb haben sie den Anteil der Krebspatienten mit chronischen Schmerzen mit oder ohne neuropathische Schmerzen ermittelt, die in einem Zeitraum von zwei Wochen die ambulante Abteilung einer Spezialklinik aufsuchten. Als chronisch waren Schmerzen definiert, wenn sie mindestens drei Monate anhielten. Neuropathische Schmerzen wurden mithilfe des DN4-Scores (Douleur Neuropathique en 4 Questions) ermittelt. Zudem bestimmten die Ärzte prospektiv die Inzidenz chronischer Schmerzen mit oder ohne neuropathische Schmerzen.

Eingebunden waren insgesamt zwölf Einrichtungen unter 20 Krebszentren und 25 onkologischen Abteilungen (1.805 Patienten). Patienten, die zum Zeitpunkt der ersten Untersuchung keine Schmerzen hatten, wurden zur Ermittlung der Inzidenz nach drei und sechs Monaten erneut untersucht. Der Auswertung zufolge hatten 28,2% der Studienteilnehmer chronische Schmerzen. Bei 47,6% der Patienten vermuteten die Ärzte den Tumor als Ursache, bei 23,7% die Krebstherapie und bei 23,5% eine tumorunabhängige Ursache. Fast jeder zweite Patient klagte über Schmerzen im Rücken, 45,6% über Schmerzen in Hals und Schultern, 43,6% in den Beinen und 36,6% in den Armen. Die Prävalenz neuropathischer Schmerzen lag bei 20,9% (n = 106) der Patienten mit chronischen Schmerzen (5,9% aller Patienten). Das stimmte bei 88% der Patienten mit der klinischen Beurteilung überein. Bei 86 Patienten standen die neuropathischen Schmerzen im Zusammenhang mit dem Tumor. Nach Ansicht der Ärzte beruhten die neuropathischen Schmerzen bei fast 48% der Patienten auf einer lokalen Progression der Tumoren oder auf Metastasen, bei mehr als 45% auf einer oder mehreren Krebstherapien und bei 7% auf beidem. Die Intensität der neuropathischen Schmerzen sei dabei höher gewesen.

Für die Ermittlung der Schmerzinzidenz standen die Befunde von 1.285 Studienteilnehmern zur Verfügung. Bei 873 erfolgte mindestens eine Untersuchung drei oder sechs Monate nach der ersten. 599 Patienten wurden zu beiden Zeitpunkten untersucht. Die Inzidenz chronischer Tumorschmerzen lag in diesem Zeitraum zwischen 13 und 28%. Als neuropathisch wurden Schmerzen bei knapp 20% dieser Patienten eingestuft.