Sehr geehrte LeserInnen und Leser,

Alkohol, die Volksdroge Nummer 1, nicht nur in Österreich, sondern auch in großen Teilen der Welt [1]. Betrüblicherweise konnten in den letzten Jahrzehnten jedoch nur marginale Verbesserungen im Bereich der spezifischen Behandlung alkoholkranker Menschen bewirkt werden. Seitens der medikamentösen Therapie sind in Österreich derzeit 2 Anticraving-Präparate zur Rückfallsprophylaxe zugelassen, Acamprosat und Naltrexon. Acamprosat war allerdings nur in europäischen Studien Placebo überlegen, in amerikanischen Studien zeigte sich hier keine bessere Wirkung [2, 3]. Die Problematik hinsichtlich Naltrexon ist, dass sich keine Evidenz bezüglich einer Wirkung bei Behandlungsdauer von über 6 Monaten findet. Das Medikament Nalmefene, ebenfalls wie Naltrexon antagonistisch an Opiodrezeptoren wirkend, ist zwar in Österreich mit der Indikation Trinkmengenreduktion zugelassen, wird aber mangels Nachweis der Überlegenheit im Vergleich mit Naltrexon nicht durch die Krankenkasse ersetzt, und spielt daher im klinischen Alltag auch nur eine untergeordnete Rolle. Die weiteren zugelassenen Medikamente die ursächlich den Verlauf der Alkoholerkrankung beeinflussen sollten, werden im klinischen Alltag kaum eingesetzt. Einerseits wäre hier Disulfiram (Antabus) zu nennen, das in Kombination mit Alkohol zur potential letalen Alkoholunverträglichkeitsreaktion führt, und andererseits Gamma-Hydroxybuttersäure (Alcover), die in Österreich einerseits zum Alkoholentzug, aber andererseits auch, unter Vorrausetzung einer engmaschigen medizinischen Betreuung, zur Substitution zugelassen ist. Aufgrund der möglichen Gefahr einer Suchtverschiebung oder missbräuchlichen Verwendung, wird dieser Wirkstoff, abgesehen von wenige Spezialinstitutionen wie unter anderem an der Medizinischen Universität Wien, jedoch kaum verwendet. Dies ist insofern bedauerlich, als auch eine Cochran-Review eine sehr gute Wirksamkeit von Gamma-Hydroxybuttersäure nahelegt [4].

Zusammenfassend gibt es 5 in Österreich zugelassene Medikamente, wobei 3 davon kaum bis nie eingesetzt werden, weshalb in der Praxis lediglich 2 zur Verfügung stehen. Da die Alkoholerkrankung aber zumeist durch einen chronisch rezidivierenden Verlauf gekennzeichnet ist, hat man ab dem 3. stationären Entzug kein Alternativpräparat mehr zur Verfügung das man den PatientInnen anbieten kann. In diesen Fällen bleiben dann nur noch medikamentöse Therapieversuche mit Off-Label-Präparaten, die es zumindest einen gewissen Grad an wissenschaftlicher Evidenz aufweisen. Als Beispiele sind hier Baclofen, Gabapentin, Pregabalin, und Ondansetron zu nenen [5,6,7].

Besonders betrüblich wird Auswahl der möglichen medikamentösen Therapie bei Menschen mit fortgeschrittener Alkoholerkrankung, welche zusätzlich bereits eine alkoholbedingte Leberzirrhose entwickelt haben. Hier schränkt sich die Auswahl insofern dramatisch ein, als dass von den zugelassenen Medikamenten keines mehr gegeben werden darf, lediglich bei Acamprosat besteht in diesem Fall keine absolute Kontraindikation [8]. Dies ist besonders kritisch, da gerade diese Gruppe, somatisch und psychisch schwer erkrankter Patienten, einen besonders großen Bedarf hätte durch medikamentöse Therapie in ihrer Stabilisierung unterstützt zu werden. Dies wird durch Daten welche die dramatisch schlechte Prognose für PatientInnen mit einer Leberzirrhose darstellen, unterstrichen: Das Risiko zu Versterben ist für PatientInnen mit kompensierter Leberzirrhose 5‑fach, bei dekompensierter Leberzirrhose sogar 10-fach höher als das der Allgemeinbevölkerung [9]. In einer dänischen Studie mit 466 Menschen welche an einer alkoholbedingten Leberzirrhose erkrankt waren, zeigten sich selbst in der „gesundesten Subgruppe“ – PatientInnen ohne somatischen Komplikationen aufgrund der Leberzirrhose, wie z. B.: Aszites – Mortalitätsraten von 17 % nach 1 Jahr und 58 % nach 5 Jahren [10].

Wie bekannt, wäre hier eine Lebertransplantation der einzig kurative Ansatz. Listabarth et al., haben sich in Ihrer Arbeit diesem Thema gewidmet und versucht bestmöglich zu berechnen, wie vielen Menschen mit einer alkoholbedingten Leberzirrhose es in Österreich gelingt ein neues Organ zu erhalten. Dies ist ein verschwindend kleiner Anteil von lediglich 4 %, wobei es starke regionale Unterschiede gibt.

Zwei der weiteren vorliegenden Arbeiten diskutieren die Folgen von Alkoholerkrankungen für besonders vulnerable Gruppen. Jugendliche und junge Erwachsene stehen im Fokus der Arbeit von Skala et al., die einen Überblick über verschiedenste Aspekte – epidemiologische Entwicklungen, gesetzliche Grundlagen, spezifische Risikofaktoren und neurobiologische Spezifika – dieser Subpopulation gibt. Hervorzuheben ist hier vor allem das gefährliche Zusammenspiel zwischen der Prädisposition zu risikoreichem Konsum einerseits und der erhöhten Suszeptibilität gegenüber alkohol-bedingten neuro-kognitiven Entwicklungsstörungen andererseits. Eine weitere besonders vulnerable und vor allem aufgrund der Implikationen für die nächste Generation relevante Gruppe stellen schwangere Frauen im Zusammenhang mit Alkoholkonsum bzw. einer Alkoholerkrankung dar. Der Fallbericht von A. Gmeiner beschreibt einige der Herausforderungen die bei der Behandlung von Schwangeren mit einer Alkoholabhängigkeit auftreten können. Dabei wird mit dem „Fetal Alcohol Spectrum Disorders“ auf ein weiteres hochrelevantes, aber bis jetzt oft vernachlässigtes Thema – laut einer rezenten Publikation sind in Europa bis zu 20 von 1000 Menschen von dieser Erkrankung und ihren schwerwiegend Folgen betroffen [11] – angesprochen.

Auch wenn medikamentös gestützte Alkoholentzüge natürlich einen wesentlichen Teil der klinischen Routine in unserem Bereich ausmachen, können im Rahmen dieser, trotz entsprechender präventiver Maßnahmen, doch auch immer wieder kritische Komplikationen auftreten. In der Arbeit von Proskynitopoulos et al. wird die Diagnose, Behandlung und Prognose der zentralen pontinen Myelinolyse, einer der vielleicht schwerwiegendsten Komplikationen abgesehen vom Delirium tremens und dem Wenicke-Korsakoff-Syndrom, welche während der akuten Detoxifikationphase auftreten kann, im Rahmen eines konkreten Fallbeispiels illustriert.

Dieses Heft soll einen Überblick über aktuelle Themen und Herausforderungen der Klinik und der Forschung im Bereich der Alkoholerkrankung bieten, aber auch dazu beitragen diese Erkrankung, welche mitunter immer noch bagatellisiert wird und deren Prävalenz gemeinhin unterschätzt wird, in unser aller Bewusstsein zu rufen.