Die Idee zu diesem Themenschwerpunkt in der DVjs geht auf einen internationalen Workshop am Center for Advanced Studies in München zurück.Footnote 1 Unter dem Titel »Coming back – coming home? Heimkehrermodelle in Antike und Moderne« gingen Anthropologen, Alt- und Neuphilologen der Frage nach, wie sich ein so elementarer sozialer Vorgang wie das Zurückkehren an den Herkunftsort nach längerer Abwesenheit im Spiegel von Erzählungen gestaltet: Welchem historischen Wandel unterliegt dieser Stoff, der erstmals mit der Odyssee in die Welt der verschrifteten Literatur Eingang fand? Formen sich die Geschichten zu einem eigenen Genre aus, und falls ja, welche Themen und Motive, aber auch kompositorischen Elemente gehören zum festen Bestand von Heimkehrer-Geschichten? Worin schließlich weichen moderne von antiken Fassungen der Thematik ab? Denn obgleich die griechische Mythologie und die Bibel den immer wieder neu aktualisierten Fundus fast aller späteren literarischen Gestaltungen dieser Motivik bilden, ist doch unübersehbar, dass gerade die moderne Dichtung eigene Akzentuierungen vornimmt und neue erzählerische Formen erprobt.

Sowohl angesichts seiner anthropologischen Reichweite als auch im Hinblick auf die literarische Verbreitung überrascht es, dass das Heimkehr-Motiv bislang nur ein schwaches theoretisches und historisches Profil erhalten hat.Footnote 2 Eine allgemeine Theorie der Heimkehr als soziales Phänomen gibt es ebenso wenig wie eine kulturwissenschaftlich informierte Phänomenologie der entsprechenden Schicksale literarischer Protagonisten. Auch eine umfassende Studie zur Struktur und Poetik der Heimkehr sucht man vergeblich, obgleich das Thema zum narrativen Grundbestand der Weltliteratur gehört.Footnote 3 Bei der überschaubaren Anzahl einschlägiger Arbeiten handelt es sich um Studien, die sich entweder mit dem epischen, seltener: tragischen nostos befassenFootnote 4 oder mit literarischen Heimkehr-Szenarien des 20. Jahrhunderts, zumal in der Nachkriegs‑, Exil- und Diaspora-Literatur.Footnote 5 Nur punktuell rückt dabei bisher das Wechselspiel zwischen den antiken Vorlagen, insbesondere der Odyssee, und späteren literarischen Bearbeitungen derselben Thematik in den Blick. Hierin besteht einer der Einsatzpunkte der Beiträge in diesem Heft, dessen Schwerpunkt auf der Ausgestaltung des nostos-Themas in der europäischen Erzählliteratur des 19. und frühen 20. Jahrhunderts liegt.

Zwei Komplexe sollen dabei im Vordergrund stehen, die den gemeinsamen Problemkern der antiken wie der modernen Literatur zu bilden scheinen. Der erste Aspekt betrifft den Zusammenhang zwischen der Rückkehr und der Notwendigkeit respektive Unmöglichkeit zu erzählen. Ausgangspunkt ist hierbei die Beobachtung, dass es eine enge Korrelation gibt zwischen der physischen und der narrativen Seite des ›Heimkehrerdramas‹: und zwar in dem Sinne, dass eine kommunikativ erfolgreiche Mitteilung der in der Ferne durchlebten und durchlittenen Zeit die Bedingung der Möglichkeit einer gelungenen Heimkehr darstellt. Kurzum: Wenn mit seiner physischen auch seine soziale Ankunft gelingen soll, muss der Zurückkehrende sich als Erzähler beweisen. Dieser literarische Befund deckt sich mit der anthropologischen Einsicht, wonach das Erzählen von der zurückliegenden Reise in vielen Kulturen eine rituelle und zugleich sozial stabilisierende Funktion besitzt.Footnote 6 Schon bei Plato wird der Übergangszustand des Reisens erst dann für abgeschlossen erklärt, wenn er sich nach erfolgter Rückkehr in einen Reisebericht übersetzt.Footnote 7 Wer heimkehrt, hat demnach nicht nur sprichwörtlich etwas zu erzählen; er ist, will er seine vormalige Stellung wiedererlangen, auch zum Erzählen genötigt. Schließlich muss er sich den Daheimgebliebenen zu erkennen geben, seine durch die Erfahrung der Fremde wie den zeitlichen Abstand oftmals infrage gestellte Identität zu beglaubigen wissen und als derjenige, der er zu sein beansprucht, wieder- und anerkannt werden. Darüber hinaus spielen Motive der Rechtfertigung, der Bewährung in der Ferne, der ›Reinigung‹ vom Fremdsein und einer durch den Erzählakt vollzogenen Wiedereingliederung in die Gemeinschaft eine wichtige, motivgeschichtlich allerdings variierende Rolle. Umgekehrt gilt, dass die Heimkehr in aller Regel misslingt, wenn der Zurückgekehrte sich diesem zumeist unausgesprochenen Diktat aus welchen Gründen auch immer entzieht oder mit dem, was ihm auf der Seele liegt, keine Zuhörer findet.Footnote 8 Denn selbst wenn er, der seit Jahren Verschwundene, Verschollene oder gar Totgeglaubte, die Anstrengung auf sich nimmt, sich durch seine Erzählung gleichsam wieder zum Leben zu erwecken, bleibt die Frage, ob ihm dieser rite de passage zugestanden wird und ob er gelingt: Lässt sich das, was er zu berichten hat, in die Erzählwelt der Daheimgebliebenen integrieren und auf diese Weise vergemeinschaften? Findet er Zuhörer, stößt er mit seiner Geschichte auf Verständnis und Anteilnahme, kann er seine Abwesenheit rechtfertigen und den Abstand überwinden, der durch die raum-zeitliche Distanz entstanden ist? Erkennt man ihn wieder, räumt man ihm seinen früheren Platz erneut ein und gesteht ihm seinen vormaligen Status zu? Findet er schließlich Anerkennung als derjenige, der er inzwischen geworden ist? All dies steht in einer potenziellen Erzählung des Heimkehrers auf dem Spiel.

Die zweite in dem Heft zu untersuchende Problemstellung betrifft zwar einen thematischen Aspekt der Heimkehr, trägt deshalb aber nicht weniger zum Verständnis der Form bei. Gemeint ist der Komplex der Gewalt, der ein bestimmendes Element insbesondere des antiken nostos ist.Footnote 9 Den Einsatzpunkt der Odyssee bildet die Zerstörung Trojas, an ihrem Ende kommt es zu einem blutigen Gemetzel zwischen Odysseus und den Freiern, das beinahe in einem bürgerkriegsähnlichen Konflikt eskaliert. Auch die Aeneis, die man als »römische Umformung des Heimkehr-Mythos«Footnote 10 bezeichnet hat, endet mit einem Blutbad. Der mühsame, Tod und Verderben mit sich bringende nostos ist indessen nicht nur für antike Epen und Tragödien charakteristisch. Auch die sich um das Motiv der Heimkehr drehenden Texte des 19. und frühen 20. Jahrhunderts sind selten frei von Gewalt. Es muss sich dabei nicht einmal um Kriegserzählungen im engeren Sinne handeln, die zu allen Zeiten von der Schwierigkeit erzählen, Gewaltakteure in das zivile Leben zu re-integrieren. Selbst die Literatur des Realismus, die den Erzählstoff ins Private wendet und zumeist abseits der großen politischen Schauplätze in häuslich-bürgerlichen Milieus spielt, weist Spuren von Gewalt auf – besonders augenfällig durch die körperlichen Versehrungen, von denen viele der gealterten Rückkehrer in Erzähltexten des Realismus gezeichnet sind. Formale Konsequenzen ergeben sich daraus insofern, als gerade die Erfahrung von Gewalt das Erfordernis sprachlicher Bewältigung nach sich zieht, zumal in solchen Fällen, in denen eine heute gemeinhin als ›traumatisch‹ bezeichnete Störung vorliegt. Das soll nicht heißen, dass die Gewalt in allen der in diesem Heft besprochenen Texte direkt thematisiert wird. Ganz im Gegenteil besteht der Konflikt oder – je nach Perspektive – die Kunst oftmals darin, die Erfahrung der Gewalt, die der Rückkehrer entweder nach Hause trägt oder dort erfährt, in die Form einer bedeutungsvollen, erzählerisch umso aufwendigeren Auslassung zu kleiden.

Hans Blumenberg hat den Vorgang des Heimkehrens einmal als eine »Bewegung der Sinnrestitution«Footnote 11 definiert. Diese optimistische Bestimmung trifft indessen nicht auf alle möglichen Fälle zuFootnote 12, und schon gar nicht auf die in diesem Heft behandelten literarischen Texte. Ohne unzulässig zu verallgemeinern, lässt sich festhalten, dass die Heimkehr in der Erzählliteratur des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts in hohem Maß problematisiert wird. Heimkehren bedeutet in diesen Texten, sich der Gefahr auszusetzen, in der Herkunftswelt nicht mehr willkommen zu sein – sei es, dass man dort nicht mehr erwünscht ist oder zu sein glaubt; sei es, dass man sich selbst so stark verändert hat, dass man sich ›daheim‹ nicht mehr zurechtfindet, oder sei es schließlich, dass die Welt, in die man zurückzukehren hofft, sich bis zur Unkenntlichkeit verändert hat oder sich auf eine geradezu erschreckende Weise gleich geblieben ist.

Wie auch immer die Geschichten im Einzelnen gestaltet werden – was sie verbindet, ist der Umstand, dass der Prozess der Heimkehr sich als schwierig erweist. Genau diese Affinität von Heimkehr und Krise verbindet die modernen Ausgestaltungen des Themas bei allen Akzentverschiebungen und Umbesetzungen – so die Grundthese – mit der Odyssee. Denn auch wenn Odysseus im Gegensatz zu vielen modernen Protagonisten die glückliche Heimkehr gelingt und er seine Ehe und zuletzt sein Königsreich zurückgewinnt, hält die Odyssee die Möglichkeit einer tödlich scheiternden Heimkehr nach dem Muster Agamemnons aufrecht. Die Schwierigkeit heimzukehren manifestiert sich auch darin, dass die Odyssee zu weiten Teilen von der Überwindung von Heimkehrhindernissen – etwa in Gestalt von bestrickend schönen weiblichen Wesen, die den Schiffbrüchigen an sich fesseln und seine Heimkehr verhindern wollen – erzählt. Odysseus, der polytropos, so hat es Peter Sloterdijk einmal treffend formuliert, ist der »Held der verzögerten Bewegung ins Ziel«, »der Mann, der auf die Verzögerungsfolter gespannt wird«.Footnote 13 Tatsächlich handelt die Odyssee vom 13. Gesang an nur noch von den Rückkehrschwierigkeiten, auf die der Held in seiner alten Heimat stößt.Footnote 14 Sogar das versöhnliche Ende der Odyssee, an dem die alte Ordnung wiederhergestellt wird und sich alles zum Guten fügt, beschwört die Gefahr eines tragisch sich schließenden nostos noch einmal herauf.Footnote 15 Heimkehr bei Homer bedeutet beides zugleich: Verheißung und Schrecken. Es spricht alles dafür, dass sich die hohe Faszinationskraft, die noch im 19. und frühen 20. Jahrhundert von der Odyssee ausgeht, dieser Spannung verdankt.Footnote 16

Vor diesem Hintergrund wird erklärlich, dass christliche Erzählvorlagen, in der Literatur früherer Jahrhunderte sehr einflussreich, in den hier untersuchten Heimkehrer-Texten keine hervorgehobene Rolle spielen. Ein ausgeprägter Grundzug ist, mit wenigen Ausnahmen, ihre Anti-Eschatologie. Weder bei Balzac, Keller oder Musil – um nur drei Namen zu nennen – wird die Heimkehr mit dem allegorischen Sinngehalt einer »Rückkehr in die himmlische Heimat«Footnote 17 versehen. Von dieser Option machen im 19. Jahrhundert allenfalls die Romantiker Gebrauch.Footnote 18 Narrativ ausgesponnen wird sie etwa in Joseph von Eichendorffs spätromantischer Erzählung Eine Meerfahrt (vermutlich um 1835), in der die frühchristliche Deutung der Heimkehr als einer Reise zurück ins verlassene Paradies noch einmal heraufbeschworen wird, allerdings in ironischer Brechung: Aus der Paradiesfahrt ist hier eine profane Schiffsreise über den Atlantik geworden, deren Ziel nicht die Begegnung mit Christus ist, sondern Profit. Auch das Motiv der conversio, das die »christliche Metapher der Heimkehr impliziert«Footnote 19, erscheint bei Eichendorff seines religiösen Sinnes entleert. Anstatt von einer innerlichen Umkehr handelt die Erzählung davon, wie die reisenden Abenteurer, einmal im Besitz des Goldes, der Neuen Welt den Rücken kehren und ihr Schiff zurück nach Europa wenden. Die Figur der conversio schrumpft hier zu einem formalen Element narrativer Schlussgebung zusammen.

Eichendorffs weltliche Heimkehrerzählung, die man als romantische Umschrift der zur christlichen Lebensfahrt umgeformten Brandan-Legende deuten kann,Footnote 20 nimmt insofern eine paradigmatische Stelle in der abendländischen Geschichte der Heimkehr ein, als sich in ihr bereits die Profanierung der Heimkehrmetapher auf dem Weg in die Moderne ankündigt. In den kanonischen Romanen und Erzählungen des Realismus und der Frühen Moderne jedenfalls wird die hier in Rede stehende Erzählfigur kaum mehr im christlichen Sinne verstanden. Wo diese Texte überhaupt die Paradies-Topik aufnehmen, ist der Weg ins Paradies, wie schon in Kleists Über das Marionettentheater, versperrt. Und wo sie es mit jungen Abenteurern oder Ausreißern zu tun haben, bildet das biblische Gleichnis vom verlorenen Sohn, wie etwa in Theodor Storms Novelle Hans und Heinz Kirch (1883), lediglich eine die scheiternde Verständigung zwischen Vater und Sohn umso schmerzlicher fühlbar machende Negativfolie.

Auch der mächtigste biblische Migrationsmythos, die alttestamentliche Geschichte vom Exodus der Israeliten, gehört eindeutig nicht zu den Heimkehrer-Protokollen, auf die sich die hier verhandelten Texte berufen.Footnote 21 Das mag zum einen daran liegen, dass das Element der ›Heimkehr‹ in das verheißene Land in der vielfältigen Rezeption der Bücher Mose nicht das entscheidende war: Das Grundmuster der Exodus-Erzählung – Überwindung eines Zustandes der Fremdbestimmtheit, für die paradigmatisch der Auszug aus der Knechtschaft Ägyptens steht, und Verheißung eines nach vielen Entbehrungen zu erreichenden Gelobten Landes – ließ sich in andere Kontexte übernehmen, ohne dass der neue Siedlungsraum ein Land der Väter sein musste. Zum anderen ließ sich das Modell des biblischen Exodus, als ein von religiösen Energien getriebener Aufbruch, zwar in den Dienst expansiver Siedlungsbewegungen des 17. und 18. Jahrhunderts und der Phantasie nationaler Landnahmen stellen; es eignet sich aber nicht für die privaten Remigrantenschicksale, die den literarischen Realismus interessieren. Für die Realisten sind Fragen der Zugehörigkeit oder des Ursprungs weniger in einer – politisch instrumentalisierbaren – spirituellen Hinsicht als gewissermaßen alltagspraktisch von Belang. Ohnehin geht es ihnen nicht mehr, wie noch den Romantikern, um die Wunder der Ferne, sondern um das, was passiert, wenn man den vormaligen Wundern der Ferne den Rücken kehrt und sich dorthin zurückwendet, woher man kommt: mithin um das Soziodrama der Nähe. Ihre Erzählungen suchen Antworten auf die Frage, wo man unter den gegebenen Voraussetzungen einer in hohem Maß mobilen Moderne überhaupt noch zu Hause ist und wie man sich an einem lebensgeschichtlich relevanten Ort beheimaten kann. Wie viel Ungebundenheit und Abwesenheit sind sozial noch verträglich? Wie viel Mobilitätserfahrung lässt sich mit dem in Reaktion auf die Moderne vordringlichen Wunsch nach territorialer Festigkeit und sozialer Stasis vereinbaren? Und wie stark dürfen sich sowohl der Heimkehrer als auch die Daheimgebliebenen verändert haben, damit sich der durch die Trennung, die Erfahrung der Fremde oder schlicht die verstreichende Zeit erzeugte Riss noch schließen lässt?

Dieses Interesse an der problematischen Ankunft in der Heimat setzt die modernen literarischen Zeugnisse in einen signifikanten Kontrast zu mittelalterlichen und frühneuzeitlichen ›Reiseerzählungen‹, die das Thema der Heimkehr ebenfalls aufgreifen.Footnote 22 Auch diese Erzählungen stellen in dem Maß, in dem sie sich aus dem christlich-eschatologischen Bezugsrahmen lösen, eine »Uminterpretation der antiken Heimkehrepen« dar, insbesondere der Odyssee.Footnote 23 Sie tun dies dadurch, indem sie den Akzent von der Heimkehr auf die Ausfahrt und damit auf den ersten Teil der Reise verlegen.Footnote 24 Die modernen Bearbeitungen des Stoffes gehen, wenn man so will, den umgekehrten Weg: Sie verkürzen die Drangsale der Rückreise, von denen die Odyssee handelt, und weiten zugleich den Moment der Ankunft zu einem schier unabschließbaren Prozess. Diese Akzentverschiebung hat formale und generische Konsequenzen. Denn es ist überhaupt fraglich, ob die in diesem Heft behandelten Texte aus dem 19. und 20. Jahrhundert sich noch, wie die Odyssee, als »Reiseerzählung«Footnote 25 verstehen lassen: Mit Ausnahme der Romane Joseph Conrads findet in diesen Texten, zugespitzt formuliert, nämlich gar keine Reise mehr statt.Footnote 26 Charakteristisch für die narrative Anlage der Heimkehr-Texte zumal des deutschsprachigen Realismus ist vielmehr, dass die Ferne in diesen Texten zwar aufgesucht wird, aber kaum je zur Darstellung gelangt. Nur selten werden dem Leser die mannigfaltigen Schwierigkeiten, die der Held während der Fahrt und in der Fremde zu erdulden hat, greifbar und anschaulich vor Augen gestellt. Das hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass der Erzähler seine Figuren in vielen Fällen nicht begleitet, sondern am Ausgangsort zurückbleibt. Diese fiktive Standortgebundenheit oder, wenn man so will, ›Sesshaftigkeit‹ der Erzählinstanz hat oftmals zur Folge, dass dem Leser selbst die elementarsten Informationen über den Reisehergang und das Leben in der Ferne vorenthalten bleiben.

Anknüpfend an die von Walter Haug verwendete Unterscheidung zweier »Grundtypen« von Reise-Erzählungen: »die Reise als Ausfahrt und die Reise als Heimkehr«,Footnote 27 kann man in der Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts so möglicherweise die Entstehung eines neuen, näherhin: modernen, Erzählmusters von Heimkehr beobachten. Zwar ergeben sich die Schwierigkeiten, denen sich der Protagonist ausgesetzt sieht, auch hier, wie in der Odyssee, bei der Rückkehr; die Reise selbst jedoch, die in der Odyssee noch strukturbestimmend war, rückt im Vergleich zu den Herausforderungen, die den Zurückgekehrten zu Hause erwarten, in den Hintergrund. Die Vermutung drängt sich auf, dass diese Transformation damit zu tun hat, dass sich die Voraussetzungen und Bedingungen, die darüber entscheiden, ob sich eine Reise zurück an den Ausgangsort zur Heimkehr rundet, in der Moderne radikal gewandelt haben. Dies stellt die Texte nicht zuletzt vor ein technisches Problem, nämlich der Finalisierung. Wenn die Frage, ob die Rückkehr sich zur Heimkehr schließt, nicht mehr durch gewalttätige Inbesitznahme des Heimatreviers in Gestalt eines heroischen Entscheidungskampfes ausgefochten werden kann, dann bedeutet das auch, dass das Erzählen andere Wege (er)finden muss, um eine Auflösung des Heimkehrproblems herbeizuführen oder der Zyklik des Kommens und Gehens wenigstens ein vorläufiges Ende zu setzen.

Eva Eßlinger

München, im Juni 2018