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Erfolgreich trauern

Herbert Grönemeyers Song Mensch

Successfully mourning

Herbert Grönemeyer’s Song Mensch

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Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik Aims and scope Submit manuscript

Zusammenfassung

Ausgangspunkt dieses Beitrags ist die Tatsache, dass Herbert Grönemeyers Album Mensch (2002) mit mehr als 3,7 Mio. verkauften Exemplaren das meistverkaufte Album in Deutschland ist. Dieser Erfolg kann nicht verstanden werden, ohne zu berücksichtigen, dass Tod und Trauer die Hauptthemen der Liedtexte des Albums bilden. Durch ein close reading des titelgebenden Liedes Mensch zeigt der Beitrag, auf welche Weise es dem Liedtext gelingt, an das Vorwissen der Hörer/innen zu appellieren, die vom rezenten Tod der Ehefrau des Sängers wussten, und zugleich den Text für eine andere Art des Zuhörens zu öffnen. Das Lied ist insofern ein Beispiel für ›erfolgreiche Trauer‹, als es sich aufrichtig mit dem Verlust auseinandersetzt, ohne depressiv zu werden. Dementsprechend haben sich, so die abschließende Annahme, in den letzten Jahrzehnten populäre Lieder einiger Aufgaben angenommen, die vormals durch die Religion erfüllt wurden.

Abstract

The point of departure for this contribution is the fact that Herbert Grönemeyer’s Mensch (2002) is the topselling pop album in Germany (with more than 3.7 million copies sold). This success cannot be understood without acknowledging death and mourning as the main topics of the albums lyrics. In a close reading of the title track Mensch, the article shows how the lyrics succeed in addressing the previous knowledge of the listeners (who knew about the recent death of the singers wife) and, by the same time, opening the text for a quite different listening. Insofar the song is an example for ›successful grief‹ as it honestly deals with loss without getting depressive. In the last decades, that’s the closing assumption, popular songs have therefore adopted some tasks formerly fulfilled by religion.

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Notes

  1. Diederichsen, Diedrich: Über Pop-Musik. Köln 2014, S. XI (und S. XVIII).

  2. Und in einigen literaturwissenschaftlichen Texten wird das auch ausdrücklich bestätigt. So beginnt Christian Huck seinen Aufsatz zu Coverversionen in der Popmusik mit dem Satz: »Nicht selten rühren akademische Auseinandersetzungen mit Popmusik von eigenen Erfahrungen her, so auch diese« (Huck, Christian: »Coverversionen. Zum populären Kern der Popmusik«. In: Pop. Kultur und Kritik 4 (2014), S. 154–173, hier S. 154).

  3. Zur Thematisierung des Todes in internationalen Popsongs (mit einem kürzeren Blick auch auf Grönemeyers Song) vgl. bereits Hoffmann, Torsten: »Du fehlst. Zur erstaunlichen Karriere des Todes in Popsongs«. In: Thorsten Schüller/Sascha Seiler (Hg.): Hidden Tracks. Das Verborgene, Vergessene und Verschwundene in der Popmusik. Würzburg 2012, S. 183–201.

  4. Grönemeyer, Herbert: »›Ich halte nicht viel vom Kanzler‹. Spiegel-Gespräch.« In: Der Spiegel 7 (2003), S. 159–163, hier S. 160.

  5. So auch seine rückblickende Selbstdefinition ebd., S. 159.

  6. Tomaševskij, Boris: »Literatur und Biographie«. In: Fotis Jannidis u.a. (Hg.): Texte zur Theorie der Autorschaft. Stuttgart 2003, S. 49–61, hier S. 57.

  7. Vgl. Jürgensen, Christoph/Kaiser, Gerhard: »Schriftstellerische Inszenierungspraktiken – Heuristische Typologie und Genese«. In: Dies. (Hg.): Schriftstellerische Inszenierungspraktiken – Typologie und Geschichte. Heidelberg 2011, S. 9–30, insbesondere S. 9–11.

  8. Zitiert nach von Stuckrad-Barre, Benjamin: »Die Krone der Erschöpfung. ›Mensch‹, die neue Platte von Herbert Grönemeyer«. In: Der Spiegel 36 (2002), S. 194–196, hier S. 196.

  9. Vgl. Willemsen, Roger: »Unverwandt, mit tiefem Blick. Nachruf auf Anna Henkel-Grönemeyer«. In: Der Spiegel 48 (1998), S. 250–251.

  10. Grönemeyer, Herbert: »›Sie ist stolz und mutig auf eine Reise gegangen.‹ Im Gespräch mit Roger Willemsen.« In: http://www.letzte-version.de/archiv/artikel/5/sie-ist-stolz-und-mutig-auf-eine-reise-gegangen.htm (08.12.2015).

  11. Ebd.

  12. Ebd.

  13. Grönemeyer, Herbert: »›Man ist Mensch und macht vieles falsch‹. Als seine Frau Anna vor vier Jahren starb, zog sich Herbert Grönemeyer völlig zurück. Der Sänger über Verzweiflung und Zuversicht, über die Stärke seiner Kinder und die Kraft der Musik«. In: http://www.stern.de/kultur/musik/herbert-groenemeyer--man-ist-mensch-und-macht-vieles-falsch--3637938.html (08.12.2015).

  14. Alle Songtexte des Albums werden nach dem Booklet der 2002 auf dem Label Grönland veröffentlichten CD zitiert.

  15. Stuckrad-Barre (wie Anm. 8), S. 196.

  16. Foucault, Michel: Die Ordnung der Dinge. Eine Archäologie der Humanwissenschaften. Frankfurt a.M. 1974, S. 462.

  17. Klaus & Klaus: An der Nordseeküste. In: http://www.songtexte.com/songtext/klaus-and-klaus/an-der-nordseekueste-3bc20468.html (08.12.2015).

  18. von Arnim, Achim: »Von Volksliedern«. In: Des Knaben Wunderhorn. Alte deutsche Lieder, gesammelt von Achim von Arnim und Clemens Brentano. Kritische Ausgabe. Hg. Heinz Rölleke. Bd. 1. Stuttgart 1987, S. 377–414, hier S. 382.

  19. Diederichsen (wie Anm. 1), S. XXIV. Auch Diederichsen ist der Ansicht, dass der »Authentizismus […] zunächst ganz begreiflich [ist]: Der Index übermittelt ja tatsächlich authentische Spuren. Unmittelbarkeit ist das Versprechen der Pop-Musik, aber (diese) Unmittelbarkeit ist Ergebnis eines Mittels, ein Medieneffekt. Der Pop-Rezipient wird von einer unstillbaren Neugier nach der Identität seines doch namentlich und mythologisch bekannten Gegenübers angetrieben« (ebd., S. XXIV f.).

  20. von Uslar, Moritz: »99 Fragen an Herbert Grönemeyer«. In: Zeit-Magazin (20.11.2014), S. 60–67, hier S. 64.

  21. Stuckrad-Barre (wie Anm. 8), S. 196.

  22. Grönemeyer, Herbert/Corbijn, Anton: »Freunden muss man nichts beweisen«. In: http://www.berliner-zeitung.de/archiv/der-fotograf-und-regisseur-anton-corbijn-und-der-musiker-herbert-groenemeyer-kennen-sich-seit-mehr-als-20-jahren--jetzt-haben-sie-einen-film-zusammen-gemacht--ein-gespraech-ueber-traurige-eisbaeren--fussball-und-den-grossen-george-clooney-freunden-muss-man-nichts-beweisen,10810590,10742190.html (08.12.2015).

  23. Stuckrad-Barre (wie Anm. 8), S. 196.

  24. Kock, Manfred: Offener Brief an Herbert Grönemeyer. In: http://www.ekd.de/aktuell/brief_groenemeyer.html (08.12.2015).

  25. Ebd.

  26. Anz, Thomas: »Der schöne und der häßliche Tod. Klassische und moderne Normen literarischer Diskurse über den Tod«. In: Karl Richter/Jörg Schönert (Hg.): Klassik und Moderne. Die Weimarer Klassik als historisches Ereignis und Herausforderung im kulturgeschichtlichen Prozeß. Stuttgart 1983, S. 409–432, hier S. 410.

  27. von Uslar (wie Anm. 20), S. 67.

  28. So finden sich in einer 2012 bei Reclam erschienenen Sammlung von Gegenwartslyrik auch Songtexte von Judith Holofernes, Peter Licht oder Dirk von Lowtzow, vgl. von Petersdorff, Dirk (Hg.): Ein Gedicht von mir. Lyrikerinnen und Lyriker der Gegenwart stellen sich vor. Stuttgart 2012, S. 59–60, 85–91.

  29. Ich danke Nils Hoffmann für seine Unterstützung bei den Musikanalysen.

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Hoffmann, T. Erfolgreich trauern. Z Literaturwiss Linguistik 46, 285–300 (2016). https://doi.org/10.1007/s41244-016-0018-2

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