Mittels Themenheften Entwicklungen in der Forschung abzubilden, aktuelle Schwerpunkte sichtbar zu machen und gelegentlich auch Themenkonjunkturen gegenzusteuern, gehört zum Anspruch nahezu aller Fachzeitschriften in der Erziehungswissenschaft und Bildungsforschung, national wie international. Auch die Herausgeberinnen und Herausgeber der Zeitschrift für Weiterbildungsforschung verfolgen das Ziel, mit Themenheften zur Profilierung von Forschungsfeldern und damit von wissenschaftlichen Gemeinschaften beizutragen. Zumeist laden die Herausgeberinnen und Herausgeber andere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ein, Themenhefte zu konzipieren; aber auch externe Initiativen für Themenhefte sind sehr willkommen. In der ZfW gibt es zudem einen Beitrag in der Rubrik „Im Fokus“, der die Einzelbeiträge eines jeden Themenheftes in die Genese des Forschungsstandes einordnen soll, so dass längerfristige Entwicklungen, aktuelle Trends und Perspektiven für künftige Forschung aufgezeigt werden. So kann jedes Themenheft den Leserinnen und Lesern Orientierung in einer vielfältigen und dynamischen Forschungslandschaft bieten.

Selbstverständlich können Autorinnen und Autoren auch ganz unabhängig von thematischen Schwerpunkten Einzelbeiträge einreichen. Diese werden nach bestandenem Peer Review in der Rubrik „Forum“ veröffentlicht. Da für diese Rubrik in der Regel weniger Aufsätze eingehen als zum Themenschwerpunkt, sind es zumeist auch nur wenige Artikel, die hier berücksichtigt werden. Um die Forschung zur Erwachsenenbildung in ihrer Vielfalt abzubilden, laden die Herausgebenden in unregelmäßigen Abständen daher zu offenen Heften ein. Dass dies sinnvoll ist, zeigte die große Resonanz, die die jüngste Ausschreibung zu einem solchen offenen Heft gefunden hat. Selten haben so viele Einreichungen die ZfW erreicht wie für das nun vorliegende Heft. Dies hat den Herausgeberinnen und Herausgeber, der Redaktion, nicht zuletzt den Gutachterinnen und Gutachtern, denen wir auch im Namen der Autorinnen und Autoren herzlich danken, viel Arbeit gemacht. Dieser Aufwand wird aber mehr als gerechtfertigt durch das breite Spektrum an qualifizierten Artikeln, die wir nach dem Peer-Review-Prozess präsentieren können.

Die vorliegenden Beiträge zeigen eindrucksvoll, welche Vielfalt nicht nur an Themen, sondern auch an theoretischen und empirischen Zugängen in der Forschung zur Erwachsenenbildung und zum Lebenslangen Lernen Anerkennung finden. Auch Metaanalysen, Re-Analysen von Daten der Bildungsberichterstattung oder psychometrische Prüfungen der Qualität von Testinventaren, die auf die Erfassung des Wissens und der Kompetenzen des pädagogischen Personals zielen, kommen inzwischen ganz selbstverständlich zum Einsatz.

In einem grundlagentheoretischen Beitrag beschäftigen sich Jenny Kipper und Dieter Nittel mit der Frage des Systemcharakters des Bildungssystems bzw. der Erwachsenenbildung. Während man in der Allgemeinen Pädagogik Grundformen pädagogischen Handelns, wie das Unterrichten, das Beraten oder das Zeigen, zu bestimmen sucht, um über die „Allgemeinheit“ pädagogischen Handelns in lebenslangen Lern- und Bildungsprozessen entscheiden zu können, greifen Kipper und Nittel das aus der Sozialen-Welt-Theorie von A. L. Strauss stammende Konzept der pädagogischen Technologien und Kernaktivitäten auf, um Hinweise auf den Systemcharakter des Bildungswesens geben zu können. In empirischen Projekten der vergleichenden Berufsgruppenforschung der Arbeitsgruppe um Dieter Nittel konnten Technologien, wie Programme, Arbeits- und Veranstaltungsformen, Methoden und Medien sowie Kernaktivitäten, wie das Unterrichten, Begleiten, Beraten, Sanktionieren und Organisieren, identifiziert werden. In dem vorliegenden Beitrag geht es nun um die Applikation dieses Kategorieninventars auf die Erwachsenenbildung. Die Autorin und der Autor erproben auf der Basis von Dokumentenanalysen, angewendet auf Methodenliteratur, sowie von Impressionen aus dem Alltag einer Volkshochschulmitarbeiterin, ob abduktive und relationale Verfahren geeignet sind, Verbindungen zwischen dem Mikrobereich der symbolisch vermittelten Interaktion und der Ebene des pädagogisch organisierten Systems des Lebenslangen Lernens herzustellen.

Theoretische Akzente setzt auch der Beitrag von Jörg Dinkelaker und Maria Stimm. Dinkelaker und Stimm beschäftigen sich mit der Frage, inwiefern das Konzept der Lernanlässe geeignet ist, um eine empirische Perspektive auf Konstellationen des Lernens Erwachsener im Horizont der Klimakrise zu eröffnen. In den Debatten zur Umweltbildung bzw. zur Bildung für Nachhaltige Entwicklung wird zumeist auf gesellschaftlich definierte Lernnotwendigkeiten verwiesen. Demgegenüber werden mit dem Konzept der Lernanlässe vor allem individuelle Ausgangspunkte des Lernens thematisiert, die sich aus eingeschränkten Handlungsmöglichkeiten, persönlichen Lerninteressen oder Fremdheitserfahrungen ergeben können. Autor und Autorin ergänzen diese Perspektiven um die Betonung der Bedeutung sozialer Kontexte für die Klimakrise als Lernanlass. Der Beitrag bietet damit einen wichtigen Ausgangspunkt für Überlegungen, wie und an welcher Stelle eine erwachsenenpädagogische Begleitung zum Lernen in der Klimakrise ansetzen kann.

Schließlich beschäftigt sich Katrin Kraus in ihrem konzeptuellen Beitrag mit der Frage, wie die Entwicklung von Beruflichkeit als einer spezifischen Form von Erwerbsarbeit und darauf bezogener Bildungsprozesse im Lebenslauf theoretisch gefasst werden kann. In Anlehnung an den Ansatz der iterativen Bildung wird die Entwicklung individueller Beruflichkeit theoretisch über berufliche Lern- und Bildungsprozesse konzipiert, die sich entlang der gesamten Berufsbiografie in verschiedenen räumlichen Kontexten vollziehen und über das Konzept der Beruflichkeit gerahmt werden können. Dies eröffnet Perspektiven für empirische Arbeiten zur Entwicklung von Beruflichkeit als einem subjektiven, aber zugleich institutionell gerahmtem Prozess. Konzeptionell und strukturell können auf diese Weise Fragen des Verhältnisses von beruflicher Aus- und Weiterbildung neu diskutiert werden.

Gleich mehrere Beiträge beschäftigen sich mit den professionellen Kompetenzen des Lehrpersonals in der Erwachsenen- und Weiterbildung. Susanne Wißhak präsentiert in ihrem Beitrag die Ergebnisse eines systematischen Literaturreviews zu Fragen des Transfers in der berufsbezogenen Weiterbildung; speziell geht es ihr um die transferförderlichen Handlungsmöglichkeiten Lehrender. Dazu wertet die Autorin insgesamt 19 Metaanalysen für den Zeitraum zwischen 1988 und 2021 aus. Die Befunde des Literaturreviews zeigen Ansatzpunkte für die Transferförderung durch Lehrende, vor allem im Weiterbildungsdesign bzw. im Einsatz spezifischer Lehr-Lern-Methoden. Darüber hinaus wird deutlich, dass Lehrende Einfluss auf die Motivation und die Selbstwirksamkeit der Teilnehmenden nehmen können. Die Transferförderung im Arbeitsumfeld können Lehrende begünstigen, indem sie diese rechtzeitig anbahnen, wichtige Beteiligte einbinden und über die Weiterbildungsmaßnahme hinaus Unterstützung anbieten.

Alisha Koch, Susanne Wißhak, Claudio Spener, Alexander Naumann und Sabine Hochholdinger greifen in ihrem Beitrag ebenfalls Fragen des Transfers als zentrales Ziel berufsbezogener Weiterbildung auf. Ausgehend vom Desiderat, dass bislang wenig über das für die Förderung von Transfer nötige professionelle Wissen von Lehrenden bekannt ist und dass ein Messinstrument zu dessen Erfassung fehlt, wird im Beitrag die Entwicklung und Pilotierung eines Testinstruments vorgestellt, das wissenschaftlich fundiertes Wissen über die Determinanten und die Förderung von Transfer erfasst. Anhand einer Stichprobe von 105 Lehrenden wurden die Testantworten skaliert und interpretiert. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass sich Transferwissen von Lehrenden mithilfe des vorgestellten Instruments operationalisieren und als eindimensionales Konstrukt reliabel messen lässt.

Der Beitrag von Christian Marx, Annika Goeze, Augustin Kelava und Josef Schrader beschäftigt sich ebenfalls mit den professionellen Kompetenzen des Lehrpersonals in der Erwachsenenbildung. Vorgestellt werden Ergebnisse aus der Pilotierung eines Testinstruments zur Erfassung des pädagogisch-psychologischen Wissens von Lehrkräften. Insbesondere geht es um das Wissen über Lehr-Lern-Methoden, das für die Gestaltung von Lehr-Lernprozessen nicht nur der Erwachsenenbildung von großer Bedeutung ist. Im vorliegenden Beitrag wird die Frage diskutiert, welche Dimensionalität ein solches Wissen hat. Die Analysen stützen sich auf Testdaten von insgesamt 212 Lehrkräften aus unterschiedlichen Kontexten des vierten Bildungsbereichs. Die Befunde verweisen nicht auf Eindimensionalität, sondern auf Mehrdimensionalität des Wissens über Lehr-Lern-Methoden.

Caroline Bonnes, Johannes Wahl und Andreas Lachner schließlich zeigen in ihrem Beitrag Herausforderungen für die Lehrkräftefortbildung vor dem Hintergrund der digitalen Transformation aus der Perspektive der Erwachsenen- und Weiterbildung auf. Insbesondere geht es um mögliche Schnittstellen zwischen der dritten Phase der Lehrerbildung und der Erwachsenen- und Weiterbildung, die bislang noch (zu) häufig getrennt voneinander betrachtet werden und auch agieren. Der Beitrag gibt Impulse für die Weiterentwicklung der verschiedenen Phasen der Lehrerbildung, insbesondere aber der Lehrkräftefortbildung. Das Ziel müsse darin bestehen, die Konzeption und die Umsetzung von zielgruppenorientierten und wirksamen Fortbildungsangeboten sowie von Rahmenbedingungen für Professionalisierungsprozesse zu verbessern.

Auch die Bildungsberichterstattung zur Weiterbildung, die sich in den vergangenen Jahren dynamisch weiterentwickelt hat, findet Aufmerksamkeit in dem vorliegenden Heft. In dem Beitrag von Anika Rosenkranz geht es um die Frage, ob sich Daten des querschnittlich angelegten, aber in regelmäßigen Abständen durchgeführten Berichtssystems Weiterbildung bzw. des Adult Education Survey für längsschnittliche Analysen nutzen lassen. Die Autorin beschäftigt sich mit Anschlussmöglichkeiten und Grenzen der kontinuierlichen Weiterbildungsberichterstattung auf der Basis dieses für die Beteiligungsforschung besonders wichtigen Instruments der Bildungsberichterstattung, das hier für genuine Forschungsfragen genutzt wird. Am Beispiel der Entwicklung der beruflichen Weiterbildung differenziert nach Teilnahmeanlass untersucht die Autorin für den Zeitraum 1991–2018, inwiefern sich die Befunde der BSW- und AES-Berichtserhebungen im Rahmen von Trendanalysen harmonisieren lassen. Im Ergebnis zeigt sich, dass aufgrund unterschiedlicher Operationalisierungen von beruflicher Weiterbildung längsschnittliche Analysen nur begrenzt möglich sind. Aktuelle Diskussionen um die Weiterentwicklung der Berichterstattung zur Weiterbildung lassen hoffen, dass zukünftig Daten aus unterschiedlichen Erhebungen besser miteinander in Beziehung gesetzt werden können.

Während die Bildungsberichterstattung regelmäßig auf andauernde bzw. sich wandelnde soziale Disparitäten in der Teilnahme an Weiterbildung aufmerksam macht, findet die Frage, wie solche Disparitäten ausgeglichen werden können, weniger Aufmerksamkeit. Sie wird zudem eher in der qualitativen als in der quantitativen Forschung behandelt. Um so verdienstvoller ist es, dass Ewelina Mania, Sarah Jasmine Ernst und Farina Wagner in ihrem Beitrag eine Bestandsaufnahme und Systematisierung des Diskussions- und Forschungsstands zur Teilnehmendengewinnung leisten und dabei spezifische Ansprachestrategien für den Bereich der Alphabetisierung und Grundbildung zur Zielgruppengewinnung von gering literalisierten Erwachsenen fokussieren. Basierend auf einem Literaturkorpus von 315 Publikationen legen die Autorinnen ein systematisches Literaturreview vor und diskutieren verschiedene Perspektiven auf das Thema.

Mit einer ähnlich gelagerten Fragestellung beschäftigt sich Sara Reiter in ihrem Beitrag, in dem sie die Teilnahme von zugewanderten Erwerbstätigen an betrieblicher Weiterbildung in Deutschland in den Blick nimmt. Mit ihrer Untersuchung leistet sie einen wichtigen Beitrag zur heterogenen Befundlage hinsichtlich der Teilnahme von Personen mit Migrationshintergrund an beruflicher Weiterbildung. Die Analysen basieren auf den Daten der Erhebung zum Weiterbildungsverhalten von Personen mit Migrationshintergrund (AES-Migra-2016). Gestützt auf logistische Regressionsanalysen wird untersucht, welche migrationsbezogenen, soziodemografischen und beschäftigungsbezogenen Faktoren einen Einfluss auf die Teilnahme an betrieblicher Weiterbildung von zugewanderten Erwerbstätigen haben. Dabei zeigt sich u. a., dass migrationsbedingte Merkmale statistisch an Bedeutung verlieren, wenn Merkmale des Erwerbskontextes in Rechnung gestellt werden.

Im Beitrag von Christine Zeuner und Antje Pabst schließlich werden die Ergebnisse einer qualitativen, subjektorientierten Studie zur Wirkung der Mehrfachteilnahme an Bildungsurlaub vorgestellt. Dazu wurden insgesamt 27 explorativ-narrative Interviews zu der Frage geführt, welche langfristigen, (bildungs-)biographischen Wirkungen die Befragten einer Mehrfachteilnahme an politischen und/oder berufsbezogenen Veranstaltungen im Rahmen von Bildungsurlaub zuschreiben. Die Befunde zeigen u. a., dass Wirkungen von Erwachsenenbildung nicht nur außerhalb des Bildungskontextes gesucht werden sollten, sondern auch die Folgen für die Fortsetzung von Lern- und Bildungsaktivitäten innerhalb dieses Bildungsbereichs Beachtung verdienen.

Zum Abschluss des Editorials möchten wir Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, noch eine Personalnotiz zur Kenntnis geben. Das Gremium der Herausgeberinnen und Herausgeber der Zeitschrift für Weiterbildungsforschung ist im Mai 2022 um drei ausgewiesene und publizistisch erfahrene Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der Disziplin erweitert worden. Katrin Kraus, Inhaberin des Lehrstuhls für Berufs- und Weiterbildung an der Universität Zürich, bringt Expertise in den Bereichen Berufsbildungstheorie, Educational Governance sowie Lernorte und Bildungsräume mit. Henning Pätzold, Leiter des Arbeitsbereichs Forschung und Entwicklung in Organisationen an der Universität Koblenz-Landau, ist u. a. in den Bereichen Organisationspädagogik und pädagogische Beratung ausgewiesen. Bernhard Schmidt-Hertha, Lehrstuhlinhaber für Allgemeine Pädagogik und Bildungsforschung an der Ludwig-Maximilians-Universität München, ist Experte u. a. für die Themen Bildung und Lernen in der zweiten Lebenshälfte und informelles Lernen.

Die bisherigen Herausgeberinnen und Herausgeber Philipp Gonon (Universität Zürich), Elke Gruber (Universität Graz), Gabriele Molzberger (Universität Wuppertal), Ekkehard Nuissl (Universität Kaiserslautern) und Josef Schrader (DIE Bonn/Universität Tübingen) freuen sich auf die gemeinsame Arbeit im erweiterten Herausgebergremium. Mit den Neuberufungen reorganisiert sich das Gremium zudem: Philipp Gonon, seit nunmehr zehn Jahren Mitglied des Herausgebergremiums, wird sich zukünftig als Senior Editor in die Entwicklung der ZfW einbringen. Gemeinsam wollen die Herausgebenden zukünftig noch stärker die Sichtbarkeit sowie die Anschlussfähigkeit der Forschung aus dem deutschsprachigen Raum an internationale Forschungsdiskurse steigern.