Neue Formen der Steuerung führen zu erheblichen Veränderungen im konkreten beruflichen Handeln der Leiterinnen und Leiter von Einrichtungen im Bildungsbereich. Das vorliegende Heft der Zeitschrift für Bildungsforschung thematisiert dieses veränderte Führungshandeln auf mehrfache Weise. Einer Einführung in den Themenbereich von Stefan Brauckmann und Ferdinand Eder folgen fünf Beiträge, die sich wichtigen Fragen der Führungsforschung zuordnen lassen. Insbesondere geht es darum, in welchem Ausmaß sich Schulleitungen auf die Anforderungen der neuen Steuerung einlassen, welche Formen von Führungshandeln sich vor dem Hintergrund der neuen Steuerung in der Praxis auffinden lassen und wie sich dadurch das Leitbild und das Rollenverständnis von Schulleitungen verändern. Nicht zuletzt geht es aber auch um die entscheidende Frage, ob ein geändertes Führungshandeln auch mit positiven Effekten verbunden ist.

Herbert Altrichter, David Kemethofer und Ann Cathrice George widmen sich im Beitrag „Schulleitungen und evidenzbasierte Bildungsreform im Schulwesen“ der Frage, in welcher Weise Ansätze Neuer Steuerung schulisches Führungshandeln beeinflussen. Sie untersuchen dazu die Einstellungen und das Führungshandeln von Schulleiter/innen im Hinblick darauf, inwieweit sie neue Steuerungsvorstellungen teilen oder akzeptieren, und ob sich das Ausmaß dieser Akzeptanz in ihrem Führungshandeln niederschlägt. Anhand der Ergebnisse können sie zeigen, dass es eine erhebliche Gruppe von Schulleiter/innen mit evidenzorientierter Grundausrichtung gibt, und dass sich diese in ihrem (selbstberichteten) Führungshandeln auch stärker an der Theorie der Evidenzbasierung ausrichten als andere.

Julia Warwas, Christoph Helm und Christian Schadt fragen in ihrem Beitrag nach einem „Unterstützenden Führungsverhalten schulischer Leitungskräfte für die Arbeit professioneller Lerngemeinschaften im Kollegium“. Sie unterstreichen mit ihren Daten, dass es zum einen vielfältiger Voraussetzungen bedarf, damit sich professionelle Lerngemeinschaften in Kollegien etablieren und auch produktiv arbeiten können. Dazu sind entsprechende organisatorische Rahmenbedingungen notwendig, aber auch ein Arbeitsklima, in dem es sich lohnt, Zeit und Energie in solche Lerngemeinschaften zu investieren, um gemeinsam als Gruppe professionell und nachhaltig an pädagogischen Fragestellungen und Herausforderungen arbeiten zu können. Zum anderen ist dies jedoch nicht ausreichend, vielmehr bedarf es einer entsprechenden Unterstützung durch die Schulleitung, die jedoch nicht nur operativ sondern auch inhaltlich aktiv werden muss.

Michael Schratz, Markus Ammann, Niels Anderegg, Alexander Bergmann, Malte Gregorzewski, Werner Mauersberg und Veronika Möltner fokussieren ihre Forschungsarbeit auf das „Schulleitungshandeln an ausgezeichneten Schulen. Erste Einblicke und empirische Befunde“ und geben Einblick in ein umfangreiches qualitatives Forschungsprojekt zu der Frage, wie sich an Preisträgerschulen des deutschen Schulpreises Führung manifestiert. In einem mehrperspektivischen und triangulativ angelegten Zugang werden durch Dokumentenanalysen und teilnehmende Beobachtung Facetten des Führungshandelns ermittelt und empirisch abgesichert, die in ihrer Gesamtheit das Konzept „Führung“ ausmachen sollen. Die Qualität dieses Zugangs wird am Beispiel einer einzelnen solchen Facette – nämlich „nah dran sein“ als eine Strategie von Schulleitungshandeln – in seiner Vernetztheit exemplifiziert.

Eine weitere Facette von Schulleitungshandeln stellen Esther D. Klein und Nina Bremm in ihrem Beitrag vor: „‘It’s almost as if I treat the teachers as I want them to treat the students’. Caring als Element von Führung an Schulen in sozial deprivierter Lage“. Dabei greifen die Autorinnen auf quantitative und qualitative Daten aus den USA zurück. Aus den Vertiefungsstudien an drei Schulen konnten sie zwei unterschiedliche Strategien der Schulleitungen exemplarisch herausarbeiten. Dabei kristallisierte sich Caring als zentrales Element einer guten Organisationskultur heraus. Eine solche ist gekennzeichnet durch Fürsorge, Wertschätzung und Sicherheit für die Lehrkräfte, sodass eine höhere Bereitschaft vorhanden ist, sich (noch) mehr anzustrengen. Den Schulleitungen scheinen solche Dimensionen in ihrem Führungsverhalten wichtiger als managerielle und verwaltungstechnische Aufgaben, auch wenn diese für einen reibungslosen Schulbetrieb mitverantwortlich sind.

Vor dem Hintergrund einer choice and voice verpflichteten Schulpolitik, die Schulwahlmöglichkeiten ausgeweitet, Schuleinzugsgebiete abgeschafft und Schulen dahingehend verpflichtet hat, sich stärker inhaltlich zu profilieren und ggf. marktgerecht zu positionieren, fragen Markus Pietsch und Sebastian Leist in ihrem Beitrag „The Effects of Competition in Local Schooling Markets on Leadership for Learning“ zunächst nach den veränderten Anforderungsprofilen für das schulische Leitungspersonal im Stadtstaat Hamburg. Im Fokus steht hierbei die Verantwortungsübernahme von Schulleitungsseite für die Gestaltung wirksamer Handlungs- und Lösungsstrategien bei der Sicherung und Entwicklung einzelschulischer Wettbewerbsfähigkeit. Mittels latenter Netzwerkanalysen werden hierzu in einem ersten Schritt schulische Marktbedingungen modelliert und konkretisiert, die anschließend unter Zuhilfenahme von Mehrebenenstrukturgleichungsmodellen zu dem von den Lehrkräften (N = 3590) wahrgenommenen Leitungshandeln an Sekundarschulen (N = 74) in Beziehung gesetzt werden. Die Ergebnisse der Studie weisen zum einen auf einen ausgeprägten Wettbewerb zwischen den weiterführenden Schulen in Hamburg hin und verdeutlichen überdies den Einfluss dieser Wettbewerbsbedingungen auf das wahrnehmbare Aufgabenspektrum von Schulleitungen.

Für den deutschsprachigen Forschungsraum liegt bisher nur sehr wenig empirische Forschung zum Führungsverhalten im Bildungsbereich vor. Häufig sind es konzeptionelle und mitunter auch sehr normativ gehaltene Beiträge. Das vorliegende Heft will dazu beitragen, diese Forschungslücke zu verkleinern, zugleich aber auch, Forschungszugänge in diesem Bereich aufzuzeigen und Forschungsdesiderate sichtbar zu machen.