In der aktuellen Ausgabe des Zentralblatts für Arbeitsmedizin, Arbeitsschutz und Ergonomie diskutiert ein Übersichtsartikel von Experten aus unterschiedlichen Bereichen der Arbeitsmedizin den Einsatz Schwangerer im OP in Hinblick auf die Novellierung des Mutterschutzgesetzes der Bundesrepublik Deutschland. Die AutorInnen befassen sich mit dem Projekt „Operieren in der Schwangerschaft“ (OPidS; www.opids.de) des Jungen Forums der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) in Zusammenarbeit mit dem Perspektivforum Junge Chirurgie der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (DGCH).

Sie formulieren einen Katalog an Kriterien, die bei einem Einsatz Schwangerer im OP berücksichtigt werden sollten. Dieser enthält wichtige Punkte, die an dieser Stelle zusätzlich aus pädiatrischer Sicht ergänzt werden.

Grundsätzlich deckt der Artikel biologische (z. B. HIV), physikalische (z. B. Röntgenstrahlung) und chemische (z. B. Narkosegase) Gefahren exzellent ab. Auch werden Belastungen des Muskel-Skelett-Systems angesprochen (Operation nicht länger als 3 h). Zwei Punkte hätten zusätzlich im Detail besprochen werden können. Beide erfordern wissenschaftliche Studien zur Objektivierung:

FormalPara Die psychische Belastung.

Diesbezüglich finden sich im Artikel u. a. folgende protektive Forderungen: (1) Es muss „gewährleistet sein, dass auf die werdende Mutter kein „Druck“ ausgeübt wird, in der Schwangerschaft weiter zu operieren“. (2) Es „müssen zwischen den Eingriffen ausreichende Pausen ermöglicht werden.“ Diese Forderungen sind wichtig – es sollte jedoch noch eine differenzierte Betrachtung folgender Fragen vorhanden sein: (1) Der Operationssaal ist per se ein Tätigkeitsbereich, der im Gegensatz zu anderen Bereichen eine wesentlich stärkere Belastung ausübt. Als objektivierbares Beispiel seien die Beleuchtungsanfordernisse genannt. Wie sind die kindlichen Reaktionen auf die künstliche 120.000 lx OP-Beleuchtung? (2) Die Tätigkeit des Operierens ist – auch im Bereich elektiver Eingriffe – immer durch eine erheblich höhere psychische Belastung allein dadurch gekennzeichnet, dass praktisch jederzeit schwerwiegende medizinische Komplikationen auftreten können. Dies wiederrum führt zum zweiten Aspekt, der umfangreich betrachtet werden sollte:

FormalPara Kindliche Reaktionen.

Bezüglich der Reaktion des Kindes auf die psychische Belastung während des Operierens gibt es nur wenige gesicherte Erkenntnisse. Das Kind ist in utero rechtlich durch das Mutterschutzgesetz genauso geschützt wie die Mutter. Sein Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit kollidiert vermeintlich mit dem Recht der Mutter auf freie Entscheidung für das Operieren. Die Reaktion des Kindes auf die psychische Belastung während des Operierens ist maßgeblich beeinflusst durch die psychische Beanspruchung der Mutter. Dies erschwert die Betrachtungsweise und weist auf die hohe individuelle Variabilität hin. Es kann schwangere Operateurinnen geben, die bei der gleichen Belastung keinerlei die Schwangerschaft und das Kind schädigende körperliche Reaktionsmuster zeigen. Bei anderen schwangeren Operateurinnen können frühzeitig Wehen einsetzen. Dies kann vorher nicht abgeschätzt werden. Ebenso ist die Frage zu berücksichtigen, wie der Einfluss auf das Kind in utero bei plötzlich auftretenden intraoperativen Komplikationen ist. Beispiel: Bei einer elektiven Sectio caesarea kommt es zu der Komplikation einer Uterusatonie mit schwer zu beherrschender Blutung. Trotz der Übernahme des Eingriffes durch einen erfahrenen Ersatzoperateur kommt es zu einer Schwangerschaftskomplikation der Operateurin.

Dr. Dr. David Quarcoo