1 Einführung

Der demographische Wandel ist Realität. Bis zum Jahr 2060 soll der Prozentanteil der Gesamtbevölkerung in Deutschland der über 65-Jährigen von ca. 20 auf 33 %, der Anteil der 80-Jährigen von 5 auf 13 % steigen (Schmidt und Wolf-Ostermann 2018; Pötzsch und Rößger 2015). Dies führt neben einem erhöhten Bedarf an Arbeitskräften im medizinischen Sektor zu einer Erhöhung des Pflegeaufwandes bei gleichzeitig abnehmender Anzahl von Menschen im berufsfähigen Alter. Das bedeutet, dass der Gesundheitssektor vor der Herausforderung steht, eine steigende Anzahl an Patienten bei mindestens gleichbleibenden oder sinkenden finanziellen Ressourcen und Mitarbeitern zu versorgen (Umbach 2018; Nowossadeck 2013; Nunes et al. 2010). Einen Versuch, hierbei die Situation für Gesundheitssystem und auch Patienten zu verbessern, liegt, im Sinne einer Orts- und Zeitflexibilisierung der Arbeit in der Entwicklung und Erprobung neuer technischer Assistenz- und Monitoring-Systeme. Diese sollen einerseits die Autonomie der Patienten stärken, indem sie es ermöglichen wichtige medizinische Parameter langfristig auch ohne Hospitalisierung zu erheben, und andererseits die Kommunikationswege zu den Mitarbeitern im medizinischen Bereich zu verbessern (Schweda et al. 2018; Adolph et al. 2016). Mobile Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT), wie bspw. Computer, Smartphones und Tablet-PCs bieten dabei sinnvolle Ergänzungen zur Steigerung der Lebensqualität und Selbstständigkeit.

In diesem Kontext ist es überaus wichtig, die spezifischen kognitiven, sensorischen und motorischen Fähigkeiten und Fertigkeiten Älterer bei der Entwicklung zu berücksichtigen (Wille et al. 2016; Theis et al. 2016; LeRouge et al. 2013). In der Realität geschieht dies jedoch noch viel zu selten. Stattdessen werden diese neuen Systeme meist von einer jüngeren Generation für ältere Menschen entwickelt, die sich oftmals nur schwer in die spezifische Situation von älteren Menschen hineinversetzen können. Ältere Menschen sind jedoch im Umgang mit diesen technischen Geräten nicht so vertraut, wie vergleichbar jüngere Generationen (AG Generali Deutschland 2017). Neben physischen Funktionsfähigkeitsveränderung (Seh‑, Hör- oder taktile Veränderungen) oder dem Fehlen sozioökonomischer Ressourcen, können auch personenbezogene Hemmnisse Grund für eine Ablehnung der Technologien sein (Seifert 2016). Entsprechend erweisen sich für die älteren Endbenutzer das Erlernen, ebenso wie die Integrierbarkeit dieser Technologien in den eigenen Alltag, als wichtige Faktoren bei der Akzeptanz ebendieser (Nunes et al. 2010; Malwitz-Schütte 2006; Schweibenz 2004). Daneben stellt diese Akzeptanz einen wichtigen Bezugspunkt für die Ausgabedynamik des wirtschaftlichen und finanzpolitischen Handlungsfeldes dar, denn die Fertigung neuer innovativer Technik für den Medizinbereich und auch Betreuung von immer mehr Patienten, bringen enorme Kosten mit sich (Brändle und Colombier 2017).

Aus diesen Gründen ist es umso wichtiger, diese Gruppe Älterer schon während des Entwicklungsprozesses frühzeitig einzubeziehen. Da dies jedoch für viele Unternehmen ebenso einen sehr ressourcenaufwändigen Prozess (aufgrund Personal oder Equipment usf.) darstellen würde und zudem noch andere Faktoren, wie Krankheit, fehlende Mobilität bei den Teilnehmenden und individuelle Ressourcen, die die Gruppe älterer Benutzer einschränken, müssen neue Ansätze zur Partizipation gefunden werden. Ein solcher kann in sogenannten „Personas“ liegen. Diese stellen archetypische Benutzergruppen dar, die über Ziele, Bedürfnisse und Ängste verfügen (Blomquist und Arvola 2002; Junior und Filgueiras 2005). Dadurch könnten Entwickler für Eigenschaften und Fähigkeiten der Endbenutzer sensibilisiert werden. Insgesamt können detaillierte und konkrete Personas, wie Long (2009) in seiner Pilotstudie aufgezeigt hat, zu einem verbesserten Verständnis der Benutzer und einer Fokussierung auf diese Gruppe verhelfen.

Personas sind Teil der DIN EN ISO 9241 (2018). Innerhalb der Norm werden Personas für jedes System einzeln erstellt auf Basis der Vorstellung oder Beobachtung des Entwicklers. Die bestehende Literatur zu Personas ist gleichzeitig vergleichsweise unkonkret, was eine Ausgestaltung von Personas schwierig macht. Auch existieren kaum Arbeiten, die eine quantitative Aufarbeitung dieser in den Mittelpunkt stellen (Chang et al. 2008; Pruitt und Grudin 2003; McGinn und Kotamraju 2008). Ausnahmen sind bei LeRouge et al. (2013) und Casas et al. (2008) zu finden. In beiden Projekten wurden datenbasierte Personas älterer Endnutzer entwickelt. Solche Arbeiten fehlen unseres Wissens nach jedoch im deutschsprachigen Raum.

Im Folgenden wird entsprechend eine konkrete Entwicklung von acht solcher Personas für den medizintechnischen Bereich im Sinne einer Best Practice aufgezeigt. Sie basieren auf einer, im Jahr 2016 erhobenen, Längsschnittstudie, die durch das Institut für Arbeitswissenschaft der RWTH Aachen durchgeführt wurde. In der Studie wurden u. a. Fragestellungen, wie Technikbenutzung und -bewertung, gesundheitsbezogener Informationsbedarf, Bedürfnisse und kontextspezifische Einflussfaktoren abgefragt (Mertens et al. 2017). An dieser Studie nahmen 511 Menschen älter als 60 Jahre teil. Als eine der ersten Studien, die sich so umfassend mit älteren und sehr alten Erwachsenen in Deutschland in den Domänen beschäftigt, bietet sie quantifizierte Ergebnisse zu der derzeitigen Situation und den Bedürfnissen dieser Gruppe im Gesundheitssektor bei gleichzeitigem Bezug zum Gebrauch von IKT.

2 Methodik

Im Folgenden wird die methodische Ausarbeitung der datenbasierten Personas aufgezeigt. Da zum jetzigen Stand kaum Literatur zu der Erstellung von Personas auf Grundlage einer quantitativen Datenbasis vorliegt, wird ein Fokus auf der transparenten und nachvollziehbaren Erstellung dieser gelegt (Chang et al. 2008; Pruitt und Grudin 2003; McGinn und Kotamraju 2008). Zuvor wird die methodische Basis der Personaentwicklung in aller Kürze dargelegt, auf die sich die eigenen Entwicklungsschritte beziehen. Daran anschließend erfolgt eine kurze Darstellung der Längsschnittstudie als Datenquelle, damit sowohl die Datenauswertung, als auch die konkrete Entwicklung der Personas nachvollziehbar wird. Die konkreten eigenen Entwicklungsschritte – im Sinne einer Best Practice – werden in dem anschließenden Kapitel dargestellt.

2.1 Methodischer Hintergrund

Es wurden acht idealtypische Personas mittels der ursprünglich von Cooper (2004) vorgestellten und weiterentwickelten Methode, als eine Form der nutzorientierten Gestaltung (DIN EN ISO 9241-210 2010), designt (Rönkkö et al. 2004; Chapman und Milham 2006; Junior und Filgueiras 2005). Die im Folgenden dargestellte konkrete Entwicklung der Personas orientiert sich an dem Vorgehen von Adlin und Pruitt (2010), und Wobig (2012).

Personas stellen hypothetische Archetypen aktueller Benutzer und Konsumenten dar (Cooper 2004; Grudin und Pruitt 2002; Junior und Filgueiras 2005; Miller und Williams 2006). Entstanden sind diese Archetypen im Kontext der Entwicklung und Evaluierung von neuer Software, mit der Frage nach potentiellen Benutzern (Nunes et al. 2010). Wichtige Merkmale bei ihrer Ausgestaltung sind der Präzisionsgrad und der Spezifikationsgrad. Diese entscheiden in einer narrativen Erzählweise, wie „echt“ die entworfenen Personas wirken (Schweibenz 2004; Cooper 2004; Miaskiewicz und Kozar 2011). Im Mittelpunkt der Beschreibung stehen die Interessen, Meinungen und Ziele potentieller Benutzer, welche sowohl durch die Datenlage, als auch durch fiktionale, vom Ersteller aber begründbare und nachvollziehbare Elemente, von Entwicklern designt werden (Konstan et al. 2012; Coney und Steehouder 2000; Pruitt und Grudin 2003). Durch Fotos und Zitate wurden diesen Personas anschaulichere, lebendigere und persönlichere Charakteristika verliehen.

2.2 Datenbasierter Hintergrund

In einer als Längsschnittstudie angelegten Untersuchung ging es um eine periodisch wiederkehrende Erfassung des Einsatzes von IKT-Technologien insbesondere im Hinblick auf medizinische Versorgungsprozesse bei älteren Erwachsenen (Mertens et al. 2017). Bestehende Instrumente wurden in der ersten Runde mit demographischen und gesundheitsbezogenen Standardinstrumenten und neuen Items kombiniert. Das Befragungsinstrument wurde thematisch in unterschiedliche Abschnitte unterteilt. Die zum großen Teil quantitativen Fragen wurden durch offene Fragen ergänzt, um vertiefende Beweggründe und Motive erfassen zu können.

Im ersten Abschnitt wurden demographische Daten abgefragt. Neben klassischen Variablen, waren auch altersspezifische deskriptive Werte, wie beispielsweise die Rentenjahre, der (frühere) Beruf und potentielle chronische Krankheiten, von Interesse. Daran anschließend wurde die durchschnittliche tägliche IKT- und Internetbenutzung thematisiert, gefolgt von dem Gebrauch von IKT und gesundheitsrelevanten Geräten. Der nächste Abschnitt befasste sich mit dem Thema gesundheitsbezogener Informationsbedarf und -verhalten. Schließlich erfolgte die Erfassung allgemeiner Anwendungen und der Benutzung von IKT im Alltag. Dann erfolgte die Abfrage etablierter und für die Zielgruppe bereits mehrfach erfolgreich eingesetzter Fragebögen: Die Computer Literacy Scale (CLS) (Sengpiel und Dittberner 2008), die Technikneigung nach Neyer et al. (2012), die soziale Erwünschtheit (Winkler et al. 2006), und einer angepassten Version der Health Literacy Scale (HLS) nach Sørensen et al. (2015). Am Ende des Fragebogens konnten die Teilnehmer eigene Bemerkungen hinzufügen.

Ein papierbasierter Fragebogen wurde an 5000 zufällig ausgewählte Personen innerhalb Deutschlands verschickt. Die Antwortrate der Teilnehmer lag bei 11 % (N = 551) mit einem mit einem Durchschnittsalter von 69,71 Jahren (SD = 5,787). Das Geschlechterverhältnis der Stichprobe ist, mit einem Männeranteil von 51,3 % und einem Frauenanteil von 48,7 %, ausgewogen. Deskriptive Ergebnisse sowie eine detailliertere Beschreibung des Fragebogens finden sich bei Mertens et al. (2017). Vertiefende Analysen dieser Studie sind bei Rasche et al. (2018), Bröhl et al. (2018) und Theis et al. (2018) nachzulesen. Die Studie wird alle drei Jahre erneut durchgeführt werden, um auf Anforderungs- und Parameteränderungen in der Entwicklung der Zielgruppe reagieren zu können. Hintergrund ist die Annahme, dass durch die immer kurzzyklischere Entwicklung neuer technischer Produkte und deren Einzug in den Alltag von immer mehr Menschen eine valide Erfassung der Erfahrungen fundamental bei der kontinuierlichen Technikintegration auf die Einstellung gegenüber entsprechenden Unterstützungssystemen ist (Mertens 2014).

2.3 Auswertung der Datenbasis

Vor der Erstellung der datenbasierten Personas musste der Anwendungsbereich klar abgegrenzt werden. Konkret wurde das Problem der Gestaltung medizintechnischer Produkte für ältere Benutzer definiert. Entsprechend sollten verschiedene Typen der Benutzer nachgezeichnet werden, um Entwickler für deren Bedürfnisse zu sensibilisieren. In diesem Fall wurden vier Abstufungen der Technikaffinität gewählt, um so Nuancen in der Benutzung von IKT und Medizintechnik aufzeigen zu können. Sie wurde durch die Wahl der Technologien (Smartphone, Tablet-PC, Computer und weitere zu einer Kategorie zusammengefasste nicht-technische Medien), in Verbindung mit dem Gebrauch von Apps, abgebildet. Diese zeigte sich exemplarisch in der Verwendung unterschiedlicher Dienstleistungen, bspw. Online-Banking, Fahrkartenkauf oder der Benutzung sozialer Netzwerke. Die erste Gruppe, die am technikaffinsten einzustufen ist, umfasste dabei ein n = 29, die zweite ein n = 77, die dritte ein n = 102 und die vierte ein n = 135.

Die gebildeten Gruppen dienten als Ausgangspunkt für eine vertiefende Analyse der vorliegenden Daten. Darüber hinaus wurden das Geschlecht und die Benutzung von Apps bei der vertiefenden Analyse im besonderen Maße berücksichtigt, um erste spezifische Verhaltensweisen für die Persona abzuleiten. Während durch die Variable der Benutzung von Apps eine Abgrenzung der Abstufungen der Technikaffinität weiter geschärft werden sollte, wurden durch die Variable des Geschlechtes spezifische Verhaltensweisen und geschlechtertypische Unterschiede in der Benutzung technischer Geräte aufgezeigt (Marsden et al. 2014). Analysiert wurde außerdem, wie sich diese Ausprägungen auf die Einstellung gegenüber medizinischen Fragestellungen und medizintechnischen Gerätschaften auswirken. Der Datensatz wurde unter Zuhilfenahme der ausgewählten Ausprägungen deskriptiv ausgewertet.

Nach der Analyse der Daten erfolgte eine Zuordnung dieser in insgesamt fünf relevante Kategorien. Diese wurden in Anlehnung an die bisher existierende Methodik der Entwicklung von Personas (Abschn. 2.1) ausgewählt. Für die hier beschriebene Fragestellung ergaben sich in einem ersten Schritt vier Kategorien, für die Personas eine Rolle während des Entwicklungsprozesses von IKT und Medizintechnik spielen: persönlicher Hintergrund, gesundheitliche Situation, Informationsbedarf bei medizinischen Fragestellungen und die Einstellung gegenüber technischen Geräten (s. Tab. 1). Diesen Kategorien wurden Ergebnisse aus der Auswertung zugeordnet. Darüber hinaus wurde eine fünfte Kategorie gebildet, die weiterführende Informationen gesammelt wurden, um die Personas realistischer und greifbarer zumachen. Darunter fielen u. a. Zitate, die im Rahmen der Längsschnittstudie erhoben worden sind, potentielle Bilder für die Personas oder eine erste Auswahl von Namen und Berufen.

Tab. 1 Table 1 Merkmale der datenbasierten PersonasCharacteristics of the data-based personas

Nach der Auswertung der Daten erfolgte eine Auswahl der endgültigen Anzahl der Personas. Hierbei wurde ebenfalls Bezug zu der gängigen Literatur genommen. Basierend auf den identifizierten Kategorien wurde der Entschluss, unter Berücksichtigung der Variable Geschlecht, für eine Anzahl von acht Personas gefasst. Die gewählte Anzahl der Personas entspricht, so die Argumentationslinie von Marsden et al. (2014), einer gängigen Anzahl in der Praxis. Durch diese Anzahl sollte einerseits sichergestellt werden, dass der Trend der Ergebnisse der Längsschnittstudie korrekt wiedergegeben wurde, andererseits individuelle Merkmale einzelner Gruppen Berücksichtigung finden würden.

Anschließend ging es darum die vorliegenden Daten und Quellen, die nicht zur Längsschnittstudie zählten, hinzuzuziehen. Dadurch sollte der Präzisionsgrad der Personas weiter steigen. Durch diese externen Daten wurde eine Nachvollziehbarkeit im Sinne bekannter und wiedererkennbarer Merkmale gesellschaftlicher (Teil‑)Gruppierungen der Personas angestrebt (Cooper 2004; Böhm et al. 2009). Beispielsweise wurden die Namen nicht zufällig ausgewählt, sondern dem Onlineverzeichnis „beliebte-vornamen.de“ entnommen, das die häufigsten vorkommenden Vornamen nach Jahrgängen sortiert. Ebenfalls wurden erhobene Krankheitsbilder weiter spezifiziert und passende Berufe für Berufs- und Ausbildungsgruppen ergänzt, wie bspw. durch die Homepage der Bundesagentur für Arbeit und der ICD-10-GM Version 2018 für Krankheiten. Unterschiedliche Alterskrankheiten, wie Bluthochdruck, Übergewicht und Arthrose, wurden bei der gesundheitlichen Situation in den Personas berücksichtigt. Darüber hinaus konnten spezifische Krankheitsbilder, wie Herzprobleme infolge eines Herzinfarktes, eine Schilddrüsenüberfunktion und Diabetes, identifiziert werden (OECD und EU 2016; World Health Organization 2016). Innerhalb der Personabeschreibungen werden diese spezifischen Krankheitsbilder mit einbezogen und der Umgang damit umrissen. Gleichzeitig wird das weitere Handeln der Personas im Kontext dieser Krankheitsbilder gesehen. Beispielsweise wurde ihr Interesse an Informationen im gesundheitlichen Sektor einerseits an das Krankheitsbild, dass ihnen zugeordnet wurde, angepasst, andererseits basierten Charaktermerkmale auf der Datenlage der entsprechenden gesundheitsbezogenen Kategorie. Darüber hinaus wurde der jeweilige Beruf als weiterer Bezugspunkt für die Personas gewählt. Um einen stärkeren Bezug zu den Personas herstellen zu können, wurden sie um passende Bilder, die den Charakteristika der jeweiligen Personas am ehesten entsprachen, ergänzt. Die Auswahl erfolgte gemeinsam mit einem interdisziplinären Expertengremium und Endbenutzern. Fragen, die zu der Auswahl führten, waren u. a.: Ist es potentiell möglich, sich die Person in dem gewählten Berufsbild und mit der ausgewählten Krankheit vorzustellen? Kann man sich die Person auf dem Foto mit der dargestellten Beschreibung vorstellen? Durch die gemeinsame Diskussion sollte sichergestellt werden, dass die individuellen Merkmale der einzelnen Personen sich in den Fotos widerspiegeln. Innerhalb der Diskussion um die Fotos wurden widersprüchliche Emotionen in Bezug auf die Fotos und ihren konkreten Wiedererkennungswert zu Personen festgestellt. Dies könnte sich auch negativ auf die Verwendung und auch die Entwicklung von Empathie von Personas auswirken. Da jedoch mit Long (2009) postuliert werden kann, dass mit gänzlich abstrakten Fotos der Aspekt der Empathie stark abnimmt, wurden die Fotos real existierender Menschen nur mit einem Filter leicht abstrahiert. Anschließend wurden gewisse persönliche Informationen der Personas fiktional ergänzt, insbesondere wenn es um kennzeichnende Verhaltensmuster ging (Vincent und Blandford 2014). Es wurde darauf geachtet, dass die fiktionalen Elemente in sich schlüssig und nachvollziehbar waren und eine sinngebende Geschichte erzählen (Quesenbery 2006). Unter Berücksichtigung von Marsden et al. (2014), wurde ein Wiedererkennungswert zwischen den Personas und real existierenden Personengruppen angestrebt, um sinnstiftende Personas zu schaffen. Aus diesen Grund erfolgte eine systematische und kritische Verwendung von Stereotypen. Innerhalb der Entwicklung von Personas ist es dabei üblich, sich diesen zu bedienen (Marsden et al. 2014; Pruitt und Grudin 2003). Darunter fiel zum großen Teil die familiäre Situation der Personas.

Anschließend wurden Steckbriefe der acht Personas angefertigt. Diese Steckbriefe wurden innerhalb eines interdisziplinären Expertengremiums (aus den Bereichen Medizin, Informatik, Ingenieurwissenschaft, Psychologie, Informationswissenschaft und Soziologie), evaluiert und entsprechend überarbeitet. Durch die Interdisziplinarität des Gremiums konnten die Personas aus mehreren Blickwinkeln, wie bspw. Sinnhaftigkeit, Sprache, Logik und textueller Verschriftlichung, während der Entwicklung betrachtet werden. Das führt zu einer, für einen Großteil der beteiligten wissenschaftlichen Disziplinen verständlichen und nachvollziehbaren Logik und Sprache. Darüber hinaus sollte durch eine exemplarische Weitergabe an potenzielle Endbenutzer sichergestellt werden, dass diese sowohl einen Zugang, als auch eine Verwendung für diese haben. Hierbei ging es primär darum sicherzustellen, dass die Personas für die spätere Gruppe der Anwender verständlich und anschaulich gestaltet sind. Die langen Versionen der Steckbriefe der Personas sind dem Anhand zu entnehmen.

3 Diskussion

Die Vorteile datenbasierter Personas liegen in ihrer gesellschaftlichen Relevanz. So spiegeln diese nicht nur eine potentielle Benutzergruppe wieder, sie zeigen auch gesellschaftliche Tendenzen auf, ohne auf individuelle Charakteristika und damit auf einen Wiedererkennungswert zu verzichten. Im Zuge dessen können sie Entwicklern Benutzereigenschaften einfach zugänglich machen, ohne das zusätzliche Ressourcen in Anspruch genommen werden müssen. Entsprechend der vagen Gestaltungsempfehlungen der Personas bei Cooper (2004), Pruitt und Grudin (2003), Pruitt und Adlin (2006), wurde eine systematische Ausarbeitung im Sinne einer Best Practice dieser mithilfe einer quantitativen Datenlage angestrebt. Es wird dabei einerseits auf die generelle Handhabung der Datenlage eingegangen und andererseits anhand eines konkreten Beispiels dargestellt.

Die hier vorgestellten Personas beinhalten dabei drei Aspekte: Durch ihre Datenbasis spiegeln sie gesellschaftliche Trends wieder und gleichermaßen sind sie durch die Art ihrer Konzeption ressourcensparend. Durch ihre Erzählweise sorgen die Personas für die Entwicklung eines Verständnisses gegenüber deutlich älteren Menschen. Anders als herkömmliche Berichte, verhelfen sie dazu ein direktes Bild von Benutzergruppen zu erhalten und damit direkt auf Probleme und Chancen eingehen zu können. Dabei sind sie nicht nur allgemeinverständlich, sondern besitzen einen hohen Spezifikationsgrad. Ein weiterer Vorteil datenbasierter Personas ist, dass sie reale Gegebenheiten wiederspiegeln und nicht nur durch subjektive Einschätzung entstanden sind. Dadurch zeichnen sich gesellschaftliche Strukturen in ihnen ab, ohne dass auf individuelle Merkmale verzichtet werden muss. Ziele und Motivationen des Endbenutzers lassen sich davon ableiten (Wobig 2012). Bereits 1996 stellte Baltes diese Faktoren auf, die für eine Integration von älteren Menschen wichtig sind: Erstens die Erfassung gesellschaftlicher Strukturen und zweitens das Aufbringen relevanter kontextspezifischer Ressourcen und damit drittens einhergehend ein besseres Verständnis für die Ziele des Alters (Baltes 1996).

Die hier entwickelten Personas können bei einer Vielzahl unterschiedlicher Fragestellung genutzt werden. Denkbar wäre somit, dass sie für die Entwicklung neuer technischer (Medizin‑)Produkte verwendet werden, damit eine Orientierung an den Endbenutzer und seine Fähigkeiten erfolgt. Genauso könnten sie aber für eine Sensibilisierung von Versorgungskräften genutzt werden, die mit älteren Menschen in verschiedenen Einrichtungen arbeiten. Gleichermaßen eignen sich diese dazu, Forschung und Entwicklung ein Bild von der derzeitigen Situation älterer Menschen zu vermitteln. Darunter fällt nicht nur das technische Selbstverständnis dieser Menschen, sondern auch ihr Informationsbedarf und ihr Wunsch nach technischer Handhabbarkeit und eigener Partizipation.

Die hier vorliegende Stichprobe der Längsschnittstudie zeichnet sich durch die detaillierte und konkrete Beschreibung einer besonderen, bisher nicht ausreichend betrachteten Gruppe aus. Durch die steigende Anzahl älterer und sehr alter Menschen ist es äußerst wichtig, ihre spezifischen Charakteristika in den Entwicklungsprozess von Medizintechnik und IKT miteinzubeziehen (Nunes et al. 2010). Damit dies möglich wird, ist jedoch neben einem objektiven Verständnis der Schwierigkeiten des Alterns auch wichtig, ein subjektives Empfinden und Empathie in diesem Kontext zu entwickeln. Zwar können Personas dies nicht leisten, jedoch können sie für diese Aspekte sensibleren.

Bezogen auf die Besonderheit der Stichprobe lässt sich feststellen, dass diese einen generellen gesellschaftlichen Trend wiederspiegeln. Die hier entworfenen Personas spiegeln in dem Kontext die realen Benutzer von IKT und Medizinprodukten wieder, was sich auch in den empirischen Daten zeigt. Ein Teil älterer Benutzer hat Probleme mit der Benutzung technischer Endgeräte, es besteht aber ein Interesse an der Handhabung dieser, der sich in den letzten Jahren als Trend fortsetzt (Mertens et al. 2017). Gleichzeitig haben Männer ein größeres Interesse an technischen Neuerungen als Frauen (Haesner et al. 2015). Zurzeit stellen technikaffine ältere Menschen einen geringen Teil dieser spezifischen Subgruppe dar, was sich – so die Annahme – in naher Zukunft wandeln wird. Trotz unveränderlicher physiologischer Alterseffekte erhebt sich die Frage, ob die Leistungsunterschiede zwischen jüngeren und älteren Benutzern zukünftig geringer ausfallen. Auch aufgrund der Tatsache, dass die heute „jungen älteren Menschen“ mit technischen Systemen, sowie IKT, erwachsen geworden sind und der damit einhergehenden neu entstehenden Anforderungen im Vergleich zu der derzeitigen Zielgruppe besser gewachsen sind (Mertens 2014; Nunes et al. 2010).

Aufgrund der immer kleinzyklischeren Entwicklung von neuen Technologien im digitalen Wandlungsprozess und der kleiner werdenden Leistungsunterschiede stellt sich die Frage nach der Aktualität der in diesem Beitrag entworfenen Personas. Diese Herausforderung wurde bereits bei der Konzeption der Personas bedacht. Durch die sich dreijährig wiederholenden Erhebungen der Längsschnittstudie wird eine inhaltliche Anpassung dieser erfolgen. Geplant ist es, um langfristige Entwicklungen hinsichtlich der Technikbenutzung und Einstellung gegenüber Medizintechnologien älterer und sehr alter Menschen zu untersuchen. Im textuellen Entwurf wurden darüber hinaus Textbausteine eingebaut, die leicht zu aktualisieren sind. Gleichzeitig muss postuliert werden, dass aufgrund der zur Verfügung stehenden Daten zwar von einem gesellschaftlichen Trend gesprochen werden kann, jedoch keine Rückschlüsse auf die Gesamtbevölkerung möglich sind. Insbesondere da eine spezielle gesellschaftliche Gruppierung im Vordergrund stand. Limitierend wirkt in diesem Kontext auch, dass nicht alle Informationen der vorliegenden Personas auf Daten basieren, auch wenn versucht wurde, diesen Part möglichst klein zu halten und die Lücken mit weiteren Quellen zu schließen.

4 Ausblick

In diesem Artikel erfolgte die Ausarbeitung acht datengestützter Personas im Sinne einer Darstellung der Best Practice. Die hier vorgestellten Personas werden in Forschung und Entwicklung eingesetzt, um so den in der Einleitung skizzierten Problemlagen entgegenzutreten. Gleichzeitig erfolgt eine Aufbereitung auf einer entsprechenden Online-Plattform „www.tech4age.de“, um so eine einfache Benutzung gewährleisten zu können. Im Rahmen einer regelmäßigen Neuauflage der Längsschnittstudie werden die Personas darüber hinaus fortwährend überarbeitet und bei Bedarf erweitert, so dass das sie ihre Aktualität über eine längere Zeitspanne hinweg behalten.