Rezension zu: Malte Ebner von Eschenbach (2014). Intermediarität – Lernen in der Zivilgesellschaft. Eine Lanze für den Widerstand. Mit einer Einführung von Ortfried Schäffter. Lehmanns Media, Berlin, 174 Seiten, 19,95 €, ISBN 978-3-86541-624-7

Die Reihe „ICHS (International Cultural-historical Human Sciences) Diplom” verfolgt die Absichten, Forschungsarbeiten anzuregen, den Diskurs zu öffnen, Chancen zum Kontakt zu nutzen und kreative, unorthodoxe und innovative Fragestellungen für die theoretische Diskussion weiterzuentwickeln – so die Reihenherausgeber Hartmut Giest und Georg Rückriem. Die Arbeit von Malte Ebner von Eschenbach wird hier eingeordnet. Es handelt sich um die überarbeitete Fassung seiner 2011 an der HU verteidigten Masterarbeit. Er selbst relativiert den Text als Dokument erster Einsichten und Ergebnis seines „wissenschaftlichen ‚status nascendi‘“ (S. 7).

Nun denn: Bevor wir aber zur eigentlichen Arbeit kommen, die auf S. 33 beginnt, liefert Ortfried Schäffter als Betreuer eine lange Einführung. Aber das ist auch gut so, weil ohne die eigenwilligen Gedankengänge Schäffters der Text Ebner von Eschenbachs zumindest zum Teil unverständlich bliebe. In 14 Schritten werden die Grundzüge eines „relationstheoretischen Denkstils“ (S. 9) skizziert. M.E. bügelt dieser Ansatz theoretische Differenzen durch Abstraktifizierung glatt. Mir scheint hier die Gefahr eines Selbstlaufs der Begriffe nahezuliegen, die erfahrungswissenschaftlich nicht mehr verankert sind. Aber das wäre in der Auseinandersetzung mit Schäffter zu diskutieren, hier soll ich Ebner von Eschenbach besprechen.

Allerdings scheint der „relationstheoretische“ Denkstil ansteckend: Ebner von Eschenbach geht durch die einschlägigen Theorieperspektiven. Die Studie „gliedert sich in vier Kapitel, die durch zwei Zwischenschritte und eine Abschlussbetrachtung miteinander verwoben sind“ (S. 36).

Zunächst wird im Rückbezug auf Jürgen Habermas ein gesellschaftstheoretischer Zugang geöffnet (Kap. 1, S. 41–71). Zentral ist hier die Differenz von System und Lebenswelt, die als lebensweltliche Makroebene gegenüber einer Makroeben der Funktionssysteme – eher als Resultat, denn als Problem – gefasst wird. In diese Spannung wird der Begriff „Intermediarität“ als Vermittlung gesetzt (Kap. 2, S. 89–100). Wie genau der Prozess des Vermittelns aussieht, bleibt in dieser Sichtweise offen und formal, was durch eine systematisierende Abbildung (S. 97) eher verdeckt als begriffen wird. Die „Lanze für den Widerstand“ (Kap. 3, S. 101–130) könnte – um im Bild zu bleiben – gegen theoretische Windmühlenflügel gerichtet sein. Sicherlich sind die Hinweise auf Honneth und Reckwitz (S. 113–115) weiterführend, aber sie werden nicht so weit vorangetrieben, dass sie sich der Erfahrung öffnen. Eine Darstellung von Beispielen sozialer Bewegungen (S. 103–113: Bürgerrechtsbewegungen, Frauenbewegungen, Selbsthilfebewegungen) verbleibt illustrativ.

Das abschließende 4. Kapitel „Zivilgesellschaftliches Lernen im Modus der Widerständigkeit“ erläutert einen erweiterten Lernbegriff und fragt nach den Möglichkeiten zivilgesellschaftlichen Engagements. Ebner von Eschenbach folgt der Unterscheidung von alltagsgebundenem, funktional-didaktisiertem und transformativem Lernen (S. 139–142). Er landet dann im Anschluss an Dewey bei „Demokratiekompetenz“ (S. 142). Ergänzt werden die Überlegungen durch Hinweise auf die Stellung der Institutionen und des Personals in der Erwachsenenbildung (S. 149–151).

Zum Schluss kommt der eigentliche Grundlagenbezug zum Vorschein: die Figur des Dritten (S. 151–154). Die triadische Konstellation von Selbst, Anderem und deren gemeinsame Bezogenheit aufeinander wird als logische Strategie zum Aufbruch von Dichotomien zu einer post-dualistischen Denkweise angedient. Hier erst wird der Begriff der Intermediarität verankert.

Damit weitet sich zugleich der Diskussionshorizont. Es wäre zu einfach und unangebracht, die dahinterstehende Problematik Ebner von Eschenbach aufzubürden. Es müsste diskutiert werden, inwieweit das angezogene ‚Paradigma‘ tatsächlich Begriffsprobleme löst oder aber neue Scheinprobleme erzeugt bzw. hinter Logizismen versteckt.

Zweifellos regt die Lektüre der Arbeit Ebner von Eschenbachs zum Nachdenken an. Sie verdient es, ernst genommen zu werden, stößt uns auf Probleme und gibt Impulse. Die Abschlussbetrachtungen (S. 155) können dann jedoch eher als Anfangsüberlegungen gelesen werden, für eine dann vielleicht auch erfahrungswissenschaftlich basierte Theorieentwicklung.