Zusammenfassung
Hintergrund
Seit Jahrzehnten nehmen die Verschreibungen von Psychopharmaka überproportional zu. Auf diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob ApothekerInnen ihr Beratungsverhalten bei KundInnen mit Psychopharmakaverordnungen anders sehen als bei solchen mit anderen Verordnungen. Dieses Selbstverständnis wurde mittels einer Befragungsstudie eruiert.
Methodik
Basierend auf einem kanadischen Fragebogen wurde gemeinsam mit der Österreichischen Apothekerkammer ein um einen Stigmafragebogen erweitertes Erhebungsinstrument für ApothekerInnen entwickelt, das es erlaubte, das eigene Beratungsverhalten gegenüber Personen mit psychischen und solchen mit kardiovaskulären Gesundheitsproblemen einzuschätzen. Zusätzlich wurden offene Fragen gestellt, sowie demografische Angaben erfragt. Nach einer Pilotstudie wurde dieser Fragebogen, der anonym zu beantworten war, während sechs Monaten in einem Webportal online gestellt und es wurden die österreichischen öffentlichen Apotheken zur Beantwortung eingeladen.
Ergebnisse
Es gingen 125 vollständige Fragebogensets ein. Bezüglich des Beratungsverhaltens zeigte sich in der Selbsteinschätzung der ApothekerInnen, dass Personen mit Verordnungen für kardiovaskuläre Gesundheitsprobleme häufiger beraten werden als solche mit Psychopharmakaverordnungen. Als Gründe für diesen Unterschied dürften – so die Rückmeldungen – fehlende Privatsphäre, Stigmatisierungsbefürchtungen und die – im Vergleich zu kardiovaskulären Gesundheitsproblemen – als nicht ausreichend betrachtete Ausbildung über die Behandlung von psychischen Störungen infrage kommen. Der Wunsch nach einschlägigen Weiterbildungsveranstaltungen – auch über Gesprächstechnik und Gesprächsführung – wurde mehrfach geäußert.
Schlussfolgerung
ApothekerInnen spielen im Konzert der Gesundheitsberufe eine wichtige Rolle, besonders auch im Hinblick auf die Beratung ihrer KundInnen mit psychischen Gesundheitsproblemen. Während die dabei auftretende gesellschaftliche Stigmaproblematik nicht mit einfachen Rezepten zu bewältigen ist, ist es denkbar, durch Erfüllung des Wunsches nach einschlägigen Fortbildungsveranstaltungen und durch Förderung der Gestaltung einer adäquaten Privatsphäre die Chancen für eine Optimierung dieser Beratungssituation zu erhöhen.
Abstract
Background
Prescriptions for psychotropic drugs in general and their share of all prescriptions have substantially risen over the last decades. Thus, also counselling by pharmacists becomes more important in this area. This study focuses on how community pharmacists see their own role when counselling persons with prescriptions for psychotropic medication and how this differs from counselling persons with other types of prescriptions.
Methods
Based on the Toronto Community Pharmacists’ Questionnaire an online questionnaire was developed with the assistance of the Austrian Pharmacists Association. This instrument elicits pharmacists’ attitudes toward and professional interactions with users of psychotropic drugs on the one hand and of cardiovascular medication on the other. After a pilot study the questionnaire – which was to be filled in anonymously – was put on a web portal for six months and Austrian community pharmacists were invited to answer it.
Results
125 pharmacists completed the questionnaire. Overall it was reported, that new customers with psychotropic prescriptions were less often counselled than those with prescriptions for cardiovascular medication. The main reasons for this difference seem to be the lack of privacy in public pharmacies, the fear of stigmatising customers with psychotropic medication and a perceived lack of training concerning the treatment of mental disorders. In addition to improving such training, it was suggested that seminars and workshops for communication skills should be organised.
Conclusion
The reduced frequency in counselling new customers with psychotropic medication is related to a lack of privacy in public pharmacies, fear of stigmatising customers and a perceived need for improving the training on the treatment of mental disorders.
Notes
Im Folgenden wird vereinfacht von KundInnen mit psychischen und solchen mit kardiovaskulären Gesundheitsproblemen gesprochen, ohne dass berücksichtigt wird, ob die das Rezept einlösenden Personen selbst an derartigen Gesundheitsproblemen leiden.
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Danksagung
Für die Unterstützung dieser Studie danken wir Frau Dr. Christiane Körner, Vizepräsidentin der Österreichischen Apothekerkammer zum Zeitpunkt der Befragung, und Herrn Dr. Christian Müller-Uri, derzeit 1. Vizepräsident der Österreichischen Apothekerkammer. Herr Dr. Müller-Uri betont, dass „Apothekerinnen und Apotheker psychisch kranken Menschen helfen, dass sie ihre Therapie gewissenhaft einhalten und versuchen ihre Therapie-Treue zu stärken und zu unterstützen.“ Auch allen ApothekerInnen, die sich der Mühe unterzogen haben, den Fragebogen zu beantworten, sprechen wir unseren Dank aus, besonders auch denjenigen, die sich an der Pilotstudie beteiligt haben.
Interessenkonflikt
Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt vorliegt.
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Hagmair, G., Amering, M., Kaiser, G. et al. Beratungstätigkeit von ApothekerInnen bei psychischen und kardiovaskulären Gesundheitsproblemen ihrer KundInnen. Ergebnisse einer Umfrage unter ApothekerInnen in österreichischen öffentlichen Apotheken. Neuropsychiatr 28, 178–184 (2014). https://doi.org/10.1007/s40211-014-0121-y
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