Zusammenfassung
2020 jährt sich die Errichtung der ersten psychiatrischen Lehrstühle und Universitätskliniken in Österreich in Wien und Graz 1870 zum 150. Mal. Dieser Höhepunkt in der Entwicklung der medizinischen Disziplin Psychiatrie ist der Anlass, die schrittweise Entwicklung zu diesem Höhepunkt und ihre Beziehung zur Entwicklung der Institutionen der Versorgung psychisch Kranker vor allem am Beispiel von Wien zu skizzieren. Dabei können vier Perioden der Entwicklung unterschieden werden: (1) Die Errichtung von ‚Anstalten‘, die vorerst ärztlich von anderen Abteilungen allgemeiner Krankenhäuser und von nicht qualifiziertem ‚Wartpersonal‘ betreut wurden (Spätes 18. Jahrhundert bis über die Wende zum 19. Jahrhundert). (2) Dann die Verselbständigung dieser ‚Anstalten‘ und die Entstehung von ‚Irrenärzten‘, die begonnen haben, ihre Tätigkeit zu reflektieren und ihre Erfahrungen auch auf akademischem Boden weiterzugeben, auch in der Form eines ersten österreichischen Lehrbuches (Erste Hälfte des 19. Jahrhunderts). (3) Seit den 1850er-Jahren eine Mehrzahl von psychiatrischen Habilitationen, zum Teil mit forensischem beziehungsweise hirnanatomischem Schwerpunkt und schrittweise Etablierung eines akademischen psychiatrischen Unterrichtes, wieder unterstützt von einem neuen Lehrbuch, auch im Zusammenhang mit einer neuen ‚Irrenanstalt‘ und die Gründung eines wissenschaftlichen Vereines für Psychiatrie und forensische Psychologie 1868, von dem (4) die Initiative zur Errichtung eines Lehrstuhles und einer universitätsklinischen Abteilung für Psychiatrie in der Irrenanstalt 1870 ausgegangen ist.
Summary
The first psychiatric chairs and university departments of psychiatry in Austria were founded in Vienna and Graz in 1870: hence they celebrate their 150th anniversary this year 2020. These foundations represent a peak in the development of psychiatry as a scientific medical discipline. It is the aim of this paper to sketch that step by step development in its connection with the development of care institutions of the time and with reference to important personalities in the field. Vienna—as the metropole of the state and the most prominent place in the field—is taken as an example. One can distinguish four developmental periods: (1) The establishment of care institutions (asylums), at first without an own medical staff and unqualified male and female keepers (late 18th century up to early 19th). (2) The growing independance of these institutions—in Vienna the ‚Tower of Fools‘—and the emergence of ‚alienists‘ who began to reflect on their activities and to share their experiences on academic grounds and the publication of a first Austrian textbook (1st half of 19th century). (3) From the 1850s on several alienists habilitated, partly with special emphasis on forensic psychology or cerebral anatomy and physiology, and developed a systematic academic teaching, again with a new ‚modern‘ textbook, in some connection with a new care institution, and the foundation of a scientific association of psychiatry and forensic psychology in 1868. (4) An early activity of that association was to call for the institution of a chair and a university department of psychiatry within the asylum, both realised in 1870.
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17 November 2020
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Notes
Hier und in ähnlichen Fällen später folge ich den Personalakten der Medizinischen Fakultät im Archiv der Universität Wien, die alphabetisch archiviert sind.
Die Angaben zu seiner Biographien stimmen in den Quellen nicht immer überein. Ich folge seinem eigenen Lebenslauf bei seinem Habilitationsakt im Wiener Universitätsarchiv.
Die von Skoda auf Grund von Qästurdaten angefertigte Tabelle über die Frequenzen der angekündigten psychiatrischen Vorlesungen in den frühen 1860er-Jahren sind die einzige im Universitätsarchiv erhaltene Quelle darüber.
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Gabriel, E. Die Formierung einer medizinischen Disziplin: Psychiatrie in Österreich im 19. Jahrhundert. Neuropsychiatr 34, 101–107 (2020). https://doi.org/10.1007/s40211-020-00357-7
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DOI: https://doi.org/10.1007/s40211-020-00357-7
Schlüsselwörter
- Psychiatrie in Wien
- Psychiatrie im 19. Jahrhundert
- Ernst Freiherr von Feuchtersleben
- Maximilian Leidesdorf
- Ludwig Schlager
- Theodor Meynert