Das Heft 1 der Zeitschrift für Weiterbildungsforschung war ursprünglich als ein Themenheft geplant, das sich mit „Kommunalen Weiterbildungsangeboten für Geflüchtete und mit Geflüchteten“ beschäftigen sollte. Da auf den Call for Papers aber zunächst nicht genügend Beiträge eingingen, die Ausschreibung also möglicherweise für einschlägige Forschungsbeiträge zu früh kam, haben die Herausgeber – auch unter dem Druck des Erscheinungstermins – entschieden, ein freies Heft zu gestalten. Dies war auch deshalb möglich, weil zu Beginn des Jahres 2018 gleich mehrere, positiv referierte Beiträge auf ihre Publikation warteten.

Mit der Ausgabe 1/2018 präsentieren wir nun ein Heft, das einen interessanten Einblick in gleich mehrere aktuelle Schwerpunkte der Forschung zur Erwachsenen- und Weiterbildung bietet: in die Steuerungs-, die Organisations-, die Evaluations- und die Professionsforschung. Dabei zeigen die Beiträge bei einer thematischen Vielfalt zugleich einige auffällige Gemeinsamkeiten. Alle Beiträge repräsentieren nicht nur Schwerpunkte der Forschung, sondern nehmen zugleich auf bereits seit längerer Zeit beobachtbare Herausforderungen in Praxis und Politik Bezug. Das gilt für die Steuerung von Weiterbildung angesichts beträchtlicher regionaler Disparitäten in Angebot und Beteiligung, für die Organisation öffentlich anerkannter Erwachsenenbildung vor dem Hintergrund neuer Steuerungspraxen, für die Legitimation von Weiterbildung angesichts gestiegener Erwartungen an ihre Wirksamkeit, für die Anerkennung und Förderung der Kompetenzen von Lehrkräften trotz oft ungesicherter Beschäftigungsverhältnisse oder auch für die Integration von Migrantinnen und Migranten unter den Bedingungen einer Diskrepanz zwischen finanziellen Ressourcen auf der einen und pädagogischer Erfahrung auf der anderen Seite. Bemerkenswert ist zudem, dass in diesem Heft ganz überwiegend Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler zu Wort kommen. In methodischer Hinsicht handelt es sich durchgehend um empirische Beiträge mit einer beachtlichen methodischen Vielfalt: Präsentiert werden sowohl qualitative als auch quantitative Erhebungs- und Auswertungsverfahren, z. T. auch mixed-methods-Designs. Die Autorinnen und Autoren stützen sich sowohl auf Primärerhebungen als auch auf Re-Analysen vorliegender Forschungsdaten. Zu der Vielfalt methodischer Zugänge trägt sicherlich auch die Vielfalt an wissenschaftlichen Disziplinen bei, auf die sich die Forschenden beziehen. Auffallend ist zudem, dass die internationale Forschungsliteratur in allen Beiträgen präsent ist, die Anwendungsfelder sich aber auf deutschsprachige Kontexte beziehen. Schließlich und nicht zuletzt wird deutlich, wie sehr die Forschung auch in der Erwachsenen- und Weiterbildung inzwischen von Drittmittelförderung abhängig ist. Nicht nur in diesem Themenheft werden kaum noch Projekte vorgestellt, die mit Eigenmitteln von Universitäten oder außeruniversitären Instituten finanziert wurden. Die vorgestellten Projekte decken das gesamte Spektrum an Fördermöglichkeiten ab, das von Bundesmitteln bis zu wettbewerblichen Mitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) oder der Leibniz-Gemeinschaft reicht.

Der erste Beitrag von Anne Margarian und Matthias Lankau vom Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei geht von großen regionalen Disparitäten in Angebot und Beteiligung an Weiterbildung aus, die u. a. der Deutsche Weiterbildungsatlas dokumentiert hat. Auch im Umfeld des Nationalen Bildungsberichts wird seit einiger Zeit eine stärker regionalisierte Berichterstattung auch für andere Bildungsbereiche erwogen, die durch die Projekte des Kommunalen Bildungsmonitorings allein nicht gewährleitstet werden kann. Nach zwei großen Förderprogrammen („Lernende Regionen – Förderung von Netzwerken“ von 2000–2008 sowie „Lernen vor Ort“ von 2009–2014) wird im aktuellen Koalitionsvertrag erneut politischer Handlungsbedarf reklamiert und ein gesamtdeutsches Fördersystem für strukturschwache Regionen und Kommunen angekündigt. Angesichts der beachtlichen Kontinuität von Fragen der regionalen Steuerung von (Weiter‑)Bildung erstaunt es, dass Mechanismen der Koordination von Angebot und Nachfrage auf der subnationalen Ebene bisher nur selten analysiert wurden. Theoretisch nimmt der Beitrag von Margarian und Lankau Bezug auf institutionenökonomische Konzepte, indem von Hierarchien, Märkten und Netzwerken als möglichen Steuerungsinstrumenten ausgegangen wird. Der Beitrag bietet Fallstudien zur beruflichen Weiterbildung aus vier niedersächsischen Regionen. Die Analyse von Experteninterviews zeigt u. a., dass regionale Unterschiede in den Koordinationsformen sich in unterschiedlichen Managementstrukturen, Strategien und Leistungen niederschlagen. Diese Unterschiede werden vor allem auf die unterschiedliche Nachfragedichte in verschiedenen Regionen zurückgeführt. Die Verfasser beobachten eine deutliche Ausrichtung der Koordination von Angeboten der beruflichen Weiterbildung nach den Mechanismen des Marktes, die eher Konkurrenz und Effizienz als Kooperation und Effektivität fördern. Langfristig stabile Netzwerkbeziehungen zwischen verschiedenen Organisationen sind selten. Diese seien aber gerade in peripheren Regionen unverzichtbar, um zur Stabilisierung eines Angebots beizutragen, das lokalen Bedarfen angepasst ist.

Der zweite Beitrag, eingereicht von Martina Engels von der Universität zu Köln, widmet sich der Organisationsforschung, die in der Erwachsenen- und Weiterbildung in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten eine große Aufmerksamkeit gefunden hat. Für diese Aufmerksamkeit steht u. a. die Arbeitsgruppe Organisationspädagogik, die inzwischen den Status einer eigenen Sektion innerhalb der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft erreicht hat. Im Zentrum steht die Frage nach dem Einfluss veränderter Governance-Praxen auf die Steuerung von Organisationen der öffentlichen Weiterbildung. Die Veröffentlichung geht aus einem von der DFG geförderten und gemeinsam vom DIE und der Professur Erwachsenenbildung an der Universität zu Köln durchgeführten Projekt hervor. Interessant ist, dass der Beitrag nicht, wie weithin üblich und in der Methodenliteratur oft empfohlen, zunächst qualitativ und hypothesengenerierend vorgeht, um dann in quantitativen, ggf. repräsentativen Studien die entwickelten Hypothesen zu prüfen. Vielmehr werden im vorliegenden Fall auf der Basis von Clusteranalysen von Daten der Volkshochschulstatistik „Typen“ von Volkshochschulen konstruiert, die dann in qualitativen Fallstudien vergleichend auf die Relevanz neuer Governance-Strukturen auf ihre internen Steuerungspraxen hin untersucht werden. In ihrer methodologischen Reflexion betont die Autorin, dass sich Daten des Bildungsmonitorings durchaus für theoriebildende Fragestellungen der empirischen Bildungsforschung nutzen lassen; allerdings erfordert dies auch Zugeständnisse, da erwünschte Informationen nicht oder nicht hinreichend differenziert in Monitoring-Daten enthalten sind, die unter anderen Zielsetzungen erhoben wurden.

Der dritte Beitrag stammt von Anita Sandmeier und Martin Gubler von der Pädagogischen Hochschule Schwyz und wurde gemeinsam mit Ulrike Hanke verfasst, die an einem privaten Institut der Lehrerbildung tätig ist. In diesem Beitrag geht es im weitesten Sinne um die Frage der Wirksamkeit der Erwachsenen- und Weiterbildung. Diese Debatte wird nicht nur in der betrieblichen Weiterbildung geführt, sie hat inzwischen auch die öffentlich anerkannte Erwachsenenbildung erreicht, wie sich an der medienwirksam geführten Debatte über Lernfortschritte in Integrationskursen ablesen lässt. Im vorliegenden Beitrag geht es um einen spezifischen Aspekt dieser Debatte, um die Frage nämlich, ob bzw. unter welchen Bedingungen ein Transfer des in der Weiterbildung Gelernten in das jeweilige Anwendungsfeld gelingt. In einem von der Schweizer Kommission für Technologie und Innovation finanzierten Projekt sollte ein praxistaugliches, wissenschaftsbasiertes Instrument zur formativen Evaluation betrieblicher Weiterbildungen entwickelt werden. Die vorgestellte Studie stützt sich auf eine retrospektive Evaluation von thematisch unterschiedlichen Veranstaltungen betrieblicher Weiterbildung in drei großen Unternehmen. Insgesamt knapp 500 Befragte wurden in einer Querschnittserhebung nach ihrer Einschätzung des Lern- und des Transfererfolges gefragt. Die Befunde beruhen auf multivariaten Regressionsanalysen und zeigen, dass kurzfristiger und langfristiger Transfer von unterschiedlichen Faktoren abhängen: Didaktische Merkmale der Gestaltung von Lehr-Lernprozessen scheinen insbesondere relevant für die Zufriedenheit und den empfundenen Lernerfolg; demgegenüber wird langfristiger Erfolg am ehesten dann gesehen, wenn das berufliche Umfeld transferförderlich agiert, wenn z. B. die Vorgesetzten unterstützen oder das Arbeitsklima im Team förderlich ist.

Der vierte Beitrag beschäftigt sich mit den Kompetenzen von Lehrkräften und widmet sich damit einer Gruppe von Beschäftigten, die in den vergangenen Jahren nicht nur in der Forschung der Schule, sondern auch der Weiterbildung verstärkte Aufmerksamkeit gefunden hat. Jüngere Forschungsarbeiten richten sich u. a. auf die Qualifikationen und Beschäftigungsbedingungen von Lehrkräften, aber auch auf die Modellierung und Erfassung ihrer Kompetenzen. Im Beitrag von Christian Marx, Annika Goeze, Augustin Kelava und Josef Schrader werden Befunde aus einem Projekt vorgestellt, das im Rahmen des Leibniz-WissenschaftsCampus Tübingen „Bildung in Informationsumwelten“ gefördert wurde. In diesem Projekt wurde gemeinsam mit Schulpädagogen ein Test entwickelt, der das pädagogisch-psychologische Wissen von Lehrkräften in Schule und Erwachsenenbildung erfasst. Dieser Test enthält sowohl traditionelle Multiple-Choice-Aufgaben als auch videobasierte Items. Für den vorliegenden Beitrag wurden Daten von über 200 Lehrkräften ausgewertet, die in unterschiedlichen Kontexten der Erwachsenen- und Weiterbildung arbeiten. Im Mittelpunkt der Analysen steht die Frage, ob es einen Zusammenhang zwischen Merkmalen der Ausbildung bzw. der ausgeübten Tätigkeit auf der einen und dem Wissen über Lehr-Lernmethoden und -konzepte auf der anderen Seite gibt. Die Befunde aus latenten multiplen Regressionsanalysen zeigen keine Unterschiede zwischen Lehrkräften mit einem erziehungs- oder bildungswissenschaftlichen Studium und jenen ohne; und auch der Umfang der Lehrerfahrung scheint nicht bedeutsam für das vorhandene Wissen. Wohl aber zeigten sich Unterschiede in Abhängigkeit vom Ausmaß der Teilnahme an thematisch einschlägigen Fort- und Weiterbildungen.

Der fünfte Beitrag schließlich gehört zu jenen Einsendungen, die auf den Call for Papers Bezug nehmen. Er beschäftigt sich mit einem bildungspraktisch ebenso wie bildungspolitisch hoch aktuellen Thema. Alisha M. B. Heinemann vom Institut für Germanistik an der Universität Wien wendet sich Deutschkursen von Migrantinnen und Migranten zu. Trotz der hohen Aufmerksamkeit in Politik und Praxis, aber auch in der Öffentlichkeit, existiert noch kaum verlässliches empirisches Wissen über die organisationalen und personalen Bedingungen, unter denen Integrationskurse durchgeführt werden. Die öffentliche Debatte in Deutschland hat vor allem ernüchternde Ergebnisse aus Sprachtests zum Anlass kritischer Nachfragen an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, aber auch an Weiterbildungsanbieter genommen. So notwendig diese Debatte aus einer professionellen Perspektive auch ist, so läuft sie doch zugleich Gefahr, politisch instrumentalisiert zu werden. An dieser Stelle setzt die Studie von Heinemann an. In ihrem Projekt werden pädagogische Fachkräfte interviewt, Deutschkurse teilnehmend beobachtet und staatlich zugelassene Lehrmaterialen analysiert. Der vorliegende Beitrag präsentiert Zwischenergebnisse auf der Basis von diskursanalytisch ausgewerteten Interviews mit Planenden und Lehrenden in Deutschland und Österreich. In einer hegemoniekritischen Perspektive fragt die Autorin vor allem nach den Normalitätserwartungen, die von ehrenamtlichen und professionellen Akteuren an die Kursteilnehmenden in „Deutschkursen für Migrant.innen und Geflüchtete“ herangetragen werden und welche Folgen dies für deren Lern- und Subjektivierungsprozesse hat. Die Autorin plädiert für eine reflexive und widerständige Haltung der Erwachsenenbildung, für die es Raum und Zeit brauche, die angesichts des erzeugten und empfundenen Handlungsdrucks kaum noch zur Verfügung stehe.

Weitere Beiträge, die auf den Call for Papers zu Heft 1 reagierten und sich noch in der Begutachtung befinden, werden in den beiden kommenden Ausgaben der Zeitschrift für Weiterbildungsforschung in der Rubrik „Forum“ veröffentlicht. Damit sollen die aktuellen gesamtgesellschaftlichen Debatten um Flucht und Migration, die auch die Erwachsenen- und Weiterbildung bewegen, fortgesetzt werden und zu neuen Forschungen anregen.