Rezensionen zu

Bastian Hodapp (2020): Emotionale Professionalität. Eine qualitative Studie zur Berufspraxis pädagogischer Führungskräfte. Bielefeld: wbv Publikation, 438 Seiten, 69,90 €, ISBN 978-3-7639-5835‑1

Lisa Maria Pilotto (2021): Blended Learning. Innere Differenzierung in der Erwachsenenbildung. Wiesbaden: Springer VS, 204 Seiten, 64,99 €, ISBN 978-3-658-31234‑3

1 Rolf Arnold: Bastian Hodapp (2020). Emotionale Professionalität. Eine qualitative Studie zur Berufspraxis pädagogischer Führungskräfte. Bielefeld: wbv Publikation.

Die Thematik, mit der sich Bastian Hodapp befasst, liegt seit einiger Zeit in der Luft. Wenn es stimmt, dass die Gründe des menschlichen Handelns auch darin zu suchen sind, wie (früh) gelernt werden konnte, sich und die Welt zu fühlen, auszuhalten und zu gestalten, dann gilt dies auch in besonderem Maße für Führungskräfte. Diese reagieren unmittelbar auf das, was ihnen der Fall zu sein scheint – ohne oftmals infrage zu stellen, ob und inwieweit ihre Lagebeurteilung einer eigenen emotionalen Konstruktion der Wirklichkeit entstammt. Sie reagieren dann nicht auf das Gegenüber, wie dieses „ist“, sondern wie sie selbst „sind“. Der französische Psychotherapeut Lelord brachte diesen Sachverhalt unlängst mit dem Hinweis auf den Punkt: „People dont choose who they are“. In dieses Dickicht der emotionalen Intelligenz und Selbstreflexivität versucht Hodapp mit einer qualitativen Studie etwas Licht zu bringen, indem er nach der Bedeutung von Emotionen für das professionelle Handeln fragt.

In einer überaus materialreichen und methodisch stringenten Analyse lotet er dabei mittels Experteninterviews die Frage aus, „mit welchen emotional konnotierten Situationen pädagogische Führungskräfte in ihrem Berufsalltag konfrontiert werden und mit welchen Strategien sie auf diese Herausforderungen reagieren“ (S. 15). Es geht ihm dabei um die Entwicklung einer – wie er schreibt – „gegenstandbezogenen Theorie“, für deren Profilierung er so einiges zusammenträgt. Nachdem er die emotional beanspruchenden Situationen, mit denen Führungskräfte aus unterschiedlichen Bereichen der pädagogischen Praxis sich konfrontiert sehen (z. B. tödlicher Unfall eines Schülers, sexueller Übergriff, Intrigen etc.), detailliert ausgelotet und an Originaläußerungen illustriert hat, entwickelt er in Grundlinien das Konzept einer „emotionalen Professionalität“, welches zwar klar strukturiert ist und bis in die Ebene der „Strategien der pädagogischen Führungskräfte“ hinein ausgefaltet wird, doch selbst noch sehr spürbar einer Machbarkeitsvorstellung verhaftet bleibt. Demgegenüber ist gerade das Emotionslernen vielfältig durch Such- und Vermeidungsbewegungen gekennzeichnet, zumal sich gerade Führungskräfte – aber nicht nur – oftmals nur ungern der Aufdeckung und Relativierung ihrer tief verwurzelten emotionalen Gewissheiten stellen wollen. Eine solche sich zur „selbsteinschließenden Professionalisierung“ wandelnden Professionalisierung bedarf spezifischer Methoden und Arrangements, wie wir sie in den Konzepten des Biographielernens, des Identitätslernens sowie auch im Methodenarsenal der Systemischen Pädagogik (s. u. a. die Veröffentlichungen des Carl Auer-Verlages) vorfinden. In diesen wird emotionale Professionalität spürbar unterstützt und profiliert – vielleicht eine Anregung für einen Folgeband dieses wichtigen Buches zur emotionalen Professionalität.

Es ist insbesondere das Anliegen, welches das Buch (bzw. die Dissertation) von Bastian Hodapp zu einem für die Erwachsenenbildungsdebatte wichtigen Beitrag macht. Und es ist auch die beeindruckende Materialfülle, welche der Autor dabei sammelt, sichtet und strukturiert. Dass ihm dabei so manche Urteile allzu pauschal geraten, kann man sicherlich übergehen. So zeigt u. a. ein Blick in das Forschungsmemorandum von DGfE und DIE zur Erwachsenenbildungsforschung, dass in diesem bereits die Frage nach den Emotionen deutlich präzisiert worden ist – für manche der Forschungskolleginnen und -kollegen sogar zu deutlich. Man kann also nicht wirklich von einem Forschungsdesiderat sprechen, zumal Hodapp ja selbst die einschlägigen Beiträge von W. Giesecke, G. Holzapfel u. a. zitiert. Ähnliches gilt für das Führungsthema in der Pädagogik. Dieses wurde insbesondere von H.-G. Rolff, aber auch S. Buchen, S. G. Huber u. a. umfangreich erforscht; erwähnt sei nur das umfangreiche Werk „Professionswissen Schulleitung“ im Beltz Verlag.

2 Markus Lermen: Lisa Maria Pilotto (2021). Blended Learning. Innere Differenzierung in der Erwachsenenbildung. Wiesbaden: Springer VS.

Blended Learning, innere Differenzierung und Heterogenität sind zentrale Konzepte, die vor allem im Bereich des schulischen Unterrichts diskutiert werden, welche aber ebenso in der Erwachsenenbildung von Bedeutung sind und Lehrende vor neue Herausforderungen stellen. Lisa Maria Pilotto greift dies in ihrem Dissertationsvorhaben auf und gibt einen Einblick in eine sehr detaillierte Studie an einer berufsbegleitenden Schule. Aus der Position einer Lehrerin am Abendgymnasium Salzburg greift die Studie die konkrete Situation an dieser Einrichtung auf und betrachtet kritisch den eigenen Unterricht sowie den von Kolleginnen und Kollegen, um auf dieser Basis Handlungsempfehlungen für Lehr-Lern-Situationen abzuleiten und zu generalisieren: „Die Studie soll Erkenntnisse für die Schule, meinen Unterricht und für andere bringen, wie das Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit gesteigert werden können und dadurch Drop-out verhindert werden kann.“ (S. V).

Dazu wurden in jeweils fünf Klassen verschiedener Jahrgänge, die in einem Blended-Learning-Format unterrichtet wurden, die Wirkung zweier Differenzierungsmaßnahmen (synchrone vs. asynchrone Unterstützung) mittels einer Interventionsstudie untersucht und durch eine Kontrollgruppe abgesichert. Die Autorin will mit Ihrer Arbeit eine Forschungslücke schließen und die Wirkung von innerer Differenzierung in Blended-Learning-Klassen sowie die damit verbundenen Chancen und Limitierungen im Bereich der Erwachsenenbildung aufzeigen.

Das Werk gliedert sich in sechs Kapitel, die dem typischen Aufbau einer wissenschaftlichen Ausarbeitung entsprechen:

In der Einleitung werden die besonderen Herausforderungen der (zunehmenden) Heterogenität im Schulalltag und damit die Ausgangslage bzw. Motivation der Studie kurz skizziert und in den Kontext der bildungspolitischen Debatte gestellt.

Vor diesem Hintergrund werden im Theorieteil die damit in Zusammenhang stehenden Konstrukte behandelt. Neben den Themen Heterogenität und Diversität, bzw. Differenzierung im Schulwesen, wird die Vorstellung vom Lernen, verbunden mit den drei Lernparadigmen des Behaviorismus, Kognitivismus und Konstruktivismus behandelt, sowie die klassischen Unterrichtsprinzipien und didaktische Prinzipien (Piaget, Brunner, Gagné, Aebli) und abschließend die Bereiche E‑Learning im Schulwesen sowie mediendidaktische Modelle und Ansätze. Die genannten Themen werden teilweise sehr detailliert, aber thematisch eng erläutert. Ein Bezug zur konkreten Unterrichtsgestaltung und daraus abgeleiteten Prinzipien fehlt – die Ausführungen bleiben sehr allgemein.

Der zweite Teil des Werkes beginnt mit einer Darstellung der Grundlagen der Studie. Diese enthält eine differenzierte und kleinteilige Beschreibung der Schule, des Lehrplans sowie – sehr im Detail – den Themenplan, nach welchem die Interventions- und Kontrollgruppen unterrichtet worden sind. Betrachtet wurde jeweils der Unterricht zum Thema Differenzialrechnung auf Basis einer identischen Stundenplanung. Im darauffolgenden Kapitel werden die Forschungsfragen und -hypothesen erläutert. Nach einer Vorstellung der vorhandenen Ergebnisse zu Effekten von Blended-Learning-Szenarios sowie zur Individualisierung im Unterricht werden die der Studie zugrundeliegenden Fragen abgeleitet und in sechs Haupthypothesen zusammengefasst. Ein Augenmerk wird hierbei auf einen empirischen Nachweis gelegt. Auf dieser Grundlage werden im Kapitel Methodik ausführlich das Design der Interventionsstudie, der Ablauf der quantitativen Untersuchung sowie die testtheoretischen Voraussetzungen vorgestellt. Das daran anschließende Kapitel Ergebnisse beginnt mit einer Beschreibung der Stichprobe, bevor die Ergebnisse zu den einzelnen Hypothesen vorgestellt und abgesichert werden.

Im abschließenden, relativ kurz gehaltenen Kapitel Diskussion und Ausblick werden die Ergebnisse auf die Bereiche Leistung, Wohlbefinden und Rückmeldungen, Unterstützung über Lehrperson oder Materialien übertragen und ein abschließendes Fazit gezogen, welches leider keine eindeutigen Empfehlungen enthält: „Ob Differenzierung nun in Form von Lehrerunterstützung oder Unterstützung über Materialien bessere Leistungen oder andere Wirkungen erzielt, kann nicht eindeutig beurteilt werden“ (S. 187).

Abschließende Bewertung: Wer Einblicke in die Durchführung und Ausführung einer solchen – sehr präzise ausgearbeiteten – Studie sowie grundlegende Informationen zu den im Buchtitel aufgeführten Theoriekonzepten sucht, findet hier ein anschauliches, übersichtliches und teilweise sehr differenziertes Werk. Die Generalisierbarkeit der Untersuchungsergebnisse sowie die Übertragung auf andere (Schul‑)Settings ist, wie die Autorin selbst kritisch anmerkt, dagegen nur begrenzt vorhanden. Entsprechend ist das vorliegende Werk weniger geeignet, wenn die Suche nach konkreten Handlungsempfehlungen oder neuen Möglichkeiten der Realisierung im Vordergrund steht.