Sehr geehrte Leserinnen und Leser,

die ÖGPP hat sich in den letzten Jahren wieder verstärkt mit der Aufarbeitung der Geschehnisse während der Zeit der NS Psychiatrie und deren Folgen von der Nachkriegszeit bis in die Gegenwart beschäftigt, wiewohl bereits in der Ära der gemeinsamen Fachgesellschaft mit der Neurologie und ebenso fortgesetzt ab der Zeit der eigenständigen Fachgesellschaft eine Reihe von Aktivitäten gesetzt worden war.

Es gab und gibt mehrere gute Gründe dafür – zum einen waren trotz zahlreicher hervorragender österreichischer psychiatrischer Publikationen aus den 1980er und 90er, bis Anfang der 2000er Jahre, ebenso zahlreicher Gedenkveranstaltungen in dieser Zeit einige hochberechtigte Fragen offengeblieben, vor allem die ersten 3 bis 4 Nachkriegsjahrzehnte betreffend. Zum anderen schien sowohl Wissen als auch Interesse an diesem grauenvollen Kapitel der Psychiatriegeschichte abzunehmen, was weder dem Ausmaß der Katastrophe noch dem Verstehen der Folgen, die nach Meinung mancher (inklusive mir selbst) massiv bis in die Gegenwart reichen, gerecht wird. Zudem gab es gerade in der Präsidentschaft meines Vorgängers, Univ.-Prof. Dr. Christian Haring, neue Funde in der Psychiatrie in Hall, eine daraus resultierende öffentliche Diskussion und eine große Bereitschaft und Offenheit diesen Diskurs, auf der Basis der Erkenntnisse aus historischer Forschung, zu führen.

Diese Offenheit hat eine neue Dimension der Befassung ermöglicht und wird, davon bin ich überzeugt, zu ähnlichen Entwicklungen führen, wie sie Univ.-Prof. Dr. Frank Schneider in der DGPPN mit seiner Rede 2008 begonnen und mit der Ausstellung „erfasst, verfolgt, vernichtet“, die im deutschen Bundestag eröffnet wurde und mittlerweile auf Weltreise ist, fortgesetzt hat. Dazu gehört sowohl das Gedenken an die hunderttausenden Ermordeten und Zwangssterilisierten, an ihre Familien und Freunde, an Grauen, Sprachlosigkeit und Angst, als auch die Frage, wie es soweit kommen konnte, dass sich ein medizinisches Fach gegen die ihm anvertrauten Menschen wendet, gegen den hippokratischen Eid, gegen das Menschsein an sich. Und es gehört auch dazu, das Schweigen zu beenden, die Täter zu nennen, von ehrenvollen Plätzen – meist bereits posthum – zu entfernen, die Schwäche und die Verstrickung der Zeit danach zu bekennen.

Es gehört auch dazu, sich bei denen zu bedanken, die mit hohem persönlichen Risiko gegen Lüge und Verschweigen ankämpften, der heuer verstorbene Friedrich Zawrel und sein Schicksalsmensch Dr. Werner Vogt sind hier beispielhaft zu nennen.

Vor allem gehört dazu, sich zu entschuldigen, für all das, was Menschen mit psychischen Erkrankungen, aus schwierigen sozialen Verhältnissen, was ihnen und ihren Familien durch Psychiater und andere Berufsgruppen angetan wurde. Auch eine neue Satzung der ÖGPP mit einem § 1 gehört dazu, und in diesem muss stehen, dass es nie mehr geschehen darf. Nie wieder.

Ich danke allen, die an dieser Publikation mitgewirkt haben, den Experten mit ihren Standpunkten und dem Verlag mit seiner Bereitschaft und verbleibe

mit besten Grüßen

Ihr

Georg Psota