Rezensionen zu:

Anselm Böhmer (2016). Bildung der Arbeitsgesellschaft. Intersektionelle Anmerkungen zur Vergesellschaftung durch Bildungsformate. Bielefeld: transcript Verlag. 218 Seiten, 24,99 €, ISBN 978-3-8376-3449-5.

Ghaderi, Cinur & Eppenstein, Thomas (Hrsg.) (2017). Flüchtlinge. Multiperspektivische Zugänge. Wiesbaden: Springer VS, 384 Seiten, 29,94 €, ISBN 978-3-658-15740-1.

Falk Scheidig (2016). Professionalität politischer Erwachsenenbildung zwischen Theorie und Praxis. Bad Heilbrunn: Verlag Julius Klinkhardt. 255 Seiten, br., 42,00 €, ISBN 978-3-7815-2145-2.

Barbara Schellhammer (2017). Wie lernen Erwachsene (heute)? Eine transdisziplinäre Einführung in die Erwachsenenbildung. Weinheim: Beltz-Verlag. 184 Seiten, 19,95 €, ISBN 978-3-7799-3469-1.

1 Ingeborg Schlüßler: Anselm Böhmer (2016). Bildung der Arbeitsgesellschaft. Intersektionelle Anmerkungen zur Vergesellschaftung durch Bildungsformate. Bielefeld: Transcript Verlag.

Anselm Böhmer setzt sich in seinem Buch „Bildung der Arbeitsgesellschaft“ kritisch mit den Subjektivierungs- und Vergesellschaftsformen auseinander, die durch den Neoliberalismus in Politik, Ökonomie und Bildung angestoßen wurden. Er bezieht sich hierbei auf Ansätze der Gouvernementalitätsstudien (Foucault, Butler), der aktuellen Bildungsdebatte (Koller, Ricken) sowie der Intersektionalität als Analysematrix. Seine theoretischen Ausführungen unterteilt er in die drei Kapitel: „Neoliberalismus als Normativ“; „Intersektionelle Ordnungen der Arbeit“ und „Der Faktor Bildung“.

Nach einem kurzen Vorwort, in dem er sich auf Masons Postkapitalismus bezieht, steigt er in Kap. 1 seines Buches direkt mit dem „Neoliberalismus als Normativ“ ein. Man hätte sich hier vorab noch ein einleitendes Kapitel gewünscht, in dem Frage- und Problemstellung sowie Zielsetzung der Untersuchung dargelegt worden wären. So beginnt das erste Kapitel unvermittelt und eher lexikonartig, in dem „theoretische Positionen des Neoliberalismus“ (Kap. 1.2) wie Kapitalismus, Individualisierung, Kommodifizierung, Subjektivierung, Gouvernementalität erläutert werden. Dabei werden auch die historischen Entwicklungen des ökonomischen Neoliberalismus aufgezeigt, die sich in wirtschaftlichen Modellen eines New Public Management auf kommunaler Ebene, eines shareholder values auf Unternehmensebene und einem dazu passenden homo oeconomicus ausdrücken. Böhmer bezieht sich hier auf Foucault, Harvey, Wacquant u. a. und zeigt dabei auf, wie der Neoliberalismus „demokratiezersetzend“ wirkt: durch die hierin wirksamen Logiken der verstärkten Ökonomisierung, der veränderten Erbringungsformate der Daseinsvorsorge von öffentlich hin zu privat, dem Entzug von Ressourcen aus den staatlichen Sozialsicherungssystemen und einem expansiven Strafverfolgungsapparat. „Das neoliberale Normativ“ (Kap. 1.2) wird dann anhand unterschiedlicher Vergesellschaftungsformate illustriert, wie z. B. dem Zusammenhang von Position und Kapital und mit dem von Foucault ins Spiel gebrachten Dispositiven verknüpft, die eher strategische, auf Diskurse und Praktiken verweisende soziale Formationen beschreiben.

Nach diesem grundlegenden Theoriekapitel untersucht Böhmer die Vergesellschaftungsmechanismen und „intersektionelle Ordnungen der Arbeit“ (Kap. 2). Die intersektionelle Forschung, die vor allem durch die Frauen- und Genderforschung populär wurde, untersucht soziale Kategorien wie Gender, Ethnizität, Nation oder Klasse in ihren Wechselwirkungen oder auch Überkreuzungen (intersections). Böhmer greift auf diesen Ansatz als Analysematrix (Kap. 2.1) zurück, um mögliche Ungleichheiten oder auch Diskriminierungen in der Erwerbsarbeit zu untersuchen. Er begreift dabei die Herrschaftsformen Kapitalismus, Patriachat und Nationalismus als ineinandergreifende Unterdrückungssysteme, die er anhand der „neoliberale(n) Erwerbsarbeit“ (Kap. 2.2) genauer illustriert. Auch hier geht er systematisch vor, in dem er erst die Arbeit in der Moderne, dann die fordistische und postfordistische Arbeit beschreibt, um schließlich die darin eingelagerten Ungleichheiten, mit Blick auf die Geschlechterverhältnisse und das „Normativ in der Erwerbsarbeit“ (Kap. 2.3) insb. in der Unterscheidung von produktiver und reproduktiver Arbeit, genauer zu untersuchen. Deutlich wird hier auch, wie Individuen, Gesellschaften und Wirtschaftsbereiche einer Steigerungslogik unterworfen sind, die die Bewältigungsleistungen zunehmend subjektiviert.

Kap. 3 ist nun dem „Faktor Bildung“ gewidmet. Allgemein wird hier die „Bildung der Arbeitsgesellschaft“ (Kap. 3.1) und die darin eingelagerten Vergesellschaftungsformen sowie die „neoliberale Regierung der Bildung“ (Kap. 3.2) beschrieben. Böhmer zeigt hier auf, wie sich der Bildungsbegriff von seinen vormals bürgerlich-politischen Vorgaben von Produktion, ökonomischer Effektivität, Freiheit, Gleichheit und sozialen Ausgleich verschoben hat, in dem die drei letztgenannten Ziele durch die der Selbstdisziplin, unternehmerischem Risiko der Bewirtschaftung des Selbst sowie der sozialen Konkurrenz ersetzt wurden. In dem Kapitel zu „Praktischen Intersektionen der Genese von Bildungsungleichheit“ dekliniert er diese an den unterschiedlichen Kategorien der Intersektionalitätsforschung durch, indem er Bildung und Erwerbstätigkeiten von Männern und Frauen, Migrantinnen und Migranten sowie Schichten untersucht. Auf die „intersektionellen Perspektiven zu arbeitsgesellschaftlichen Bildungsformaten“ (Kap. 3.4), die dem Buch den Untertitel verliehen haben, ist man nun gespannt, aber auch ein wenig enttäuscht, da er hier kaum auf unterschiedliche Bildungsformate – ausgenommen die Schule – explizit eingeht. So werden erneut Formen der Subjektivierung, Responsibilisierung und Diskriminierungen im Bildungswesen beschrieben und nochmal allgemein das intersektionelle Bildungsverständnis umrissen. Das letzte Kapitel (3.5) zu „Transformierte(r) Bildung“ ist eher eine knappe Zusammenfassung des Buches, die mit einer programmatischen Forderung nach einer „subjektivierend-subversive(n) Pädagogik“ schließt, „die sich noch immer der Aufklärung mit ihren Tugenden von Kritik und Emanzipation verpflichtet weiß“ (S. 188).

Das Buch von Böhmer enthält eine Reihe bekannter theoretischer Zugänge, wie z. B. die Arbeiten zu Foucault, die mittlerweile auch in der Erwachsenenbildung und im Rahmen der Gouvernementalitätsforschung breit rezipiert werden. Mit seinem Rückgriff auf die Intersektionalitätsforschung gelingt es ihm aber, noch genauer die verschiedenen Benachteilungsformen in Erwerbsarbeit und Bildung herauszuarbeiten. Die aufgezeigten Dynamiken und Verflechtungen sind für Erwachsenenbildungswissenschaft wie auch -praxis aufschlussreich. Zum einen verweisen sie auf notwendige mikrostrukturelle empirische Untersuchungen, um die unterschiedlichen Formen und Erfahrungen von Diskriminierung, Marginalisierung oder „Unsichtbarwerden“ aufzudecken. Zum anderen sensibilisieren sie Bildungsverantwortliche dafür, ihre eigenen Bildungsformate und -programme darauf hin zu befragen, wo diese eher Subjektivierungs- und Ungleichheitsformen reproduzieren oder aber „Möglichkeiten der Emanzipation, der schrittweisen Befreiung also aus Fremdherrschaft durch kritisches Reflektieren auf die vorfindlichen Praktiken (eröffnen)“ (S. 187). Das Buch von Böhmer ist zwar mit seiner Gesamtseitenanzahl recht kompakt geschrieben, aber dennoch nicht leicht zu lesen. Die Überlegungen werden z. T. in allzu verschachtelte Sätze und Gedankengänge gefasst. Die theoretische Hinführung zu Beginn ist sehr ausführlich, dafür kommt das eigentliche Thema der Vergesellschaftung durch Bildungsformate und die Idee der „transformierten Bildung“ am Ende leider etwas zu kurz. Insgesamt ein anregendes Buch, das die von Böhmer zuvor publizierten Bände zu „Bildung als Integrationstechnologie?“ (2016) und „Diskrete Differenzen. Experimente zur asubjektiven Bildungstheorie in einer selbstkritischen Moderne“ (2014) theoretisch und thematisch gut ergänzt.

2 Brigitte Kukovetz: Ghaderi, Cinur & Eppenstein, Thomas (Hrsg.) (2016). Flüchtlinge. Multiperspektivische Zugänge. Wiesbaden: Springer VS.

Der Sammelband setzt sich zum Ziel, der Konstruktion der „Flüchtlinge“ in Deutschland, sei es im öffentlichen oder politischen Diskurs, im Rechtssystem, oder in Bildungs- oder Gesundheitsinstitutionen nachzuspüren und unterschiedliche Kontexte, Positionen und Zugänge aufzuzeigen. Mit dem eine breite Öffentlichkeit ansprechenden Titel „Flüchtlinge“ könnte eine einseitige Sichtweise auf Geflüchtete als Objekte der Auseinandersetzung vermutet werden. Doch im Gegenteil: Das Buch löst die versprochene Multiperspektivität in dem Sinne ein, dass der Blick nicht nur auf Geflüchtete, sondern vor allem auch auf gesellschaftliche Zusammenhänge und Strukturen gerichtet wird. Multiperspektivität erfolgt außerdem über die Einbindung von unterschiedlichsten Disziplinen, wie der Politikwissenschaft, der Ethik, der Genderforschung, der Rechtswissenschaft, der Soziologie, der Pädagogik, der Psychologie und Psychotherapie, der Medienwissenschaft und der Kunstgeschichte.

Gewisse Einschränkungen mussten dennoch vorgenommen werden, wie etwa der Verzicht auf religionswissenschaftliche Beiträge oder die Begrenzung auf Deutschland. Nur der abschließende Beitrag, über das Leben in Flüchtlingslagern, richtet die Perspektive auch auf Flüchtlinge andernorts. Obwohl einer der Beiträge sich explizit mit dem „Flüchtling als Frau“ (Ulrike Krause) auseinandersetzt, erscheint die Diversitätsperspektive in Hinblick auf Genderfragen (sowie auch der Behinderung, des Alters, LGBTI und anderer Diversitätskategorien) wenig beachtet. Zum einen sind die unterschiedlichen Geschlechter nicht in allen Beiträgen repräsentiert, zum anderen wäre inhaltlich etwa eine kritische Auseinandersetzung mit der Verwobenheit von Rassismus und Sexismus im aktuellen öffentlichen Diskurs wünschenswert.

Einzelne Beiträge sind für die Weiterbildungsforschung von besonderem Interesse. Thomas Eppenstein analysiert Bildungsperspektiven bei Geflüchteten ebenso wie für Nicht-Geflüchtete und wirft einen kritischen Blick sowohl auf die Bildungspraxis als auch aktuelle Forschungen. Bei der Untersuchung der Bildungsbarrieren für Geflüchtete widmet er sich auch jenen Zielgruppen, die anderwärtig kaum Berücksichtigung finden, wie etwa Menschen mit Duldungsstatus. Indem er trefflich die „Spannungen zwischen Integrationserwartungen und Integrationshemmnissen“ (S. 165) beschreibt, ermuntert sein Beitrag, sich noch näher mit der Rolle der Erwachsenenbildung im derzeitigen Migrationsregime auseinanderzusetzen.

Inspirierend für Weiterbildung sind auch jene Artikel, die sich mit dem Thema „Flucht und Bilder“ auseinandersetzen: Esther Almstadts Analyse der Repräsentation geflüchteter Menschen in den Printmedien sowie Doron Kiesels Darstellung darüber, welches Potenzial Filme für einen Perspektivenwechsel und eventuell sogar für eine Änderung ethischer und politischer Einstellungen haben. Den Anstoß zu einer „Sammlung und Deutung einer zeitgenössischen Ikonografie des ‚displacement‘“ (S. 229) gibt Stephan Strsembski mit einigen beeindruckenden Beispielen, die zwischen den Polen von Ästhetisierung und Aktionismus rangieren.

Für die Pädagogik relevante Fragen thematisiert auch Dima Zito, die die Bedeutung von Schule für geflüchtete Kinder, besonders für jene mit traumatischen Erfahrungen, hervorstreicht. Zwei Artikel beschäftigen sich mit sozialarbeitswissenschaftlichen Zugängen. Christine Rehklau konstatiert eine Konzeptionslosigkeit in der Flüchtlingssozialarbeit. Ihre Darstellung der Praxis von und Forschung über Soziale Arbeit mit Geflüchteten beendet sie mit einem Aufruf an die Soziale Arbeit ihr politisch-emanzipatorisches Mandat wahrzunehmen. Auf Basis einer detailliert dargestellten Analyse eines Flüchtlingsberatungsgesprächs kritisiert Ronald Kurt die herkömmliche Praxis der Vermittlung interkultureller Kompetenzen als Schlüssel für die Sozial Arbeit mit Geflüchteten. Seine These, dass „Verstehensvertrauen“ (S. 323) eine der wichtigsten Komponenten interkultureller Kompetenz sei, ist gut nachvollziehbar. Er spricht auch die Gefahr von Fremdzuschreibungen an – ein guter Hinweis, da Kulturalisierungen und „Othering“ im gesamten Band erstaunlicher Weise relativ wenig explizite Beachtung findet.

Viele andere Beiträge, wie etwa jener von Hajo Funke zu den politischen Herausforderungen von Rechtsradikalismus und Terrorismus, können wichtige Inputs und Gedankenansätze für die Weiterbildungsforschung geben. Besonders spannend ist die von Sigrid Graumann vorgestellte ethische Beurteilung der aktuellen Flüchtlingspolitik, da sie hier sowohl ein moralisches Recht auf Ausschluss als auch moralische Verpflichtungen gegenüber Geflüchteten diskutiert.

Das Buch stellt eine gute Mischung aus theoretischer Auseinandersetzung, Rezeption von empirischen Studien und teilweisem Einbezug von Handlungspraxis dar. Durch die überwiegend leichte Lesbarkeit wird der Anspruch eingelöst, das Thema nicht nur für Lehrende und Forschende, sondern auch für Studierende, in der Praxis Tätige und für Laien zu behandeln.

3 Dieter Gnahs: Falk Scheidig (2016). Professionalität politischer Erwachsenenbildung zwischen Theorie und Praxis. Bad Heilbrunn: Verlag Julius Klinkhardt.

Der Autor dieser Studie ist 1987 geboren und gehört damit zum wissenschaftlichen Nachwuchs. Zentrale Grundlage des Textes ist die im Wintersemester 2015/2016 abgeschlossene Dissertation an der Philosophisch-Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Augsburg (Prof. Dr. Elisabeth Meilhammer). Zurzeit arbeitet Falk Scheidig an der Fachhochschule Nordwestschweiz als Leiter der zentralen Stabsstelle Lehrentwicklung und als Dozent für Hochschullehre und Erwachsenenbildung.

Die zentrale Fragestellung der Arbeit richtet sich auf die praktische Relevanz wissenschaftlichen Wissens für Lehrende in der politischen Erwachsenenbildung. Der Anspruch reicht aber über das enge Feld der politischen Bildung hinaus und zielt auf Lehre in der gesamten Erwachsenenbildung. Damit fügt sich die Arbeit in den sich in den letzten Jahren wieder intensivierenden Diskurs zu Fragen von Professionsentwicklung und Professionalität ein, der nicht zuletzt durch die Anforderungen von Qualitätsentwicklung und Kompetenzorientierung sowie durch die prekärer gewordenen Rahmenbedingungen für die Arbeit in diesem Feld befeuert wird. Hingewiesen sei in diesem Zusammenhang auf das richtungsweisende DIE-Projekt GRETA (Grundlagen für die Entwicklung eines trägerübergreifenden Anerkennungsverfahrens für die Kompetenzen Lehrender in der Erwachsenen- und Weiterbildung) und – mit Blick auf die politische Erwachsenenbildung – auf das Projekt ProPol (Weiterentwicklung der Professionalisierung in der politischen Bildung).

Der Text gliedert sich in vier Blöcke. Im Block A (Einleitung) wird die Aktualität und Relevanz des Themas behandelt und der Aufbau der Arbeit dargelegt. In Block B folgt die theoretische Analyse, die sich zentral mit den Begriffen und dahinterstehenden Konzepten von Profession, Professionalisierung und Professionalität auseinandersetzt. Darüber hinaus wird das Theorie-Praxis-Verhältnis im pädagogischen Handeln thematisiert und die wissenschaftliche Infrastruktur der politischen Erwachsenenbildung aufgezeigt. Im Block C finden sich die Konzeptionierung und die Ergebnisse der empirischen Erhebung. Schließlich wird im Block D die Studie bilanziert und um Perspektiven und Handlungsvorschläge erweitert.

Das Kernstück des Textes ist ohne Zweifel die theoretische Analyse, die fast die Hälfte des Textvolumens abdeckt. Der Autor zeichnet kenntnisreich und detailliert die Diskurslinien der allgemeinen Professionalisierungsdebatte nach, gibt aber auch immer wieder, wo sinnvoll und ergiebig, speziellen Bezügen zur politischen Bildung Raum. Bemerkenswert ist auch die Herausarbeitung des Theorie-Praxis-Verhältnisses, welches verdeutlicht, wie wissenschaftliches Wissen im Idealfall in der Praxis der Erwachsenenbildung handlungsrelevant wird.

Wie dieser Ansatz in der Realität tatsächlich umgesetzt wird, zeigt der empirische Teil. Er basiert auf zwölf leitfadengestützten Interviews mit Kursleitenden in der politischen Erwachsenenbildung, die dann inhaltsanalytisch ausgewertet worden sind. Die Reichweite der damit erzielten Ergebnisse ist natürlich begrenzt, wie der Autor auch selbst einräumt. Sie bieten aber Ansatzpunkte zur Illustration des Feldes und zur Generierung von Hypothesen und damit zu weiterführender Forschung.

Das Fazit der Studie fällt eher ernüchternd aus: „Wissenschaftliches Wissen besitzt für die Lehrenden offenbar nicht durchweg die Relevanz, die ihm von anderer Seite, insbesondere von Trägern, Bildungspolitik und Wissenschaft für die Bildungspraxis zugesprochen wird.“ (S. 203) Wenn es Wissenschaftsbezüge gibt, dann eher auf der Ebene des Inhaltlichen bzw. Fachlichen, erziehungswissenschaftliche Befunde werden von den Lehrenden gar nicht oder sehr selten ins Blickfeld genommen. Es erscheint nicht ganz unplausibel, dass diese Einschätzung nicht nur für die politische Bildung gilt. Es bleibt also viel zu tun.

Der Autor macht dann auch den einen oder anderen Versuch, mit Handlungsempfehlungen den mangelnden Wissenschaftsbezug in der Erwachsenenbildung zu heilen (Mindeststandards für die Lehre, Vergütungsanreize, Ausbau der professionalitätsfördernden Infrastruktur etc.). Ergänzend zu verweisen ist in diesem Zusammenhang auf die österreichischen Erfahrungen mit einer speziellen Zertifizierung von Erwachsenenbildnern im Rahmen der Weiterbildungsakademie (wba) und dessen Verknüpfung mit dem staatlichen Qualitätssiegel Ö-Cert.

Der Text ist klar gegliedert und sprachlich anspruchsvoll. Er basiert auf gründlicher Recherche, was nicht zuletzt durch ein fast vierzigseitiges Literaturverzeichnis zum Ausdruck kommt. Insbesondere der theoretische Teil bietet sich als Grundlagenlektüre für Studierende und auch Forschende an. Praktiker – so wie sie auch im Text beschrieben werden – dürften eher abgeschreckt sein, zu prägend ist der wissenschaftliche Duktus der Arbeit. Das wäre schade, denn sie verpassten die Möglichkeit zu tiefgründigen Einsichten.

4 Rolf Arnold: Barbara Schellhammer (2017) Wie lernen Erwachsene (heute)? Eine transdisziplinäre Einführung in die Erwachsenenbildung. Weinheim: Beltz-Verlag.

Die neuere Erwachsenenbildungsforschung profitiert von klaren und kenntnisreichen Arbeiten zum Lernen Erwachsener. Eine solche Arbeit hat Barbara Schellhammer, Dozentin für interkulturelle Bildung an der Münchner Hochschule für Philosophie vorgelegt. Ihre Forschungsarbeit ist durchzogen von einem philosophischen Blick auf das Thema – eine Tiefe, die besonders skrupulös auf die erkenntnis- und beobachtertheoretische Tragfähigkeit eigener Befunde und die Substanz eigener so wie konkurrierender Interpretationen achten lässt. Dadurch gelingt es ihr, Impulse für eine harte Theoriebildung zu liefern – ein erfrischendes Signal für eine zu häufig sich in Richtungsstreits verheddernde Disziplin.

Zunächst wendet sich Schellhammer ihrer im Titel der Untersuchung aufgeworfenen Frage zu und sichtet dabei die vorliegenden Forschungsergebnisse zum Lernen Erwachsener, diskutiert diese vor dem Hintergrund sozialisationstheoretischer und biografietheoretischer Perspektiven und wendet sich schließlich einer Klärung der Lernwiderstandsfrage aus emotionspädagogischer Sicht zu. Bereits in der Einleitung überrascht Schellhammer ihre Leserinnen und Leser mit einer herausfordernden Definition, indem sie Bildung als Selbstbildung, die „nicht in der sicheren Höhle immer gleicher Weltsichten und gewohnter Handlungsvollzüge (geschieht), sie passiert durch den beschwerlichen, manchmal sogar beängstigenden Aufbruch in Fremdes“ (S. 7). Entsprechend löst sie sich in ihrer Argumentation von überlieferten Begriffsbestimmungen (des Erwachsenseins, Abgrenzungen zum schulische Lernen etc.) und bündelt ihre Sichtung empirischer Hinweise (J.R. Kidd, H. Siebert, E. Thorndike, M.S. Knowles, H. Löws u. a.) gegenüber einer Sichtweise, die weniger die Innovation als vielmehr die Selbstreflexion und Selbstorganisation des Erwachsenenlernens in den Blick nimmt.

In diesem konkretisiert Schellhammer die bereits angedeutete, indem sie ihr lehrbuchhaft exaktes Referat der Zugänge und Ergebnisse von Erwachsenensozialisations- und Biografieforschung zu einer intransitiven Wende der Erwachsenenpädagogik verdichtet, die deutlich über deren lebensweltorientierte Anschlussmodell hinausweist und diese, um eine erst ansatzweise in den Fachdebatten – insbesondere in deren systemisch-konstruktivistischen Konzepten – vertretene intransitive Lesart, erweitert. Sie konstatiert: „Inwiefern diese jedoch transitiv im Sinne einer geplanten Steuerung durch Fortbildung oder Trainings vorgenommen werden können, ist fraglich“ (S. 26). Erwachsenenbildung tritt so wieder stärker als Selbstbildung in Erscheinung, was sie stets gewesen ist – eine realistische Wende neuer Art. Durch und durch ermöglichungsdidaktisch ist daher auch ihre Folgerung: „Es kommt nicht in erster Linie auf den Input an, sondern auf das, was in den Adressaten damit passiert – und das ist genuin abhängig von den Lebenserfahrungen betroffener Personen“ (S. 33).

Das zweite Kapitel beleuchtet die „Didaktik und Methodik“ des Erwachsenenlernens. Nach Begriffsklärungen sowie einem Einblick in historische und aktuelle sowie systematische Lesarten von Didaktik bzw. Erwachsenendidaktik diskutiert Schellhammer Fragen der Motivation, der Lernstile sowie der Lernmilieus und der Lernkultur in ihrer Bedeutung für die Ermöglichung eines nachhaltigen Erwachsenenlernens. Unverkennbar hegt Schellhammer Sympathien für die Ermöglichungsdidaktik, deren Perspektiven Sie auch in „vier möglichen Schritten zur Vorbereitung einer erwachsenenbildnerischen Maßnahme“ (S. 71) konkretisiert. Im Lichte der ermöglichungsdidaktischen Argumente erweisen sich auch die Konzepte des selbstregulierenden Lernens und des Coachings als weiterführende Formen zur Anregung, Begleitung und Gestaltung eines selbstgesteuerten Erwachsenenlernens.

Im dritten Kapitel fokussiert Schellhammer aktuelle Problemlagen der heutigen Erwachsenenbildung, nämlich die Heterogenität bzw. Diversivität der Lernenden, die Interkulturelle Erwachsenenbildung und die neurowissenschaftlichen Impulse für eine Neukonzipierung unserer Vorstellungen vom Lernen Erwachsener. Der Leser lernt zahlreiche Begriffsklärungen, Strukturen, Algorithmen sowie Zugänge einer erwachsenendidaktischen Erschließung dieser Gebiete kennen. Schellhammer folgt dabei sehr bewusst einem Selbstbildungskonzept, deren Formen z. B. im Umgang mit Diversity „dazu führen, Fremdem sich selbst bewusst und offen begegnen zu können“ (S. 118). Und sie erklärt: „Diese Umwendung zum Selbst baut auf philosophische, kulturanthropologische und sozialpsychologische Prämissen und spielt eine wichtige Rolle für die interkulturelle Erwachsenenbildung“ (S. 118).

Das letzte Kapitel nimmt eine philosophische Perspektive ein, aus der heraus Schellhammer in gründlicher Analyse die Kompetenzorientierung sowie Bildungs- und Wertfragen des Erwachsenenlernens auf den Prüfstand stellt. Lesenswert ist ihre gründliche Einordnung des Kompetenzansatzes. Schellhammer unterscheidet sich wohltuend von den vielfältigen Argumentationen, welche in diesem nichts Anderes zu erkennen vermögen als das Ergebnis neoliberaler Weiterbildungspolitik. Zwar sind ihre Sympathien für den Bildungsbegriff deutlich spürbar, sie vermeidet aber, diesen in einer kritischen Gegenüberstellung zum Kompetenzanliegen zu positionieren und setzt vielmehr auf das „positive Spannungsverhältnis der beiden Ansätze“ (S. 150) – eine nüchterne und entwicklungsöffnende Position.

Insgesamt: Eine Lektüre der Studie von Schellhammer lohnt sich. Sie schafft einen nahezu vollständigen Überblick über die erwachsenendidaktischen Debatten und Forschungen der letzten Jahrzehnte, vollzieht aber zugleich eine deutliche Positionierung gegenüber Sichtweisen, die das Neue (Hirnforschung, Kompetenzorientierung etc.) allzu bereitwillig aus vergangenen Argumentationsroutinen heraus grundsätzlich verwerfen.