Für das vorliegende Heft 2 des Jahres 2023 haben die Herausgebenden der Zeitschrift für Weiterbildungsforschung erneut dazu eingeladen, aktuelle Studien und Forschungsbeiträge einzureichen, ohne dabei einen ausformulierten thematischen Rahmen vorzugeben. Offene Ausschreibungen ermöglichen es, bisherige Themen fortzuschreiben oder neue Fragestellungen zu verfolgen, die künftig im Diskurs aufgenommen werden können. Sie bieten Forschenden Raum, den Gegenstand der Erwachsenen- und Weiterbildung neu oder variierend auszuloten. Dazu zählen national und international wechselseitige Anschlüsse ebenso wie methodologische Weiterentwicklungen. Ein solches Heft ist somit offen für Neues zu bekannten Themen wie für Überraschendes jenseits gesetzter Schwerpunkte. Nicht zuletzt können aber auch neue Erkenntnisse eingebracht werden, die sich aus der Bearbeitung grundsätzlicher Fragestellungen der Disziplin ableiten. Man darf also gespannt sein.

Vor diesem Erwartungshorizont lassen sich die Beiträge des vorliegenden Heftes verorten. Das wissenschaftstheoretisch und methodologisch breite Spektrum der Artikel umfasst – dem disziplinären Forschungsstand entsprechend – systematische und konzeptuelle sowie empirische Forschungszugänge.

Der Beitrag „Transferförderung durch Lehrende in Soft Skills und Hard Skills Weiterbildungen“ von Dorothee Barth, Caroline Bonnes und Sabine Hochholdinger nimmt die Ausdifferenzierung von Weiterbildung entlang der in den Veranstaltungen vermittelten Inhalte auf. Die Autorinnen untersuchen Weiterbildungspraxis in verschiedenen Bereichen und erkunden, welche Schwerpunkte Lehrende in der Weiterbildung bei transferförderlichen Aktivitäten in ihren Veranstaltungen setzen. Sie gelangen zu der Erkenntnis, dass sich in den Transferaktivitäten der Lehrenden die fachliche Ausrichtung ihrer Inhalte widerspiegelt. Die von den Autorinnen befragten Lehrenden, deren fachliche Expertise im Bereich der sogenannten „Soft Skills“ liegt, setzen vermehrt transferförderliche Akzente im Bereich prozess- und interaktionsorientierter Ansätze, wie Feedback geben oder Transferziele formulieren. Die Lehrenden mit fachlicher Expertise im Bereich der sogenannten „Hard Skills“ legen ihren Schwerpunkt hingegen auf transferförderliche Elemente im Vermittlungsprozess selbst. Die Autorinnen sprechen sich daher für eine Stärkung domänenspezifischer Forschung in der Weiterbildung aus.

Susanne Wißhak und Tim Stanik nutzen systematische Literaturreviews, um Instrumente zur Erfassung von Beratungskompetenzen zu analysieren. Sie beziehen sich auf Dimensionen von Wissen im Weiterbildungshandeln und dessen Operationalisierbarkeit. Wißhak und Stanik untersuchen Beratung als professionelle pädagogische Handlungsform im ausdifferenzierten Feld von Bildung, Beruf und Beschäftigung sowie Sozialer Arbeit. Beratung ist nicht nur Gegenstand der Erwachsenen- und Weiterbildungsforschung. Zentrale These des Beitrags ist – so könnte man etwas plakativ formulieren –, dass Beratungskompetenz nicht gleich Weiterbildungsberatungskompetenz ist und dass es für letztere eines spezifischen Wissens bedarf. Daraus leitet sich das Forschungsinteresse ab, inwieweit Beratungswissen in Instrumenten konzeptualisiert und operationalisiert wird und ob diese sich für die Weiterbildungsberatung überhaupt eignen. Sechs verschiedene Verfahren zur Beratungskompetenzerfassung extrahieren die Verfasserin und der Verfasser aus einer Fülle gesichteter Publikationen. So ergibt sich eine informative Zusammenschau der Instrumente eines expandierenden Feldes.

Christiane Hof, Jacqueline Hartmann, Rebecca Herrnbrodt, Tamara Müller, Julia Saam, Naheela Ulrich und Josephine Vellenzer haben sich des Themas Lernen im Prozess der Arbeit angenommen. Sie legen den Fokus dabei auf die Lernenden und stellen Ergebnisse aus einer explorativen Studie vor, in der sie Erwerbstätige danach befragt haben, welchen Lernanlässen sie im Kontext ihrer Arbeit begegnen und mit welchen Lernaktivitäten sie auf diese reagieren. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse fassen sie in vier verschiedene Lernanlässe zusammen, die entweder aus den Arbeitsaufgaben, den sozialen Beziehungen am Arbeitsplatz, aus persönlichen Entwicklungsziele oder organisationalen Anforderungen resultieren. Für die darauffolgenden Lernaktivitäten entwickeln sie ein Vier-Felder-Schema, in dem sie diese entlang der beiden Achsen individuell-sozial und aneignen-generieren systematisieren. Sie plädieren einerseits dafür, sich verstärkt Forschungsaktivitäten zum Lernen im Prozess der Arbeit zuzuwenden und hier insbesondere die soziale Dimension solcher Lernprozesse und Formen der Wissensgenerierung stärker zu beachten. Andererseits betonen sie, dass auch bei dieser Schwerpunktsetzung das Individuum und dessen individuellen Lernwege nicht vernachlässigt werden sollten.

Eine disziplinäre Schnittstelle zwischen Erwachsenenbildung und Sozialpädagogik bearbeitet Hoang Long Nguyen, indem er den Fokus auf den in der Weiterbildungsforschung eher selten betrachteten Bereich der betrieblichen Sozialberatung richtet. Er untersucht dieses Feld hinsichtlich der Zuständigkeiten für und der Umsetzung von Weiterbildungen für Beschäftigte. Methodisch setzt Nguyen Experteninterviews mit Fachkräften betrieblicher Sozialberatung ein und befragt diese nach dem Tätigkeitsfeld. Das erhobene Datenmaterial ordnet der Autor entlang von Veranstaltungsarten, Veranstaltungsthemen und deren Gestaltung. Er identifiziert in den beschriebenen Tätigkeiten zwar durchaus einige Weiterbildungstätigkeiten, zieht aber letztlich das Fazit, dass doch die Beratung Kernaufgabe betrieblicher Sozialberatung sei. Die Deutung betrieblicher Sozialberatung, so könnte man mit Nguyen schließen, ist auch eine Frage der disziplinären und professionsbezogenen Perspektive.

Ohne Zweifel kann man konstatieren, dass Volkshochschulen wichtige Einrichtungen der Erwachsenen- und Weiterbildung sind. Man könnte sie in Deutschland als Prototypen der Bildungsanbieter für Erwachsene bezeichnen. Dennoch gleichen sie einander als Organisationen der Erwachsenenbildung nicht vollständig, sondern weisen landesbezogene, regionale und lokale Unterschiede auf. Im vorliegenden Heft berichten Olaf Dörner und Stefan Rundel über eine Studie zu Volkshochschulen in Sachsen-Anhalt. Sie richten den Blick zurück auf die Corona-Pandemie und arbeiten heraus, wie die von ihnen untersuchten Volkshochschulen auf die Krisensituation mit organisationalen Routinen reagierten und die Beteiligten ihr Handeln aus Verwaltungslogiken und ihrem Selbstverständnis als Bildungsanbieter begründeten. Indem die Autoren ein Spannungsfeld von Auftrag, Inszenierung und organisationalen Routinen modellieren, nehmen sie eine alternative Deutung zur These disruptiver Anpassung von Volkhochschulen an gesellschaftliche Anforderungen vor. Hier zeigt sich das Potenzial, das eine Reihe von Regionalstudien zu Volkshochschulen hat, die in der Zeitschrift für Weiterbildungsforschung in den vergangenen Ausgaben publiziert wurden, und das durch systematische komparative Perspektiven künftig weiter ausgeschöpft werden kann.

Die Frage von Teilnahme und Nichtteilnahme ist eines der zentralen Themen der Erwachsenen- und Weiterbildung. Julia Elven greift diese Thematik unter Bezugnahme auf das Konzept der Beteiligungsregulation auf. Als Rahmung ihrer Analyse rekonstruiert sie die bildungspolitische Programmatik des Lebenslangen Lernens. Elven untersucht, auf welche Weise Erwachsene mit der darin liegenden Aufforderung zur Weiterbildungsbeteiligung umgehen und wie sich darin die Verschränkung von biografisch entwickeltem Habitus und konkreter Lebenssituation zeigt. Für ihre Analyse hat sie 20 Interviews mit Frauen in biografischen Umbruchsituationen geführt und mittels der dokumentarischen Methode ausgewertet. Auf dieser Datenbasis rekonstruiert sie mit „Pfad“, „Drift“ und „Fügung“ drei Typen von Lebensentwürfen, in denen der Beteiligung an Weiterbildung eine unterschiedliche Rolle zukommt, beispielsweise als Teil eines biografischen Entwicklungsprojekts oder als Selbstentfaltung. Die ersten beiden Typen werden dabei von Elven als konform zur Programmatik des Lebenslangen Lernens gesehen, während sich im letzten Typus eher konflikthafte Konstellationen zeigen. Sie kann damit aufzeigen, dass Weiterbildungsbeteiligung nicht nur von der Lebenssituation oder einem konkreten Bedarf abhängt, sondern auch von den jeweiligen Lebensentwürfen.

Die sechs Beiträge, die den offenen Rahmen des vorliegenden Heftes mit ihren Inhalten füllen, lassen sich entlang von drei thematischen Diskussionslinien nochmals reflektieren: Sie setzen sich in verschiedener Weise mit der Bearbeitung disziplinärer Schnittstellen und professionellem Handeln auseinander, so etwa in den Bereich der Sozialen Arbeit oder der Beratung; sie nehmen Ausdifferenzierungen im Gegenstandsbezug der Weiterbildungsforschung auf und führen diese weiter, so etwa in Bezug auf die Bedeutung der Fachlichkeit vermittelter Inhalte; und sie loten Fragen der organisationalen wie biografischen Rahmung von Lernaktivitäten, Angeboten und Weiterbildungsbeteiligung neu aus.

Gegenwärtige gesellschaftliche Transformationen, die selbst mit großen Begriffen wie Nachhaltigkeit oder (Data)Literacy nur grob umrissen werden können, finden in der Wissenschaft und Praxis der Erwachsenen- und Weiterbildung nicht nur ihren thematischen Niederschlag, sondern werden diese (voraussichtlich) auch selbst transformieren. Die bereits für die nächsten Hefte formulierten Themenschwerpunkte greifen solche Entwicklungen von Erwachsenenbildung als Disziplin und Profession auf. Es wird sich zeigen, welche Diskussionslinien in der sich verändernden Forschungslandschaft weiter aufgenommen werden. Auch darauf darf man schon jetzt gespannt sein.