FormalPara Prämierte Arbeit

Teilnahme älterer Beschäftigter an gesundheitsfördernden und präventiven Maßnahmen

Daniela Borchart, Hans Martin Hasselhorn, Jean-Baptist du Prel

Zbl Arbeitsmed 2019 • 69:261–270

Für das Zentralblatt für Arbeitsmedizin, Arbeitsschutz und Ergonomie ist es ein wichtiges Ziel, einem breiten Leserkreis aus der arbeitsmedizinischen und arbeitswissenschaftlichen Forschung und Praxis neue wissenschaftliche Ergebnisse und Erkenntnisse durch hochwertige Publikationen zur Verfügung zu stellen, um somit einen wissenschaftlichen Erfahrungsaustausch und optimale Problemlösungen zu fördern. Zielgruppen sind sowohl Arbeitsmediziner, Sozialmediziner und Umweltmediziner als auch Sicherheitsingenieure, Arbeitswissenschaftler sowie andere Gruppen und Institutionen, die eng mit der Arbeits‑, Sozial- und Umweltmedizin sowie dem Arbeitsschutz und der Ergonomie verbunden sind. Vor diesem Hintergrund verleiht die Schriftleitung des Zentralblatts zusammen mit dem Springer-Verlag einmal jährlich den Julius-Springer-Preis für Arbeitsmedizin an die Autoren der besten Originalarbeit, die im Zentralblatt im Vorjahr veröffentlicht wurde. Es ist uns eine Freude, in diesem Heft die federführende Preisträgerin für das Jahr 2020 vorzustellen und ihr sowie den Koautoren unsere Hochachtung für ihre Arbeit auszusprechen.

Die federführende Preisträgerin

Daniela Borchart studierte von 2008 bis 2014 Psychologie an der Bergischen Universität Wuppertal (BUW) mit den Schwerpunkten Gesundheit und Klinische Psychologie – nach Ausbildung und Tätigkeit im Gesundheitswesen. Sie schloss 2014 das Masterstudium (M.Sc.) im Fach Psychologie an der BUW mit einer Arbeit zum Einfluss dispositioneller Copingstrategien auf das Überleben und den Krankheitsverlauf bei Personen mit fortgeschrittener Herzinsuffizienz erfolgreich ab. Am Lehrstuhl für Arbeitswissenschaft in der Fakultät Maschinenbau und Sicherheitstechnik hat sie 2018 ein Promotionsstudium zum Thema Gesundheitsverhalten älterer Beschäftigter im Kontext von Arbeit, Gesundheit und Erwerbsteilhabe aufgenommen. Schon während ihrer Studienzeit konnte Frau Borchart als wissenschaftliche Hilfskraft mehrjährige Erfahrungen im wissenschaftlichen Arbeiten im WAI(Work Ability Index)-Netzwerk und in der NEXT(Nurses’ Early Exit Study)-Studie am Lehrstuhl für Sicherheitstechnik und Ergonomie der Bergischen Universität sammeln, und seit 2015 ist sie Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Arbeitswissenschaft der BUW.

Ihre heutigen Tätigkeitsschwerpunkte adressieren zum einen Forschung im Bereich von Arbeit, Alter, Gesundheit und Erwerbsteilhabe sowie die Durchführung qualitativer Interviews und Diskussionen in Form von Fokusgruppen zum Thema Bindung älterer Mitarbeiter. Zum anderen unterstützt sie die Lehre durch Mitgestaltung von Lehrveranstaltungen im Studiengang Sicherheitstechnik an der Universität Wuppertal im Bereich Methodenlehre, Versicherungs- und Präventivmedizin. Die Forschungsthemen betreffen gesundheitsrelevante Verhaltensweisen von älteren Beschäftigten, betriebliche Prävention und Gesundheitsförderung sowie die Mitarbeiterbindung älterer Beschäftigter. Aktuelle Projekte sind einerseits „lidA – leben in der Arbeit“ – eine Kohortenstudie zur Gesundheit und zum Älterwerden in der Arbeit (www.lida-studie.de) mit einem aktuellen Fokus auf betriebliche Gesundheitsförderung bei älteren Beschäftigten in Deutschland im Kontext länger werdender Erwerbsverläufe – sowie andererseits die Bindung älterer Mitarbeiter in Betrieben innerhalb des Kompetenzclusters NRW „Arbeitsmarktteilhabe im höheren Erwerbsalter“. An aktuellen wissenschaftlichen Fachartikeln sind Beiträge zum Gesundheitsverhalten älterer Beschäftigter, zu Entwicklungsregulationsstrategien über die Lebensspanne sowie zu psychosozialen Arbeitsbedingungen und Depressivität hervorzuheben.

Die prämierte Arbeit

Ziel der prämierten Arbeit „Teilnahme älterer Beschäftigter an gesundheitsfördernden und präventiven Maßnahmen“ war es, Risikogruppen unter älteren sozialversicherten Beschäftigten mit einem erhöhten Bedarf von verhaltensorientierten Maßnahmen der Gesundheitsförderung und Prävention (GFPM) zu identifizieren, die jedoch aufgrund individueller und kontextualer Bedingungen derartige Maßnahmen allenfalls geringfügig in Anspruch nehmen. Dazu wurde das Teilnahmeverhalten an GFPM zur Bewegung, Entspannung und gesunder Ernährung von über 6000 älteren Beschäftigten untersucht, die an der ersten „Befragungswelle“ der lidA-Studie teilgenommen haben. Die GFPM-Teilnahme wurde hinsichtlich des Einflusses ausgewählter soziodemografischer, gesundheits- und arbeitsbezogener Aspekte und deren Zusammenwirken geprüft. Als wesentliches Ergebnis wird angeführt, dass Beschäftigte mit vorbestehenden Erkrankungen (Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Muskel-Skelett-Erkrankungen, psychische Störungen) sowie Personen mit erhöhter beruflicher Stressbelastung sich häufiger an GFPM beteiligten als Beschäftigtengruppen ohne jene Krankheitsbilder bzw. mit geringerer Stressbelastung. Beschäftigte mit an- und ungelernten Tätigkeiten nahmen seltener an GFPM zur Bewegung und Entspannung als höher Qualifizierte teil. Im Rahmen der der prämierten Arbeit zugrundeliegenden Untersuchungen wurden als Gruppen mit erhöhtem Bedarf und geringerer GFPM-Teilnahme Männer, Ältere und Beschäftigte mit ungünstigen physischen Arbeitsexpositionen wie insbesondere stehende Tätigkeit identifiziert. Als „nicht erwartungstreues“ Ergebnis wird beispielsweise angeführt, dass sich kein sozialer Gradient im Teilnahmeverhalten an GFPM der älteren Beschäftigten gezeigt hat.

Aufgrund der Veränderungen der Arbeitnehmerschaft durch Alterung und Schrumpfung im Zuge des demografischen Wandels gewinnt die Identifikation von älteren Beschäftigten mit den aufgezeigten Risikokonstellationen unter gesundheitsförderlichen und präventiven Aspekten zunehmende Bedeutung. Da mit dem Alter das Risiko für Gesundheitsbeschwerden und Erkrankungen mit einer resultierenden verringerten Arbeitsfähigkeit steigt, stellen ältere Beschäftigte eine wichtige Personengruppe für Maßnahmen der Gesundheitsförderung und Prävention sowohl innerhalb als auch außerhalb der Betriebe dar. In diesem Zusammenhang ist es aus Sicht von Arbeitsmedizin, Arbeitsschutz und Ergonomie als besonders positiv und erfreulich zu werten, dass mit der schon im Jahr 2009 begonnenen lidA-Studie eine umfassende prospektive Kohortenstudie älterer Erwerbstätiger in Deutschland durchgeführt wird und somit kontinuierlich aktuelle Ergebnisse zur Verfügung gestellt werden, bei der die Themen Arbeit und Gesundheit sowie Alter und Altern explizit im Zentrum stehen – und damit Themen des betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutzes. Dieser prospektiv-langjährige Ansatz erlaubt die Untersuchung komplexer Zusammenhänge und ermöglicht zudem differenzierte Analysen mit Bezug auf Untergruppen, wie sie in dem hier prämierten Beitrag durchgeführt wurden.

Die Editors-in-Chief des Zentralblatts für Arbeitsmedizin, Arbeitsschutz und Ergonomie sowie der Springer-Verlag gratulieren den Autoren des prämierten Beitrags – Daniela Borchart, Hans Martin Hasselhorn und Jean-Baptist du Prel – herzlich zum Julius-Springer-Preis für Arbeitsmedizin 2020 und bedanken sich bei allen Autorinnen und Autoren der Zeitschrift für ihre wertvollen Beiträge.

Die Verleihung des Preises wird voraussichtlich im Rahmen einer Diskussionsveranstaltung zur „Schnittstelle Wissenschaft und Politik“ am 11.11.2020 im Fachgebiet Arbeitswissenschaft der Bergischen Universität Wuppertal stattfinden.