Einleitung

Der Klimawandel gilt als eine der zentralen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts (IPCC 2014; Endlicher und Gerstengarbe 2007). Durch die permanente Interaktion verschiedener Geofaktoren (Borsdorf 2019) handelt es sich dabei um einen komplexen naturwissenschaftlichen Prozess, der auf verschiedenen räumlichen Maßstabsebenen sowie zeitlichen Dimensionen angesiedelt ist. Im schulischen Kontext nimmt das Fach Geographie, das sich als Brückenfach zwischen Natur- und Sozialwissenschaften mit ausgeprägtem systemischen Charakter versteht (DGfG 2017), bei der Behandlung des Themenkreises Klimawandel eine besondere Bedeutung ein.

Lernprozesse werden von verschiedenartigen Bedingungsfaktoren beeinflusst. Im Bereich der individuellen Determinanten spielen neben der Intelligenz als gewichtigstem Prädiktor von Schulleistung auf fach- und themenspezifischer Ebene vor allem das Vorwissen sowie motivationale Faktoren wie Einstellungen oder Interesse eine entscheidende Rolle (Helmke und Schrader 2010). Eine auf Interesse beruhende Lernmotivation gilt dabei als besonders erstrebenswert, da diese „besonders intensive und wirkungsvolle Lernprozesse in Gang setzt“ (Krapp 1992c, S. 41), auch der Zusammenhang zwischen Interesse und Schulleistung ist mit r = 0,30 durchaus substanziell (Krapp 2010a), andere Autoren nennen sogar r = 0,41 (Helmke und Schrader 2010; Helmke und Weinert 1997). Der Einfluss von Motivation auf Schulleistung ist ein mittlerer (d = 0,48; Hattie 2012). Auch wenn Interesse nicht automatisch zu entsprechender Handlung führt, so fördert es im Sinne der Ausbildung einer Scientific Literacy die Bereitschaft, sich anwendungsorientiert mit einer Thematik auseinanderzusetzen (OECD 2006) und ist so ein wesentlicher Bedingungsfaktor klimarelevanter Handlungen (Krapp 1992b; Rheinberg 2010). Obwohl das themenspezifische Interesse am Klimawandel somit eine entscheidende Lernvoraussetzung für einen hochrelevanten Lernbereich darstellt, ist es bisher nur unzulänglich erforscht. Gleichzeitig ist der Klimawandel durch die gesellschaftlichen Entwicklungen der letzten Jahre im Zeichen von Fridays For Future verstärkt in den medialen Fokus sowie an die Lebensrealität der Jugendlichen gerückt. Dies erfordert eine aktuelle und ausdifferenziertere Erforschung des Interesses von Schüler*innen am Themenfeld Klimawandel. Dieser Herausforderung begegnet der vorliegende Beitrag in einem ersten Schritt durch die Vorstellung eines einschlägigen Messinstrumentes.

Theoretische und empirische Grundlegung

Interesse und Interessensentwicklung

Im schulischen Anwendungsfeld ist Interesse sowohl als Lernziel (Hemmer et al. 2005) als auch als fachspezifische Lernvoraussetzung und damit verbunden vor allem in Bezug auf Lernmotivation relevant. Krapp (2010a, S. 10) fasst unter Lernmotivation „die Bereitschaft eines Schülers, sich aktiv, dauerhaft und wirkungsvoll mit bestimmten Themengebieten auseinander zu setzen, um neues Wissen zu erwerben bzw. das eigene Fähigkeitsniveau zu verbessern“ und unterscheidet grundsätzlich zwischen sogenannten kognitiv-handlungstheoretischen und persönlichkeitstheoretischen Konzepten. Während die auf dem Erwartungs-Wert-Modell (Rheinberg 2010) fußende kognitiv-handlungstheoretische Konzeption statisch ist und nicht direkt vom Lerngegenstand determiniert wird (Krapp 2010a), haben persönlichkeitstheoretische Konzepte einen deutlich engeren Bezug zu themenspezifischem fachlichen Lernen. Diese betrachten Lernmotivation als an die Persönlichkeit gekoppeltes, dynamisches Konstrukt und fassen Lernen nicht nur als inhaltliche Wissenskonstruktion, sondern integrieren auch die Ausbildung und Veränderung von emotionalen und motivationalen Komponenten (z. B. Einstellungen, Überzeugungen, Werthaltungen; Krapp 2010a), was besonders bei einem persönlichkeits- und handlungsrelevanten Thema wie dem Klimawandel von besonderer Bedeutung ist. Neben der Selbstbestimmungstheorie von Ryan und Deci (2004) hat vor allem die, mit der Selbstbestimmungstheorie verwandte, Person-Gegenstands-Theorie des Interesses (Krapp 1992a, 1992c, 2010a) Bekanntheit erlangt und stellt eine wesentliche Grundlage pädagogischer sowie fachdidaktischer Interessenforschung dar (Krapp 2010a; Hemmer 2010; Häußler et al. 1996; Blankenburg und Scheersoi 2018; Gebhard et al. 2017).

Interesse im Sinne dieser Theorie bezeichnet eine „bedeutungsmäßig herausgehobene Person-Gegenstands-Relation“ (Krapp 1992a, S. 307), die mit einer „hohen Bereitschaft zur freiwilligen Beschäftigung“ (Krapp 2010a, S. 15) einhergeht. Der Gegenstand des Interesses ist definitorisch kaum eingegrenzt, es kann sich dabei sowohl um ein konkretes materielles oder immaterielles Objekt, als auch um ein Thema, eine Theorie oder eine Idee handeln, nahezu alles, womit eine kognitive Auseinandersetzung möglich ist. Im schulischen Kontext ist besonders die Unterscheidung zwischen Sach- und Fachinteresse zu erwähnen – wendet eine Person beispielsweise dem Themenkreis Klimawandel besonderes Interesse zu, so liegt hohes Sachinteresse an dieser speziellen Facette des Faches Geographie vor, interessiert sich eine Person allerdings besonders für das (Schul‑)Fach Geographie im Allgemeinen (z. B. an der räumlichen Betrachtungsweise von Sachverhalten), so spricht man von hohem Fachinteresse (Krapp 2010a). Definitorisch lässt sich Interesse durch drei Kernmerkmale charakterisieren: „In emotionaler Hinsicht zeichnet sich ein Interesse dadurch aus, dass es an überwiegend positive emotionale Erfahrungen geknüpft ist“ (Krapp 2010a, S. 16) – die Beschäftigung mit dem Interessengegenstand wird daher nicht als störend, sondern eher als zufriedenstellend wahrgenommen, die teilweise in einen sogenannten Flow-Zustand (Csikszentmihalyi 1999) übergehen kann. Die wertbezogene Komponente des Interesses betont die subjektive Wichtigkeit des Interessengegenstandes für eine Person. Sich mit dem Interessengegenstand auseinanderzusetzen, um z. B. die eigenen Kompetenzen in einem Bereich zu erweitern, wird demnach als sinnvoll und wichtig empfunden und gilt als Teil der eigenen Identitätsbildung. Die kognitive Komponente des Interesses bezeichnet die Notwendigkeit, ein Mindestmaß an Wissen über den Interessengegenstand zu besitzen, da gänzlich unbekannte Objekte weder als wichtig eingeschätzt werden können, noch kann überhaupt eine (möglicherweise als positiv empfundene) Beschäftigung mit diesen stattfinden (Krapp 2010a).

Blickt man auf die Struktur des Interessenkonstrukts (s. Abb. 1), so kann Interesse als langfristige bzw. dauerhafte Disposition einer Person auftreten (trait). Dieses, einer Person bereits immanente, individuelle Interesse kann im Unterricht durch die Lehrperson aufgegriffen und verstärkt werden und dadurch in ein aktualisiertes (individuelles) Interesse überführt werden (Thomas und Kirby 2020). Wird im Unterricht eine Thematik oder Arbeitsweise behandelt, für die grundsätzlich noch kein positives Interesse existiert, so kann die Lehrkraft durch die Interessantheit der Lernumgebung (bspw. die Materialauswahl oder das Lehrer*innenhandeln) ein vorübergehendes situationales Interesse hervorrufen, das zu erhöhter Lernmotivation (state) führt und in individuelles Interesse übergehen kann (Renninger und Hidi 2019; Krapp 2010a; Vogt 2007; Blankenburg und Scheersoi 2018). Auch im Angebots-Nutzungs-Modell (Helmke 2017) wird auf Interesse (bzw. darauf beruhende Lernmotivation) im Sinne der Person-Gegenstands-Theorie zum einen als veränderbare, einer Person innewohnende Lernvoraussetzung sowie zum anderen als konstituierendes Merkmal der Lernumgebung aufgefasst, die jeweils die Nutzung des unterrichtlichen Angebots beeinflussen.

Abb. 1
figure 1

Die relationale Struktur der Bedeutungsvarianten des Interessenkonstrukts. (Nach Krapp 1992c, S. 15)

Stellt die Person-Gegenstands-Theorie eine Rahmung der Interessenstruktur dar, so lässt sich diese je nach Anwendungsgebiet weiter charakterisieren: Im Bereich der Fachdidaktiken haben beispielsweise Upmeier zu Belzen und Vogt das neben dem Interesse bestehende „Nichtinteresse“ weiter in Desinteresse und Abneigung ausdifferenziert, wobei ersteres eher als Gleichgültigkeit und letzteres als Antipathie beschrieben werden kann (Vogt 2007). Im Rahmen der IPN-Interessenstudie wurde das Sachinteresse am Fach Physik noch feiner in die Komponenten Interesse an (1) einem Themengebiet, (2) einem Kontext und (3) einer Tätigkeit differenziert (Hoffmann et al. 1998; Häußler 1987; Häußler und Hoffmann 2000), was wohl allgemein auf das naturwissenschaftliche Sachinteresse übertragen werden kann (Krapp 2010b; Blankenburg und Scheersoi 2018). Hemmer und Hemmer (2010a) unterscheiden – stärker geographiespezifisch – bei der Erfassung des Interesses zwischen dem Interesse an geographischen Themen, Regionen, Arbeitsweisen, wobei insbesondere letztere situationales Interesse hervorrufen können (Krapp und Ryan 2002).

Während domänenübergreifend bereits vielfältige Erkenntnisse zu themen- sowie situationsspezifischem Interesse vorliegen, so ist dieses bezogen auf den Themenkreis Klimawandel nur relativ wenig und kaum ausdifferenziert empirisch erforscht.

Den Schwerpunkt des Forschungsstandes stellt daher die allgemeine geographiedidaktische Interessenstudie von Hemmer und Hemmer (2010a, 2017) dar, in deren Rahmen querschnittlich im Abstand von zehn Jahren in Bayern sowie (in der Studie im Jahr 2015 zusätzlich in) Nordrhein-Westfalen jeweils 1600 (1995, 2005) bzw. 3400 (2015) Schüler*innen der Jahrgangsstufen 5–11 verschiedener Schulformen untersucht wurden. Während das aus inhaltlicher Sicht etwas undifferenziert zusammengesetzte Item „Treibhauseffekt und Ozonproblematik“ 1995 mit einem Mittelwert von M = 3,74 (5-stufige Likert-Skala) noch Rangplatz 7 (von 50) erreichen und damit ein relativ interessantes Thema repräsentieren konnte, so erreichte das Item 2015 zwar einen positiven Interessenwert von M = 3,13; allerdings nur noch Rang 45 von 57 (Wert nur für Gymnasien in NRW, n = 800; Hemmer et al. 2019). Neben dem vergleichsweise geringen Schüler*inneninteresses ist weiterhin auffällig, dass das Item bei der 2015 ebenfalls durchgeführten Erhebung unter Lehrkräften mit M = 4,25 auf Rang 9 rangiert (Hemmer und Hemmer 2017), was eine diesbezügliche Diskrepanz im Interesse der Schüler- und Lehrer*innen offenbart. Der Themenkreis Treibhauseffekt wurde auch in nicht spezifisch geographischen Interessenstudien untersucht – während im Rahmen der ROSE-Studie (The Relevance of Science Education), die naturwissenschaftsbezogene Lernvoraussetzungen auf internationaler Ebene erforscht hat, bei deutschen und österreichischen Schüler*innen ebenfalls ein Interessensverlust bezüglich der Thematik festzustellen war (Elster 2007), so stößt das Thema im Zuge der geowissenschaftlichen Interessenstudie „Forschungsdialog System Erde“ des IPN auf hohes Interesse (Rang 2 von 11; vgl. Hemmer et al. 2005). Auf internationaler Ebene untersuchten Carman et al. (2017) in den Vereinigten Staaten das Interesse von 121 zwölf- oder dreizehnjährigen Schüler*innen an den Auswirkungen des Klimawandels auf Wälder und konnten dabei zumindest ein moderat positives Interesse (M = 3,60; 5‑stufige Likert-Skala) feststellen. Zwar ohne direkten Bezug zu Klimawandel, aber mit gewissen Überschneidungen untersuchte Trend (2005) im Vereinigten Königreich bei 652 elf- sowie 12-jährigen Schüler*innen das Interesse an Geowissenschaften, wobei die beiden gebildeten Subskalen Weather sowie Water and Oceans zumindest Verwandtschaften zum Themenkreis Klimawandel aufweisen. Erstgenannte konnte mit M = 1,92 (4-stufige Likert-Skala) Rangplatz drei, letztere mit M = 1,74 Rangplatz fünf von sieben erreichen, wobei alle sieben gebildeten Subskalen im negativen Interessenbereich (M < 2,5) blieben. Ein allgemeiner Überblick über geographiedidaktische Interessensforschung soll an dieser Stelle mit Verweis auf Hemmer (2010) unterbleiben.

Durch die mit dem Thema Klimawandel verbundene besondere Relevanz potenzieller Handlungen (als mögliche Zieldimension von Geographieunterricht), soll an dieser Stelle ein knapper Verweis auf Konzepte der Handlungsmotivation erfolgen, die eine Verbindung zum Interessenkonstrukt aufweisen: Gemäß dem Rubikon-Modell der Handlungsregulation werden Handlungen von motivationalen sowie volitionalen Phasen determiniert (Heckhausen und Heckhausen 2010). Interesse bezeichnet dabei „eine besondere Motivationsform, die durch die Ausrichtung auf einen bestimmten Gegenstand charakterisiert ist“ (Rheinberg 2010, S. 367; Krapp 1992b) und beeinflusst sowohl die prädezisionale als auch die postaktionale Phase der Handlungsregulation. In Eccles (2011) Erwartungs-mal-Wert-Modell findet das Interesse als ein Bestimmungsfaktor der Wert-Komponente Eingang in das Motivationskonzept (Krapp und Ryan 2002). Die Theorie des geplanten Verhaltens (TPB) fasst die durch Einstellungen, subjektive Normen sowie wahrgenommene Verhaltenskontrolle bestimmten Verhaltensintentionen als motivationale Bedingungsfaktoren einer möglichen Handlung (Ajzen 1991) und berücksichtigt so das Interesse, Krapp (1992b) bezeichnet individuelle Interessen sogar als „Handlungsbereitschaften“ selbst und grenzt diese von den nach Bandura als Selbstwirksamkeitserwartungen bezeichneten Komponenten des Interesses ab, die stets von konkretisierten Problemstellungen bzw. Zielen abhängen (Krapp und Ryan 2002). Interesse stellt daher einen bedeutenden Faktor für potenzielles Handeln dar – wenn auch nicht im Sinne eines kausalen Automatismus, sondern vielmehr als einen Einflussfaktor eines äußerst komplexen/vielschichtigen Prozesses.

Die Rolle von Kontexten in der Geographiedidaktik

Bereits mehrere naturwissenschaftsdidaktische Untersuchungen konnten die Bedeutung der Kontexte, in die Themen im Unterricht eingebettet sind, für die Entwicklung des situationalen Interesses herausstellen (u. a. IPN-Interessenstudie Physik (Hoffmann et al. 1998) bzw. Geowissenschaften (Hemmer et al. 2005; Hlawatsch et al. 2005); ROSE (Sjøberg und Schreiner 2010); piko (Mikelskis-Seifert und Duit 2007), PLON (Kortland 2005); Salters (Bennett et al. 2005)). Unter einem Kontext wird zunächst das In Beziehung Setzen oder Einordnen eines Lerninhaltes in einen größeren Zusammenhang verstanden (Gilbert 2006; Fechner 2009; Parchmann und Kuhn 2018). Eine eindeutige und scharf abgrenzbare Definition des Kontextbegriffes – so das überhaupt möglich ist (Goodwin und Duranti 1992) – findet sich in der Literatur allerdings bisher nicht (van Oers 1998; Parchmann und Kuhn 2018). Während die neuere naturwissenschaftsdidaktische Forschung der PISA-Definition folgt und unter Kontexten „life situations involving science and technology“ (OECD 2006, S. 25; Drechsel et al. 2011) versteht, so fassen andere Autoren darunter die konkreten Lernumgebungen, in denen ein Lernprozess stattfindet (Mikelskis-Seifert und Duit 2007; Finkelstein 2005). Ähnlich der Auffassung Muckenfuß (2004) werden Kontexte in diesem Beitrag als fachspezifische Betrachtungsweisen und Zugänge systematisiert, die verschiedene Blickwinkel auf ein fachliches Thema oder Themengebiet ermöglichen. Diese Systematisierung folgt dem Vorgehen prominenter naturwissenschaftsdidaktischer Interessenstudien (Hoffmann et al. 1998; Hemmer et al. 2005; Elster 2007; Bayrhuber et al. 2007) und ist nicht als Widerspruch zu obiger, auf lebensweltliche Problemsituationen ausgelegte Definition zu verstehen, sondern sieht diese als eine Komponente eines breiteren, an der spezifisch geographischen Fachsystematik orientierten Kontextverständnisses mit ähnlichen Zielsetzungen: Zum einen kann kontextorientierter Unterricht affektive Variablen wie das Interesse bzw. die Lernmotivation erhöhen und somit den Lernprozess unterstützen (Hemmer et al. 2005, 2011; van Vorst et al. 2015; Habig et al. 2018; OECD 2006) und zum anderen im Sinne der Ausbildung einer Scientific Literacy (OECD 2006; Nentwig et al. 2005) durch Variation der Kontextualisierung die Anwendung fachlicher Konzepte in alltäglichen bzw. außerunterrichtlichen Situationen und die Ausbildung einer inhaltlichen „mental map“ fördern (Gilbert 2006, S. 959; OECD 2006; Habig et al. 2018; Bayrhuber et al. 2007; van Vorst et al. 2015; Parchmann und Kuhn 2018; Muckenfuß 2004; Mandl und Kopp 2005). Kontextbasierter Unterricht stellt daher auch einen wesentlichen Baustein für die in allen naturwissenschaftsdidaktischen Bildungsstandards verankerte Kompetenzorientierung dar (Weinert 2014; KMK 2005; DGfG 2017; Bayrhuber et al. 2007; Bayrhuber und Elster 2006).

Zur Erörterung des Forschungsstandes kontextbasierter Interessenstudien muss vorwiegend auf die naturwissenschaftsdidaktischen Nachbardisziplinen der Geographiedidaktik verwiesen werden. Bezogen auf das den PISA-Studien zugrundeliegende, primär lebensweltliche Verständnis von Kontexten stellten van Vorst et al. (2015, 2018) eine erste allgemeine Systematisierung zur Beurteilung des Einflusses verschiedener Kontextmerkmale auf die Interessantheit von Kontexten im Chemieunterricht auf. Einen guten Überblick über den, vorwiegend internationalen, Forschungsstand zu kontextbasiertem naturwissenschaftlichem Lernen in diesem Begriffsverständnis geben Nentwig und Waddington (2005). Für das diesem Artikel zugrunde liegende, stärker an der Fachsystematik orientierte Kontextverständnis stellt die prominente IPN-Interessenstudie Physik (Hoffmann et al. 1998) die initiale Basis dar, deren eher thematische Unterscheidung von Kontexten auch van Vorst et al. (2018) eine wesentliche Bedeutung beimisst. Diese über sechs Jahre (1984–1989) in sechs westdeutschen Bundesländern mit Längs- sowie Querschnittselementen durchgeführte Studie konnte zeigen, dass Kontexte verglichen mit dem physikalischen Fachgebiet bzw. der Tätigkeit einen wesentlich größeren Einfluss auf das Sachinteresse an Physik haben. Als am interessantesten wahrgenommen werden dabei grundsätzlich anwendungsbezogene, alltägliche, gesellschaftliche oder zum Staunen veranlassende Kontexte (Häußler und Hoffmann 1995). Die ROSE-Studie (Relevance Of Science Education) konnte für deutsche und österreichische Teilnehmer*innen ein besonderes Interesse an Kontexten „in Zusammenhang mit Gesundheit, Fitness, Mystik und Spektakulärem“ (Elster 2007, S. 2) feststellen. Aus geographiedidaktischer Sicht besonders relevant ist die im Rahmen des Projektes „Forschungsdialog System Erde“ durchgeführte Studie zum Interesse an geowissenschaftlichen Themen (Hemmer et al. 2005; Hlawatsch et al. 2005), in der das Interesse an (den in Tab. 1 dargestellten) Themengebieten und Kontexten sowohl systematisch kombiniert als auch getrennt voneinander erfasst wurde. Bei den 333 Proband*innen der gymnasialen Oberstufe in Bayern, NRW und Schleswig-Holstein ergab sich erwartungsgemäß eine Abhängigkeit des Sachinteresses vom Kontext. Allgemein bestand ein verhältnismäßig hohes Interesse an den Kontexten Individuum, Gesellschaft und soziale Verantwortung, für Mädchen zusätzlich besonders an dem systemischen Kontext, bei Jungen am wissenschaftsmethodischen. Bezogen auf die Themengebiete wurde der Klimaänderung – wie bereits erwähnt – relativ hohes Interesse entgegengebracht, wofür insbesondere die Kontexte K1, K4, K5 sowie K7 ausschlaggebend waren. Hemmer et al. (2011) erfassten kontextbasiert das Interesse von 297 Schüler*innen der Jahrgangsstufe 6 (Haupt‑, Realschule und Gymnasium) aus NRW an Naturkatastrophen. Auch hier stellte sich der individuelle Kontext als besonders interessant heraus, während dem wissenschaftsmethodischen Kontext leicht negatives Interesse entgegengebracht wurde.

Tab. 1 Themengebiete und Kontexte des geowissenschaftlichen Teils von „Forschungsdialog System Erde“. (Nach Hemmer et al. 2005, S. 61)

Methodik

Ziel der vorliegenden Arbeit ist die Entwicklung und Validierung eines Instrumentes zur Messung des Interesses an den aus der Sicht der Schüler*innen hinter dem Themenkreis Klimawandel stehenden Strukturen. Da auf Basis des gegenwärtigen Forschungsstandes unklar ist, ob sich diese latenten Strukturen eher auf inhaltliche Facetten oder unterrichtliche Kontexte des Klimawandels beziehen und in welchem Maße diese in den Augen der Schüler*innen ausdifferenziert sind, werden Skalen entwickelt, die zum einen das Themengebiet aus geographisch-fachlicher bzw. geographiedidaktischer Sicht und zum anderen unterrichtliche Kontexte (systematisiert als geographische Fachsystematik bzw. Betrachtungsweisen) berücksichtigen. Aufgrund der besonderen fachlichen Nähe sollen die in Tab. 1 dargestellten Kontexte der IPN-Studie zum Interesse an Geowissenschaften (Hemmer et al. 2005) als Basis für eine klimawandelspezifische Kontextauswahl (s. Abschn. 3.1) dienen.

Fachlich-inhaltliche Vorüberlegungen zur Itementwicklung

Zur Entwicklung von Items, die das kontextbezogene Schüler*inneninteresse am Klimawandel inhaltsvalide erfassen, war es zunächst erforderlich, die Thematik sowohl aus geographisch-inhaltlicher Sicht als auch auf Ebene der geographiedidaktisch-unterrichtlichen Kontexte zu strukturieren. Die komplexe Thematik Klimawandel, die verschiedene geographische Sphären sowie deren Interaktion umfasst (Jacobeit 2007), sollte dabei in ihrer Prozesshaftigkeit durchaus ganzheitlich erfasst werden, keineswegs konnte es allerdings Ziel der Strukturierung sein, einzelne Details oder Spezifika explizit einzubeziehen. Die Thematik wird daher analog zu IPCC (2014) in die drei Bereiche Ursachen, Folgen und Gegenmaßnahmen strukturiert, wobei unter letzterem sowohl Anpassungs- als auch Vermeidungsstrategien gefasst werden. Auch wenn diese, auch in der Literatur häufig herangezogenen Bereiche (u. a. Rahmstorf und Schellnhuber 2019; Oelgeklaus 2012; Siegmund 2008) den Themenkreis Klimawandel nicht in seiner Gänze umfassen, zeichnen sie sich durch eine besondere gesellschaftliche und didaktische Relevanz aus. Zur Auswahl der relevanten Kontexte wurden die Vorschläge von Hemmer et al. (2005) (s. Tab. 1) herangezogen, die sich zum Teil auch mit den geographiedidaktischen Basiskonzepten (Fögele 2018) decken. Die der Itementwicklung letztendlich zugrunde gelegten Kontexte sind in Abb. 2 ersichtlich.

Abb. 2
figure 2

Schematisches Raster zur Itemgenerierung

Um ein möglichst komprimiertes und so auch in der Unterrichtspraxis einsetzbares Messinstrument zu erhalten, musste – auch unter Inkaufnahme eines gewissen Informationsverlustes – eine themenbezogene Auswahl bzw. Priorisierung der Kontexte vorgenommen werden. Das Kontextpaar individuell – gesellschaftlich spielt insbesondere dahingehend eine Rolle, weil es sich beim Klimawandel um ein potenziell handlungs- sowie zukunftsrelevantes Thema handelt, das von deutschen Schüler*innen allerdings tendenziell als „Fernthema“ wahrgenommen wird (Schuler 2009; Höhnle 2014). Offen ist, ob eher an der individuellen oder gesellschaftlichen Dimension dieses Themenkreises Interesse besteht. Auf die inhaltlich für die Thematik zwar äußerst relevanten Kontexte normativ/soziale Verantwortung, (nicht) systemisch sowie erdgeschichtlich/zeitlich wurde im Vergleich zu Hemmer et al. (2005) zugunsten einer differenzierten räumlichen Kontextebene verzichtet. Raum stellt die zentrale Kategorie der Geographie dar und wird u. a. „auf unterschiedlichen Maßstabsebenen“ (DGfG 2017, S. 6) analysiert. Da die damit einhergehende geographiespezifische Analysestruktur für den Klimawandel durch die räumliche Entkopplung der einzelnen Prozesskomponenten eine herausgehobene Stellung einnimmt, wurde der räumliche Kontext gemäß dem Basiskonzept Maßstabsebenen(wechsel) in die Kategorien regional, national und global ausdifferenziert (Chang und Pascua 2017; Fögele 2018). Der weiterhin berücksichtigte wissenschaftsmethodische Kontext ist vor allem dahingehend relevant, dass dieser typisch geographische Arbeitsweisen erfasst sowie den Klimawandel im Licht stetiger wissenschaftlicher Weiterentwicklung (IPCC 2014) betrachtet, durch die Jugendliche permanent mit einer Fülle an mehr oder weniger seriösen Neuinformationen konfrontiert werden. Auch mit Blick auf den aktuellen Forschungsstand scheint die Untersuchung dieses Kontextes besonders relevant, so liegen hier – z. B. in Verbindung mit dem Thema Erdbeben/Naturkatastrophen – ambivalente Befunde bezüglich des Interesses vor (Hemmer et al. 2005, 2011).

Itemanalyse und Skalenentwicklung /-bildung

Um die Komplexität der Studie zu reduzieren und ein handhabbares Messinstrument im Sinne einer hohen ökologischen Validität (Döring und Bortz 2016) zu generieren, wird das Interesse in Anlehnung an die IPN-Studien grundsätzlich als globales Konstrukt gemessen. Aufgrund der besonderen Bedeutung der Kontexte für die Interessensgenese (Häußler 1987; Häußler und Hoffmann 1995; Hemmer und Hemmer 2010b) sind alle Items allerdings so strukturiert, dass sie neben dem Interesse an einer Inhaltskomponente des Klimawandels stets auch das Interesse an einem unterrichtlichen Kontext erfassen. Die inhaltlichen Komponenten sowie Kontexte wurden daher systematisch kombiniert und jedes Feld (s. Abb. 2) mit zwei Items besetzt. Es ergab sich ein Fragebogen mit 36 Items, die zur Minimierung unerwünschter Reihenfolgeeffekte (Döring und Bortz 2016) zufällig angeordnet wurden. Die Fragebogenerhebung mit einer Dauer von zehn Minuten fand im Rahmen einer Informationsveranstaltung für ein universitäres Kooperationsprojekt mit Schulen zwischen Januar und März 2020 an einer für explorative Faktoranalysen zumindest ausreichend großen Stichprobe (Bühner 2011) von 144 Schüler*innen der Jahrgangsstufen 10 und 11 zehn bayerischer Gymnasien vor Behandlung des Themas Klimawandel statt. Um eine Antworttendenz zur Mitte zu vermeiden, erfolgte die Bewertung der Aussagen abweichend zu Hemmer et al. (2005) anhand einer sechsstufigen likertartigen Skala (Döring und Bortz 2016) mit den Extremen interessiert mich gar nicht (1) bzw. interessiert mich sehr (6). Da die Erhebung ausschließlich der Aufdeckung der Faktorenstruktur diente, wurden keine biographischen Kontrollvariablen erhoben. Die Auswertung der Daten erfolgte mit IBM SPSS Statistics 26. Eine Analyse der fehlenden Werte brachte dabei nur bei vier Items Datenlücken hervor (insgesamt 0,14 % fehlende Werte). Little’s MCAR-Test (χ2 = 257,32; df = 174; p < 0,001) konnte das völlig zufällige Fehlen der Werte nicht nachweisen, es kann allerdings mangels jedweder erkennbarer Systematik der Datenlücken von Missing At Random ausgegangen werden (Lüdtke et al. 2007). Die fehlenden Werte wurden daher mittels des sowohl für Faktoren- als auch Reliabilitätsanalysen grundsätzlich gut geeigneten EM-Algorithmus imputiert, da dieser die Verletzung der Normalverteilungsannahme bei nur sehr geringer Datenausfallquote gut toleriert und derartige Verfahren trotz fehlender Berücksichtigung von Residualvarianzen (Graham 2009) zu „valideren Ergebnissen führen als die klassischen Ansätze“ (Lüdtke et al. 2007, S. 116) der Datenimputation.

Da explizit kein zu prüfendes Theoriemodell vorliegt, sondern die Items lediglich auf Basis einer theoriegeleiteten Matrix konstruiert wurden, wurde zur Aufdeckung der empirisch beobachteten Faktorenstruktur eine explorative Faktorenanalyse durchgeführt. Die grundsätzliche Eignung dieser Analyseform wurde mittels des Kaiser-Meyer-Olkin-Koeffizienten (KMO), des Barlett-Tests sowie der Anti-Image-Kovarianz-Matrix überprüft. Sowohl KMO = 0,924 (marvelous), Barlett-Test (χ2 = 3617,58; df = 630; p < 0,001) als auch die Anti-Image-Matrix sprechen nicht gegen die Eignung der Korrelationsmatrix für eine Faktorenanalyse (Bühner 2011; Backhaus et al. 2016).

Als Extraktionsmethode wurde die gebräuchliche Maximum-Likelihood-Analyse (ML) gewählt, da latente Dimensionen hinter der Variablenstruktur vermutet werden; zur Bestimmung der Faktorenzahl wurde allerdings zunächst eine Hauptkomponentenanalyse durchgeführt (Bühner 2011). Während der optische Scree-Test die Extraktion nur eines Faktors und die Parallelanalyse nach Horn zwei Faktoren vorschlägt, empfiehlt der Minimum-Average-Partial-Test (MAP), der den beiden erstgenannten Analysen unter den gegebenen Bedingungen vorzuziehen ist (Bühner 2011), die Extraktion von fünf Faktoren. Gemäß dem Kaiser-Guttmann-Kriterium (Eigenwert > 1) sind 7 Faktoren zu extrahieren, aufgrund der hohen Reliabilität der Gesamtskala (α = 0,960) kann dieses Kriterium auch bedenkenlos herangezogen werden (Bühner 2011). Der im Zuge der späteren ML-Analyse durchgeführte Chi2-Test auf Güte der Anpassung zeigt allerdings keine perfekte Passung mit den Daten (χ2 = 506,94; df = 399; p < 0,001; Schendera 2010). Mit einem RMSEA = 0,04 erreicht das Modell allerdings einen ausreichenden approximativen Fit (Moschopoulos 1983; Browne und Cudeck 1993). Als Rotationmethode wurde aufgrund der zum Teil hohen Interfaktorenkorrelation die oblique Promax-Rotation (κ = 4) gewählt (Bühner 2011).

Ergebnisse

Es ergaben sich fünf sinnvoll interpretierbare Faktoren (s. Tab. 2), die anfänglich 57,73 % der Gesamtvarianz des Modells aufklären konnten. Die Korrelation der extrahierten Faktoren ist insbesondere zwischen den ersten beiden Faktoren mit r = 0,730 relativ hoch, die eigenständige Interpretierbarkeit eines Faktors gilt analog zu PISA bei Interfaktorkorrelationen bis r = 0,85 als gegeben (Walter und Taskinen 2008). Substanzielle Doppelladungen (>0,30) kamen nur in wenigen Fällen vor und konnten sowohl auf Basis inhaltlicher Überlegungen als auch des Fürntratt-Kriteriums (Fürntratt 1969) stets eindeutig einem Faktor zugeordnet werden, eine Einfachstruktur liegt demnach vor (Döring und Bortz 2016). Variablen mit Faktorladungen < 0,55 sowie Faktoren mit weniger als drei Variablen wurden gemäß Schenderas (2010) Empfehlung bei der Skalenbildung nicht berücksichtigt Die Split-Half-Reliabilität der Skalen mit einem Spearman-Brown-Koeffizienten von 0,804–0,923 sowie die interne Konsistenz mit Cronbachs-Alpha von 0,821–0,925 liegen mit Ausnahme einer Skala (α = 0,748; r = 0,766) für alle Skalen im mittleren bis hohen Bereich. Die Itemschwierigkeiten liegen mit einem Mittelwert des Schwierigkeitsindex von 0,68 zwar eher im höheren (d. h. leichteren) Bereich, die von Döring und Bortz (2016) vorgeschlagenen Grenzwerte von 0,20 bzw. 0,80 werden allerdings von keinem Item unter- bzw. überschritten.

Tab. 2 Mustermatrix der Promax-rotierten Maximum-Likelihood-Analyse sowie Reliabilitätskennzahlen und Mittelwerte der identifizierten Skalen

Die erste Skala (Handlung; Items 01–07) beschreibt den klimawandelbezogenen Handlungskontext sowohl auf individueller als auch gesellschaftlicher Ebene. Aus inhaltlichen Überlegungen musste aus der Skala ein Item (Wie sich der Klimawandel auf mich persönlich auswirkt …) entfernt werden. Items 08–13 bilden die Skala räumliche Nähe, die einen (sozial-)räumlich begrenzten unterrichtlichen Kontext des Klimawandels darstellt, bezogen auf die inhaltlichen Bereiche des Klimawandels allerdings durchaus ausdifferenziert ist. In Abgrenzung dazu werden die eher globalen Ursachen des Klimawandels in der dritten Skala (Items 14–16) dargestellt. Die vierte Skala (Items 17–20; Messung/Methodik) repräsentiert den forschungsmethodischen Kontext des Klimawandels, ohne dabei die eigene, handelnd-aktive Anwendung naturwissenschaftlicher Arbeitsweisen durch die Schüler*innen zu fordern. Die fünfte Skala (Items 21–23) beleuchtet als Pendant zur Ursachen-Skala die globalen Folgen des Klimawandels.

Diskussion

Ziel der vorgestellten Studie war die Konstruktion und Faktorenanalyse eines Fragebogens zum Interesse von Schüler*innen am Thema Klimawandel bzw. der aus Sicht der Schüler*innen hinter dem Klimawandel stehenden latenten Strukturen. Diese an den Perspektiven der Schüler*innen orientierte Ausdifferenzierung stellt einen für die Geographiedidaktik neuen Befund dar. Auf Basis des bisherigen Forschungsstandes konnte keine hypothesenprüfende konfirmatorische Faktorenanalyse, sondern zunächst eine hypothesengenerierende explorative Faktorenanalyse durchgeführt werden. Einschränkend muss allerdings erwähnt werden, dass die Ausrichtung an den Schüler*innenperspektiven zwangsläufig mit einer Lösung von den fachlich-inhaltlichen Strukturen einhergeht, sodass in Kauf genommen werden muss, dass Teile der Fachsystematik nicht abgebildet werden. Dies zeigt sich bereits bei der selektiven Auswahl der unterrichtlichen Kontexte im Zuge der Entwicklung des Messinstrumentes. Durch die anschließende Itemreduktion im Zuge der Skalenbildung geht zwar ein weiterer Informationsverlust einher, allerdings entstand so eine Skala mit nur 23 Items, die sich aufgrund ihrer zeitökonomischen Handhabbarkeit insbesondere auch für den Einsatz in der Unterrichtspraxis eignet. Zur ersten Erprobung wurde der Fragebogen zunächst nur am Gymnasium an einer eher kleinen Stichprobe eingesetzt und keine zusätzlichen Kontrollvariablen erhoben, was die Verallgemeinerbarkeit der gefundenen Strukturen einschränkt und ihren explorativen Charakter aufzeigt. Daher scheint es angezeigt, die gefundenen Skalen, die in einer weiteren Studie als Ausgangsmodell herangezogen werden können, einem hypothesenprüfenden Verfahren (z. B. einem Strukturgleichungsmodell) zu unterziehen. Im Zuge der Itemanalyse ergaben sich sowohl kontextuelle (Handlung, räumliche Nähe, Messung/Methodik) als auch inhaltlich-thematische (globale Ursachen, globale Folgen) Skalen. Eine tiefergehende Betrachtung der einzelnen Skalen zeigt aber, dass die unterrichtlichen Kontexte im Sinne von fachspezifischen Zugängen für die Struktur der Schüler*innen leitend sind: Obwohl sich für sowohl Ursachen als auch Folgen des Klimawandels eigene Skalen bilden, finden sich besonders in den Skalen Handlung sowie räumliche Nähe alle Items zu Ursachen oder Folgen, die einen Handlungs- bzw. Nahraumbezug (im Sinne eines sowohl objektiv-realistischen als auch subjektiv-konstruktivistischen Nahraum- bzw. Heimatverständnisses) aufweisen. Hierbei fällt in beiden Skalen die starke Konzentration von Items mit individuellem und etwas abgeschwächt mit national-gesellschaftlichem Bezug auf. Dies signalisiert, dass der Klimawandel durchaus als „Handlungsthema“ und bezogen auf klimarelevante Handlungen durchaus eine individuelle Verantwortung der Proband*innen wahrgenommen wird. Besonders relevant erscheint dieser vor dem Hintergrund, dass kontextbezogene Interessenforschung bisher lebensweltliche Kontexte sowohl individueller als auch gesellschaftlicher Ausprägung als besonders interessenförderlich herausstellen konnte (u. a. Häußler und Hoffmann 1995; Hemmer et al. 2005; Hemmer und Hemmer 2010b). Dies kann analog daher auch für die Kontexte Handlung sowie räumliche Nähe erwartet werden, in denen sich Items dieser beiden Bereiche konzentrieren. Dieser lebensweltliche Kontext äußert sich bezogen auf den Klimawandel in dichotomer Ausprägung – zum einen bezogen auf (sozial-)räumliche Nähe und zum anderen auf einer handlungsbezogenen Ebene. Die besondere Bedeutung dieser beiden Kontexte als Determinanten des Interesses wird auch durch deren hohe Varianzaufklärung verdeutlicht (kumuliert 49 % bei insgesamt 61 % aufgeklärter Varianz). Die Skalen globale Ursachen sowie globale Folgen sind folgerichtig schwerpunktmäßig mit Variablen des globalen Maßstabs besetzt und untermauern, dass unterrichtliche Konstellationen mit handlungs- oder nahraumspezifischen Bezügen von Schüler*innen im Licht dieser Kontexte wahrgenommen werden und sich erst darüber hinaus auf die Inhaltsbereiche des Klimawandels ausdifferenzieren. Während zur Messung des Interesses an der globalen Maßstabsebene des Klimawandels die beiden Kontexte globale Ursachen und globale Folgen gemeinsam herangezogen werden können, ist eine zielgenaue Erfassung des Interesses an z. B. allgemeinen Ursachen oder Folgen wohl nur eingeschränkt möglich, da die regionale Komponente als das Interesse determinierender Faktor nicht gänzlich eliminiert werden kann. Obwohl die vorliegende Stichprobe valide inhaltliche Interpretationen des Interesses nur begrenzt zulässt, liegt mit Blick auf die Mittelwerte der Skala Messung/Methodik zumindest die Vermutung nahe, dass dieser Kontext ein vergleichsweise niedriges Interesse hervorruft, weshalb bei methodenspezifischem Klimawandelunterricht didaktisch besonders umsichtig vorgegangen werden sollte. Der bisherigen Argumentation folgend wäre es durchaus vertretbar, die Skalen globale Ursachen sowie Folgen aus dem Messinstrument zu entfernen; um den Informationsverlust allerdings möglichst gering zu halten, werden diese vorerst beibehalten. Zu überlegen ist weiterhin, den Fragebogen um die für den Themenkreis Klimawandel äußerst relevante politische Dimension zu erweitern, da entsprechende Items aus messmethodischen Gründen gänzlich aus dem Fragebogen entnommen werden mussten. Für die Skala räumliche Nähe sollte in Form einer qualitativen Interviewstudie geprüft werden, ob Heimat (in Abgrenzung von z. B. der Formulierung Wohnort) von den Schüler*innen tatsächlich individuell interpretiert wird oder – entgegen der Intention der Autoren – in einem objektiv-realistischen Sinne ausgelegt wird. Da der Fragebogen unabhängig von Klimawandelunterricht eingesetzt wurde, liegt nahe, dass dieser schwerpunkmäßig das individuelle Interesse bzw. die trait-Komponente des Interesses misst. Dies stellt im Sinne einer intrinsischen Motivation oder gar Handlungsbereitschaft eine wesentliche Grundlage für klimabezogenes Handeln dar und deckt sich mit der besonderen Bedeutung der Skala Handlung in dieser Studie.

Die entwickelten Skalen schaffen die Voraussetzungen, das Interesse am zunehmend aktueller werdenden Thema Klimawandel zu erfassen sowie die interessenbezogene Wirksamkeit unterrichtlicher Interventionen zu überprüfen, wodurch eine wertvolle Voraussetzung für künftigen Klimawandelunterricht und fachdidaktische Forschung geschaffen wird.