1 Hintergrund und Fragestellungen

Mit der Gewährung operativer Entscheidungs- und Gestaltungsfreiräume zur Erreichung verbindlicher Bildungsstandards sind Einzelschulen dazu aufgerufen, Maßnahmen der Organisations‑, Personal- und Unterrichtsentwicklung zu ergreifen (zsf. Altrichter und Helm 2011). Als wichtige Motoren dieser Entwicklungsprozesse gelten Professionelle Lerngemeinschaften (PLGen) von Lehrkräften, die mit dem Ziel einer langfristigen Veränderung der Unterrichtspraxis eine systematische und reflektierte Kooperation pflegen (Berkemeyer et al. 2011; Fussangel und Gräsel 2014; Buhren 2015). Sowohl Meta-Analysen internationaler Forschungsbeiträge als auch erste Studien aus dem deutschsprachigen Raum bestärken dabei optimistische Erwartungen an die Arbeit von PLGen. Sie dokumentieren positive Zusammenhänge zwischen der Intensität von PLG-Aktivitäten der Lehrkräfte und dem Niveau erzielter Testleistungen von Schüler/innen (z. B. Lomos et al. 2011a) sowie der Qualität der Unterrichtsgestaltung (z. B. Warwas und Helm 2018; Webs und Holtappels 2018). Der naheliegenden Anschlussfrage, welche schulinternen Voraussetzungen intensive PLG-Aktivitäten begünstigen, widmeten sich bis vor wenigen Jahren aber vorrangig pragmatisch akzentuierte Werke (z. B. Eaker et al. 2002; Hord und Sommers 2008) und deskriptive Einzelfallstudien (z. B. Hipp et al. 2008). So stellen etwa die vielzitierten Grundlagenwerke zu PLGen von DuFour und Eaker praktische Handlungsanleitungen für die Etablierung professioneller Lerngemeinschaften durch Lehrkräfte und Schulleiterinnen dar, die fast überwiegend auf narrativen Erfahrungsberichten der Autoren an wenigen Schulen fußen.

Trotz eines erkennbaren Zuwachses an bedingungsbezogener PLG-Forschung gelten insbesondere unterstützende Führungspraktiken schulischer Leitungskräfte nach wie vor als unterbelichtet (z. B. Vangrieken et al. 2017). Dass Untersuchungen, die sich explizit mit der Rolle und dem Handeln der Schulleitung gegenüber PLGen auseinandersetzen, eher selten anzutreffen sind, scheint insofern verwunderlich, als der internationale Bestand an Studien zur sog. Wirksamkeit der Schulleitung mittlerweile beachtlich ist (Leithwood und Sun 2012). Zu den zentralen und konvergenten Ergebnissen dieser Studien zählen indirekte, d. h. über Arbeitseinstellungen, -prozesse und -strukturen der Lehrkräfte vermittelte Effekte von Führungspraktiken auf die Zielgröße der Schülerleistungen. Erkennt man jedoch PLGen als fruchtbare Elemente der innerschulischen Zusammenarbeit von Lehrkräften an, die ihrerseits mit schülerseitigen Lernzuwächsen in überzufälliger Verbindung stehen (s. oben), und bedenkt man ferner, dass auch eine planvolle Personalentwicklung zum Aufgabenbereich der Schulleitung gehört (Berkemeyer et al. 2015), muss die Rolle schulischer Führungskräfte für eine produktive Arbeit von Lehrkräften in PLGen stärker in den Fokus empirischer Forschung rücken.

Speziell die deutschsprachige Schulleitungsforschung ist aufgrund des bestehenden Mangels an thematisch einschlägigen Untersuchungen (siehe Wissinger 2014) gegenwärtig darauf angewiesen, Befunde zu wirkungsvollen Führungspraktiken aus anderen Bildungssystemen zu rezipieren, ohne sicher sein zu können, dass jene auf schulische Handlungskontexte in Deutschland, Österreich oder der Schweiz übertragbar sind (kritisch z. B. Klein 2016). Angesichts der hohen Verantwortung, welche die Bildungspolitik schulischen Führungskräften für den Anstoß und die Begleitung gelingender Schulentwicklung zuweist (Brauckmann 2012), scheint die Gewinnung wissenschaftlich geprüfter Empfehlungen für die Führungspraxis dringend geboten. Eine besondere Herausforderung besteht allerdings darin, dass in verfügbaren internationalen Studien sowohl konstitutive Merkmale von PLGen als auch fruchtbare Fördermöglichkeiten durch die Schulleitung teilweise unterschiedlich operationalisiert werden (kritisch z. B. Sleegers et al. 2013; Vanblaere und Devos 2016).

Vor diesem Hintergrund geht der vorliegende Beitrag drei Fragen nach (1) Welche Kerndimensionen zur Beschreibung von PLG-Aktivitäten einerseits sowie von förderlichen Führungspraktiken andererseits kristallisieren sich als Schnittmenge (inter-)nationaler Forschungsbeiträge heraus? (2) Welche Dimensionen der Arbeit in PLGen sowie des unterstützenden Verhaltens von schulischen Leitungskräften lassen sich aus der Perspektive von Lehrkräften empirisch unterscheiden? (3) Stehen die Ausprägungen wahrgenommener Führungspraktiken in systematischem Zusammenhang mit der berichteten Arbeitsweise in PLGen?

Der Theorieteil des Beitrags setzt sich zunächst in einem synoptischen Zugriff mit Klassifikationsmerkmalen von PLGen (Abschn. 2.1) und Funktionsbeschreibungen einer unterstützenden Führung (Abschn. 2.2) auseinander. Die im empirischen Teil berichteten Ergebnisse stützen sich auf Daten von 395 Lehrkräften aus 47 berufsfachlich spezialisierten Abteilungen an beruflichen Schulen in Deutschland, die mithilfe von doppelt latenten Mehrebenen-Strukturgleichungsmodellen ausgewertet wurden (Abschn. 4.1 und 4.2). An die Diskussion der Ergebnisse schließen sich im letzten Kapitel Anregungen für künftige Untersuchungen und die schulische Führungspraxis.

2 Theoretische Basis

2.1 Kerndimensionen innerschulischer PLGen

Trotz stetig steigender Publikationszahlen mangelt es der PLG-Forschung bis dato an einer konsentierten Definition ihres Gegenstandsbereichs (hierzu kritisch z. B. Vanblaere und Devos 2016; Salleh et al. 2017). Eine erste Annäherung an das Konzept der PLG erlaubt die semantische Erschließung seiner begrifflichen Bestandteile im Sinne einer vorläufigen Nominaldefinition (ebd.). Demnach verbinden fortwährende, kollektive Erfahrungsgewinne (Lernen) die Mitglieder einer Gruppe, welche durch gemeinsames „Fühlen, Streben und Urteilen verbunden“ sind (Gemeinschaft) und als „Experten in einem umgrenzten Gebiet“ ihre Lernanstrengungen auf die Vervollkommnung domänenspezifischer Kenntnisse und Fähigkeiten konzentrieren (professionell) (Bonsen und Hübner 2012, S. 169). Im pädagogischen Handlungskontext verweist die Bezeichnung PLG somit auf „groups of teachers who share and critically question their practice in an on-going, reflecting, collaborative, learning-oriented way to promote their growth and skill“ (Rone 2009, S. 4). Offen bleibt jedoch, wo die Grenzlinien der Domäne verlaufen, auf die sich die Expertise der Gemeinschaft erstreckt (etwa ein spezielles Fach, ein zertifizierter Bildungsgang oder eine Beschulungsform). Diese Unschärfe bedingt eine große Vielfalt an Untersuchungsobjekten in der PLG-Literatur, angefangen von kleinen Projektteams ohne formalorganisatorische Verankerung über Kollegien ganzer Schulen bis hin zu schulübergreifenden Netzwerken (Vangrieken et al. 2017). Im deutschsprachigen Schulkontext richtet sich die Aufmerksamkeit überwiegend auf fachwissenschaftlich und fachdidaktisch spezialisierte Lehrkräfteteams, die an großen Schulen abteilungsförmig organisiert sind (Bonsen und Hübner 2012; Buhren 2015). An Berufsschulen und Berufsschulzentren, die der vorliegende Beitrag beleuchtet, handelt es sich hierbei um Abteilungen, deren Mitglieder die pädagogisch-didaktische Gestaltung von Ausbildungsgängen in einer bestimmten Domäne des beruflichen Bildungssystems verantworten (bspw. in der kaufmännisch-verwaltenden Domäne oder gewerblich-technischen Domäne; siehe hierzu Röder 2017; Tenberg 2017).

Mithilfe von merkmalsgestützten, operationalen Definitionen haben zahlreiche Autor/innen die Unzulänglichkeiten einer rein semantischen Erschließung des PLG-Konzepts für empirische Analysezwecke zu überwinden gesucht (im Überblick Warwas und Helm 2018). Zu den häufig zitierten Vorschlägen zählen die beiden nur teilweise kongruenten Fünf-Komponenten-Modelle von Hord (1997) sowie von Kruse et al. (1995). Nach Auffassung von Hord bestehen diese Komponenten aus (1) geteilten Werten und Visionen hinsichtlich Lehren und Lernen im Kollegenkreis, (2) unterstützenden organisatorischen Bedingungen für eine (3) enge Kooperation und (4) gemeinsames forschungsbasiertes Lernen der Lehrkräfte sowie (5) einer unterstützenden, geteilten Führung im Sinne dezentralisierter Führungsverantwortung im Zuständigkeitsbereich der PLG. Kruse et al. (1995) sehen neben (1) geteilten Normen und Werten der PLG-Mitglieder hingegen (2) einen reflektierenden Dialog über Unterricht, (3) die Deprivatisierung der pädagogischen Praxis als Öffnung des eigenen Unterrichts für kollegiales Feedback, (4) eine gemeinsame Fokussierung auf eine Förderung des Schülerlernens sowie (5) eine kooperative Arbeitsweise als wesentliche Komponenten vor. In der Literatur finden sich darüber hinaus eklektische Ansätze, welche die gerade skizzierten Modelle verschmelzen (z. B. Jackson und Tasker 2002) oder um diverse zusätzliche Komponenten anreichern (z. B. Stoll et al. 2006; Mitchell und Sackney 2007; Sigurdardottir 2010).

Mit der Zielsetzung, kategoriale Schnittmengen zwischen den heterogenen Systematisierungsvorschlägen zu ermitteln und dabei von eher randständigen Merkmalen zu abstrahieren, lassen sich inhaltsanalytisch drei Kerndimensionen von PLGen eingrenzen (Achinstein 2002; Lavié 2006; Zheng et al. 2016; Warwas und Helm 2018 und dortige Quellennachweise):

  • Die aktionale Dimension, Kooperative Entwicklung, umfasst alle gemeinschaftlichen Anstrengungen, welche der steten Verbesserung schülerseitiger Lernprozesse wie auch der Erweiterung von hierfür erforderlichen professionellen Kompetenzen dienen. Diese Dimension beinhaltet folglich zum einen die gemeinsame Planung und Implementierung von Unterrichtsreihen und Lehrstrategien. Zum anderen erstreckt sie sich auf Aktivitäten, die im Sinne einer „continuous collective inquiry“ (Hord 1997) der unablässigen, kritischen Revision unterrichtlicher Praxis und angestoßener Veränderungen derselben dienen. Hierzu gehören neben einem reflexiven, dialogischen Austausch auch gegenseitige Hospitationen, kollegiale Fallberatung oder kriteriengestützte Evaluationsmaßnahmen.

  • Die ideelle Dimension, Normativer Konsens, verweist auf gruppenintern geteilte pädagogische Überzeugungen und Werte sowie auf konvergierende Vorstellungen über die mit der Zusammenarbeit verfolgten Ziele. Obwohl diese Dimension offenkundige Schnittmengen mit dem theoretischen Konstrukt der Schulkultur aufweist, ist aber nicht von einer Deckungsgleichheit auszugehen.Footnote 1 Die ideelle Dimension einer PLG beschränkt sich stattdessen auf Leitideen des von den PLG-Mitgliedern gemeinsam verantworteten Arbeitsbereichs, das heißt bspw. im Falle fachbereichsgebundener PLGen auf Leitideen der Gestaltung und Verbesserung von Lehr-Lern-Prozessen in der unterrichteten Domäne unter dem Globalziel der „Förderung des Schülerlernens“. PLGen mit starkem normativen Konsens verfügen damit über eine starke eigenständige Lehr-Lern-Kultur, die mit der weiter gefassten, schulweiten Lehr-Lern-Kultur (soweit als solche vorhanden) kompatibel sein kann, aber nicht zwingend muss (van Ackeren et al. 2008).

  • Die strukturelle Dimension, Tragfähige Infrastruktur, beschreibt das operative Fundament einer PLG. Sie beinhaltet Stützfaktoren der zielgerichteten Durchführung kooperativer Arbeitsprozesse, so etwa klare Regeln und Zuständigkeiten, transparente Entscheidungsfindungen und schnelle Informationsflüsse, effiziente Moderation von Teamsitzungen oder eine reibungslose Projektkoordination.

Im Ergebnis zeigt der Abgleich operationaler Definitionen, dass die identifizierten Kerndimensionen die rein semantischen Konnotationen einer PLG sowohl differenzierter abbilden als auch über diese hinausreichen. Während die kollektiven Erfahrungsgewinne aus Maßnahmen der Unterrichtsentwicklung erwachsen, die nicht nur gemeinschaftlich geplant und konsistent umgesetzt, sondern auch kontinuierlich überprüft und ggf. revidiert werden, konzentriert sich das gemeinsame Streben auf die Optimierung schülerseitiger Lernprozesse und konkretisiert sich in den von der Gruppe verfolgten Arbeitszielen. Die in der Nominaldefinition nicht abgebildete (infra-)strukturelle Dimension berücksichtigt zusätzlich Facetten einer effizienten Arbeitsweise mit ausreichenden Ressourcen (Eaker et al. 2002; Cormier und Olivier 2009).

Auf Basis der Kerndimensionen lassen sich die einleitend beschriebenen empirischen Hinweise auf unterrichtliche Qualitäts- und schülerseitige Leistungssteigerungen besser nachvollziehen. Obwohl die zugrundeliegenden Mechanismen noch nicht in Form von Mediatoranalysen untersucht wurden, dürften Qualitäts- und Leistungssteigerungen u. a. auf nachweisbare individuelle Zuwächse an pädagogischem und (fach-)didaktischem Wissen der PLG-Mitglieder zurückzuführen sein, welche sich infolge intensiven Austauschs und gegenseitiger Unterstützung einstellen (Bolam et al. 2005; Bonsen und Rolff 2006; Valckx et al. 2018). Ferner ist auf die Systematik, Dauer und Wirkungsbreite von Unterrichtsentwicklungsprozessen zu verweisen, die im Unterschied zu punktuellen Initiativen einzelner Lehrkräfte flächendeckend für einen ganzen Fachbereich oder Bildungsgang konzipiert, realisiert und stetig optimiert werden (Bonsen und Hübner 2012).

Deskriptive Befunde zum Verbreitungsgrad von PLGen in der schulischen Praxis zeigen jedoch, dass nur wenige Lehrkräftegruppen die Erkennungsmerkmale von PLGen in idealtypischer Ausprägung aufweisen (z. B. Lomos et al. 2011b; Warwas und Helm 2018). In Anbetracht ihres begründet erwartbaren Nutzens stellt sich daher die Frage, welche schulinternen Bedingungen die Entstehung von PLGen überzufällig begünstigen bzw. erschweren. Möchte man dabei auch Ansatzpunkte für einzelschulische Interventionen identifizieren, lässt sich konkreter nach Führungsstrategien fragen, mit denen die für die Qualitätsentwicklung gesamtverantwortliche Schulleitung die Lehrerkooperation gezielt intensivieren kann (z. B. Dubs 2009; Wissinger 2014). Folgt man der Auffassung von Cormier und Olivier (2009, S. 4), dass das Handeln des schulischen Leitungspersonals zu den „major theoretical constructs associated with the implementation of a (…) professional learning community“ gehört, müssen die zu spezifizierenden Führungsstrategien entsprechend der oben geschilderten Kerndimensionen von PLGen grundsätzlich dazu geeignet sein, in diesen Gemeinschaften die systematische, kooperative Entwicklung von Unterricht und Lehrendenkompetenzen zu fördern, den normativen Konsens zu stärken und eine tragfähige Infrastruktur auf- bzw. auszubauen.

2.2 Ansatzpunkte unterstützenden Führungsverhaltens

In Beiträgen zu unterstützender Führung von PLGen lassen sich neben meist bildhaften Beschreibungen multipler Rollen der Schulleitung (z. B. Hord und Sommers 2008; Cormier und Olivier 2009) diverse Einzelstudien ausmachen, die verhaltensbezogene Führungsstrategien diskutieren und indikatorgestützt untersuchen. Hierbei wählen sie jedoch entweder unterschiedliche Strategien aus oder verwenden trotz inhaltlicher Verwandtschaft der ausgewählten Strategien abweichende Bezeichnungen (hierzu kritisch z. B. Vanblaere und Devos 2016). Die folgenden vier Ansatzpunkte unterstützenden Führungsverhaltens stellen eine Synopse häufig thematisierter Führungsstrategien dar. Sie erlaubt die Einordnung von Führungsstrategien und zugehöriger empirischer Befunde in Kategorien, die nach funktional unterscheidbaren Handlungsoptionen zur Unterstützung von PLGen in schulischen Handlungskontexten gegliedert sind.

  • Strukturelle Erleichterungen für die operativen Arbeitsprozesse der PLG: Sollen gemeinschaftliche Anstrengungen zur Verbesserung der Unterrichtsqualität planvoll, regelmäßig und langfristig betrieben werden, muss die Schulleitung ausreichende Gelegenheiten hierfür schaffen (Olivier et al. 2010). Dies erfolgt insbes. durch die Ausstattung der PLGen sowie Entlastungen der PLG-Mitglieder von administrativen Aufgaben (Buhren 2015). Grundsätzlich fallen derlei Maßnahmen somit in den Gestaltungsbereich der arbeitsorganisatorischen Voraussetzungen (z. B. Berkemeyer et al. 2015; Gray et al. 2016). Aus der Forschung zum unterstützenden Führungsverhalten ließe sich hier der Ansatz der structural leadership einordnen (vgl. Bryk et al. 1999). Dieser beschreibt eine Führungspraxis, die im Sinne eines ökonomischen Managements kooperatives Arbeiten durch die Bereitstellung zeitlicher, materieller und räumlicher Ressourcen grundsätzlich ermöglicht (ebd.). Diese Auffassung findet sich in internationalen (z. B. Barton und Stepanek 2012) wie auch deutschsprachigen Publikationen zu PLGen (z. B. Bonsen und Hübner 2012). Eine arbeitsorganisatorisch unterstützende Führung erwies sich sowohl in qualitativen (Wells und Feun 2007) als auch quantitativen (Bolam et al. 2005) Studien als eng mit der Implementierung und dauerhaften Arbeit von PLGen verbunden. So berichten etwa Zhang et al. (2017) auf Basis einer Interviewstudie davon, dass Lehrkräfte als eine der größten Hürden für gelingendes Arbeiten in PLGen die fehlende Bereitstellung struktureller Ressourcen (v. a. Zeit zur Zusammenarbeit) durch die Schulleitung nennen.

  • Impulse für die Unterrichtsentwicklung: Um Aktivitäten der PLGen auf das pädagogische Kerngeschäft zu konzentrieren, können Leitungskräfte inhaltliche Anstöße geben (z. B. Supovitz et al. 2009; Vanblaere und Devos 2016; Valckx et al. 2018). Ohne dabei in didaktischen Detailfragen zu bevormunden, können Schulleitende bspw. den reflektierten Dialog über guten Unterricht und die bestmögliche Förderung der Schüler/innen durch Fragen und Ideen anregen sowie auf Basis von Unterrichtsbesuchen konstruktive Rückmeldungen zu errungenen Erfolgen der Entwicklungsarbeit und verbleibenden Verbesserungspotentialen geben (z. B. Bryk et al. 1999; Thompson et al. 2004; Louis et al. 2010). Dementsprechend thematisieren einschlägige Studien meist unter der Bezeichnung instructional leadership (z. B. Vanblaere und Devos 2016, 2018; Zheng et al. 2016; Valckx et al. 2018) ein Führungsverhalten, bei dem Führungskräfte mit den Lehrkräften wichtige Themen der Unterrichtsarbeit diskutieren sowie auf eine Weiterentwicklung des Curriculums und der Lehrendenkompetenzen hinwirken, um Unterrichtsprozesse zu verbessern (Vanblaere und Devos 2018). Zugehörige Befunde verweisen darauf, dass sich sachinhaltliche Führungsimpulse positiv auf die zielorientierte Arbeit in PLGen auswirken kann, so etwa auf die Häufigkeit unterrichtsbezogener Kooperation und die gemeinsame Reflexion des Unterrichtshandelns (Zheng et al. 2016; Vanblaere und Devos 2018). Ebenso kommen Mitchell und Sackney (2016) sowie Zheng et al. (2016) in qualitativen Erhebungen an verschiedenen Schularten zu dem Befund, dass Leitungspersonen durch eine Betonung von Themen, die für das Lehren und Lernen relevant sind, sowohl zur Implementierung als auch zur Aufrechterhaltung von gut funktionierenden PLGen beitragen können. Damit helfen sie Lehrkräften dabei, den Fokus auf das Ziel der Verbesserung des Unterrichts und der Schaffung von Lerngelegenheit für Schüler/innen aufrechtzuhalten.

  • Vertrauens- und Beziehungsstiftung: Selbst ergiebige inhaltliche Anregungen dürften für die pädagogische Praxis folgenlos bleiben, wenn das professionelle Verhältnis der Lehrkräfte von Misstrauen oder Unsicherheit geprägt ist (Wells und Feun 2007; Pröbstel und Soltau 2012; Wang 2015). Substanzielle Auseinandersetzungen mit unterrichtlichen Entwicklungsbedarfen und das erfolgreiche Ringen um problemadäquate Lösungsstrategien verlangen nach Offenheit, lassen argumentative Kontroversen zu und können die professionelle Autonomie und Identität einzelner Mitglieder zeitweilig erschüttern (Cranston 2011; Gray et al. 2016). Sie setzen daher vertrauensbasierte interpersonelle Beziehungen voraus, welche die Gruppenkohäsion auch in schwierigen Arbeitsphasen gewährleisten (Hallam et al. 2015; Zheng et al. 2016). Aus der Einsicht in diese arbeitsklimatischen Grundlagen tiefgreifender, kontinuierlicher Lernprozesse im Kollegium (Berkemeyer et al. 2015) erwächst die Aufgabe der Schulleitung, auch die sog. relationalen Ressourcen der Lerngemeinschaft zu stärken (z. B. Wahlstrom und Louis 2008; Li et al. 2016). Wenn das Führungshandeln darauf abzielt, die Beziehungsqualität unter Kolleg/innen zu verbessern, beeinflusst es die Arbeit von PLGen indirekt über die Stärkung einer wichtigen Facette der Schulkultur, der sog. Beziehungskultur (van Ackeren 2008). Zu diesem Zweck sollte das eigene Kommunikations- und Kooperationsverhalten der Schulleitung gegenüber Lehrkräften zu respektvoller, fehlerfreundlicher und lösungsorientierter Zusammenarbeit anregen (z. B. Thompson et al. 2004; Supovitz et al. 2009) und von persönlicher Offenheit, Lern- und Experimentierfreude zeugen (z. B. Moller und Pankake 2006; Cranston 2011). Um Vertrauen zu stiften, sollte das Auftreten der Schulleitung ferner mit proklamierten Werten und den Leitbildern der Schule übereinstimmen (z. B. Thompson et al. 2004; Cranston 2011; Vanblaere und Devos 2016). Bei Konflikten muss sie zudem moderierend eingreifen (z. B. Scribner et al. 2002; Moller und Pankake 2006). Die orientierende und motivierende Funktion eines modellhaften Vorlebens von gemeinschaftsförderlichen Werten und Praktiken wird vielfach als transformational leadership bezeichnet (Vanblaere und Devos 2018; Zheng et al. 2016; Valckx et al. 2018). Dass sich ein derartiges Führungsverhalten positiv auf wichtige Merkmale der Arbeit von PLGen auswirken kann, legen Studien nahe, in denen bspw. die Intensität der Zusammenarbeit oder das Ausmaß der Öffnung des eigenen Unterrichts gegenüber den Kolleginnen und Kollegen analysiert wurden (Zheng et al. 2016; Vanblaere und Devos 2018). Valckx et al. (2018) kommen zu dem Ergebnis, dass sich Schulleitungen von sog. „high-perceived PLC departments“ (2018, S. 47) durch vergleichsweise starke transformational leadership auszeichnen. Hierdurch gelingt es ihnen besser als anderen Leitungskräften, kooperative Arbeitsweisen wie etwa einen reflektierten Dialog zwischen den Lehrkräften anzuregen. Die Stärkung eines innerschulischen Gemeinschafts- und Zugehörigkeitsgefühls durch ein Arbeitsumfeld, welches Lehrkräfte Sicherheit, Verlässlichkeit und Geborgenheit erleben lässt, findet sich auch im Ansatz der caring leadership (Louis et al. 2016). Sie bietet Lehrkräften annahmegemäß einen geschützten Raum, in dem die Öffnung eigenen Unterrichts und ein angst- und vorwurfsfreies Hinterfragen unterrichtlicher Praxis erleichtert wird, auch wenn entsprechende Zusammenhänge speziell für die Arbeit von PLGen empirisch noch nicht überprüft wurden.

  • Partizipative Führung: Um nachhaltige Veränderungen des pädagogischen Kerngeschäfts zu ermöglichen, müssen die in den PLGen generierten Entwicklungsideen frühzeitig gehört, im Entwicklungskonzept der Schule ernsthaft berücksichtigt und im Fachbereich konsequent umgesetzt werden. Hierzu muss die Schulleitung bereit sein, Führungsverantwortung zu teilen und Lehrkräfte mit Mitwirkungsrechten auszustatten (z. B. McLaughlin und Talbert 2007; Wahlstrom und Louis 2008; Louis et al. 2010). Ohne ihre Gesamtverantwortung für die Koordination und Kontrolle laufender Schulentwicklungsprozesse aufgeben zu müssen (Dubs 2009), sollten Führungskräfte PLG-Mitglieder als Expert/innen in Fragen des Lehrens und Lernens konsultieren und ihnen Entscheidungs- und Handlungsfreiräume zugestehen (z. B. Scribner et al. 2002; Fleming 2004). Diese Überlegungen finden sich im Konzept der shared leadership wieder, die in zahlreichen Publikationen zu unterstützenden Führungspraktiken für PLGen diskutiert wird (z. B. Bolam et al. 2005; Borchers 2009; Wahlstrom und Louis 2008). Tatsächlich gehört die Übertragung von Verantwortungsbereichen von der Schulleitung auf die PLG-Mitglieder zu den frühesten Forderungen der PLG-Forschung (Hord 1997). Hierdurch soll es Lehrkräften ermöglicht werden, zur Zielerreichung in Schulentwicklungsprozessen eigenaktiv, weitgehend selbstgesteuert und möglichst restriktionsfrei beizutragen. Die bereits angesprochenen Studien von Vanblaere und Devos (2018) sowie Valckx et al. (2018) – erstgenannte Autoren nutzen die Begriffe transformational und shared leadership synonym – liefern konsistente Hinweise darauf, dass geteilte Führungsverantwortung positiv mit Merkmalen der Zusammenarbeit von Lehrkräften assoziiert ist, etwa mit der Beteiligungsintensität an reflektierender Kommunikation oder der Ausprägung eines Verantwortlichkeitsempfindens für die gemeinsame Zielerreichung. Ferner kommen auch Berkemeyer et al. (2015) auf Basis einer wissenschaftlichen Begleitstudie sowie Borchers (2009) mit einem Mixed-Methods-Ansatz zu dem Ergebnis, dass die Schulleitung den PLGen Entscheidungsspielräume gewähren und beratend zur Seite stehen sollte.

Die obige Synopse legt nahe, dass sich Führungsstrategien zur Förderung der Arbeit in PLGen funktional unterscheiden lassen. Auf einer konzeptionellen Ebene erscheint es demnach sinnvoll, Führungspraktiken danach zu klassifizieren, ob sie den gemeinschaftlichen Aktivitäten der PLG-Mitglieder arbeitsorganisatorische Unterstützung bieten (strukturelle Erleichterungen) oder sachinhaltliche Anregungen liefern (Impulse für die Unterrichtsentwicklung), ob sie die arbeitsklimatischen Bedingungen der Zusammenarbeit zu verbessern helfen (Vertrauens- und Beziehungsstiftung) oder aber die innerschulischen Mitwirkungsrechte der PLGen ausweiten (partizipative Führung).

Im Folgenden wird der Frage nachgegangen, ob sich diese Führungspraktiken auch empirisch differenziert abbilden lassen und ob die datengestützt unterscheidbaren Dimensionen unterstützender Führung einen statistisch bedeutsamen Effekt auf die Arbeit von PLGen haben. Die oben referenzierten Studien lassen hierüber nur begrenzt Aussagen zu, da sie jeweils nur einzelne oder wenige Führungsstrategien aus der oben vorgeschlagenen Systematik untersuchen und die hiermit verbundenen Verhaltensweisen jeweils unterschiedlichen, manchmal auch nur einer globalen, Sammelkategorie(n) zuordnen.

3 Ziele und Methodik der Untersuchung

3.1 Annahmen und Erkenntnisinteressen

Die theoretischen Vorüberlegungen lassen hohe Ausprägungen konstitutiver Merkmale von PLGen vorrangig in solchen Organisationseinheiten erwarten, in denen Schulleiter/innen die Zusammenarbeit der Lehrpersonen strukturell erleichtern, inhaltlich anregen, in ein vertrauensvolles, integrierendes Klima einbetten und Führungsverantwortung teilen. Die nachfolgenden Analysen dienen daher zunächst der Überprüfung der Dimensionsstruktur von PLGen und Führungsstrategien aus Lehrersicht, bevor die Erklärungsbeiträge unterstützender Führung für variierende Ausprägungen von PLG-Dimensionen ermittelt werden.

3.2 Stichprobe und Erhebungsinstrumente

Die Untersuchung wurde in Bayern/Deutschland im Sommer 2011 durchgeführt. Aus ökonomischen Gründen wurden cluster samples (Klumpenstichprobe, Bortz und Schuster 2010, S. 81) erfasst. Insgesamt nahmen 395 Lehrpersonen (45,5 % weiblich; durchschnittlich 17 Jahre Unterrichtserfahrung, SD = 10,7 Jahre) an einer schriftlichen Befragung teil. Sie stammen aus 47 beruflichen Fachbereichsgruppen (technisch-industriell: 11, sozial: 10, kaufmännisch: 20, technologisch: 6), die 34 berufsbildenden Schulen zuzuordnen sind, wobei in 23 Schulen ein Fachbereich, in 9 Schulen zwei Fachbereiche und in 2 Schulen drei Fachbereiche erfasst wurden. Im Mittel füllten je Fachbereich 8 Lehrkräfte (min. 4, max. 25) die Fragebögen aus. Nähere Informationen zu Stichprobenziehung, Repräsentativität und Rücklaufquote sind dem Anhang A1 zu entnehmen.

3.2.1 Erfassung der Arbeit in PLGen

Kerndimensionen professioneller Lerngemeinschaften wurden mit drei Subskalen erhoben (Tab. 1). Die zugehörigen Items wurden aus Studien zur Schulqualität und Lehrerkooperation in Deutschland adaptiert (Ditton o.J.; Steinert et al. 2003), da sich in der PLG-Forschung kein Instrument etabliert hat, das sowohl studienübergreifend einheitlich eingesetzt wird als auch psychometrisch validiert ist (Vangrieken et al. 2015).

Tab. 1 Beispielitems, deskriptive Statistiken und Reliabilitäten für die PLG-Dimensionen

3.2.2 Erfassung des Führungsverhaltens

Zur Erfassung der in Abschn. 2.2 beschriebenen Führungsstrategien wurden vier Subskalen verwendet, die sich auch zu einem Globalfaktor unterstützender Führung (UF) zusammenfassen lassen (siehe Tab. 2). Dabei handelt es sich um Eigenentwicklungen auf Basis der vorgenommenen Literatursichtung.

Tab. 2 Beispielitems, deskriptive Statistiken und Reliabilitäten für die Führungsdimensionen

Alle Fragebogenitems sind im Anhang A1 dargestellt. Darüber hinaus befinden sich Korrelationstabellen der latenten Konstrukte in Anhang A2.

3.2.3 Analyseverfahren

Um die empirische Dimensionsstruktur der professionellen Zusammenarbeit sowie des Führungsverhaltens zu prüfen, wurden Zweiebenen-Strukturgleichungsmodelle geschätzt. Dabei kamen sog. Doubly Latent-Modelle zum Einsatz, um für den Mess- und Stichprobenfehler zu kontrollieren (Lüdtke et al. 2008). Darüber hinaus wurden Itemparcels gebildet und die konfigurale Messinvarianz über die Fachbereiche hinweg spezifiziert. Die Gründe hierfür sind in Anhang A3 ausführlich dargestellt. Die Schulebene wurde nicht zusätzlich berücksichtigt, da nur in rund einem Viertel der Schulen mehr als ein Fachbereich erfasst wurde. Damit bilden Fachbereiche und Schulen de facto meist dieselben Cluster.Footnote 2

Da es sich bei den eingesetzten Skalen nicht um erprobte Messinstrumente handelt, wurde die Faktorenstruktur durch eine schrittweise Reduktion der Anzahl der hinter den Items vermuteten latenten Konstrukte geprüft. Die detaillierte Darstellung dieses Vorgehens findet sich in Anhang A4.

Um die Effekte des wahrgenommenen Führungsverhaltens auf die professionelle Zusammenarbeit in den Fachbereichen zu prüfen, wurden Zweiebenen-Strukturgleichungsmodelle spezifiziert, welche die Lehrer- und Fachbereichsebene modellieren. Da wir an der Vorhersage der professionellen Zusammenarbeit in Fachbereichen interessiert sind, stellt die Fachbereichsebene die im Folgenden fokussierte Analyseebene dar.

Alle Analysen wurden in Mplus 8 (Muthén und Muthén 1998–2017) unter Verwendung des ML-Schätzers ausgeführt. Der Anteil an fehlenden Werten liegt bei etwa 5 %. Um die fehlenden Werte zu berücksichtigen, wurde die Parameterschätzung unter der Missing at Random-Annahme mittels Full Information Maximum Likelihood (FIML)-Option durchgeführt.

Zur Beurteilung des Modellfits werden übliche Cut Off-Kriterien herangezogen (Hu und Bentler 1999; Little 2013): der χ2/df-Wert (χ2/df < 3), der Bentlers Comparative Fit Index (CFI ≥ 0,90), der Tucker Lewis Index (TLI ≥ 0,90) und der Root Mean Square Error of Approximation (RMSEA ≤ 0,08) sowie der Standardized Root Mean Square Residual auf Lehrerebene (Level 1, L1) und auf Fachbereichsebene (Level 2, L2) (SRMRL1/L2 ≤ 0,10). Zur Interpretation der Reliabilität der verwendeten Skalen wird auf Lehrerebene das Omega (ω) (Geldhof et al. 2014) und auf Fachbereichsebene der ICC(2) (Lüdtke et al. 2006) herangezogen. Für beide Indizes gilt die Daumenregel, dass Werte über 0,70 auf eine akzeptable Reliabilität hindeuten (bspw. Lüdtke et al. 2006, S. 88). Grundsätzlich ist hervorzuheben, dass die Reliabilität (so auch die sehr niedrigen ICC(2)-Werte) der Skalen in den hier verwendeten Doubly-Latent-Modellen durch die Spezifikation des Mess- und Stichprobenfehlers mitmodelliert und hierdurch statistisch kontrolliert wird (Marsh et al. 2009, S. 776). Es ist allerdings darauf hinzuweisen, dass die Korrektur des Stichprobenfehlers in Fällen, in denen ein Sampling Ratio nahe 1 vorliegt, d. h. nahezu alle Fälle eines Custers (hier: alle Lehrkräfte eines Fachbereichs) befragt wurden, zu einer Überschätzung der Cluster-Ebeneneffekte führen kann (Lüdtke et al. 2008). Da für die vorliegende Stichprobe das Sampling Ratio nicht bekannt ist (siehe Anhang A1), ist nicht bestimmbar, ob die Korrektur des Stichprobenfehlers adäquat erfolgt oder die Gefahr überschätzter Effekte birgt. Die niedrigen ICC(2)-Werte sind allerdings insofern problematisch, als dadurch die Validität der Führungsskalen beeinträchtigt sein könnte. Aus diesem Grund haben wir die von Lüdtke et al. (2006) empfohlene Vorgehensweise angewandt und Zusatzanalysen durchgeführt, die zeigen, dass sich die untersuchten Effekte nicht wesentlich ändern, wenn man jene Cluster entfernt, die eine zu geringe Urteilerübereinstimmung (gemessen am RWG(J) und ADM(J)) aufweisen. Die Ergebnisse der Zusatzanalysen sind in Anhang A5 dargestellt.

Da die Stichprobe auf Fachbereichsebene (N = 47) sowie die mittlere Fachbereichsgröße (N = 8) und die ICC(1)-Werte für die Führungsskalen relativ klein sind, wurden zudem Simulationsstudien durchgeführt (Anhang A6), die der Frage nachgehen, inwiefern die untersuchten Effekte (Bias-Analyse) und Signifikanzen (Power-Analyse) aufgrund dieser eher ungünstigen Stichprobenmerkmale verzerrt sind. Die Befunde zeigen, dass (1) der Bias vernachlässigbar ist und (2) die Signifikanzwerte lediglich für die Analysen mit der Skala „Kooperative Entwicklung“ aufgrund der niedrigen Power vorsichtig zu interpretieren sind. Daher ist begründet davon auszugehen, dass die im Folgenden berichteten Befunde nicht bzw. kaum durch die angeführten Stichprobenmerkmale verzerrt sind.

4 Empirische Befunde

4.1 Dimensionale Struktur der Zusammenarbeit und des Führungsverhaltens aus Sicht der PLG-Mitglieder

PLG-Kerndimensionen:

Tab. 3 weist für die konfirmatorischen Faktorenanalysen – unabhängig von der Anzahl der modellierten Faktoren – zufriedenstellende Fit-Werte aus. Allerdings zeigen χ2-Differenztests, dass das 3‑Faktoren-Modell dem 2‑ und dem 1‑Faktoren-Modell überlegen ist, was die strukturelle Validität der Skalen untermauert.

Tab. 3 Prüfung der Faktorenstruktur PLG-Kerndimensionen mittels χ2-Differenztests für genestete Modelle

Führungsverhalten:

Tab. 4 enthält die Ergebnisse der χ2-Differenztests zur Faktorenstruktur des wahrgenommenen Führungsverhaltens. Der ansteigende χ2-Wert deutet an, dass die Modelle mit absteigender Faktorenanzahl die Datenstruktur schlechter widerspiegeln. Dieser Abfall im Modellfit (unter Berücksichtigung der gewonnenen Freiheitsgrade) ist statistisch nur für das 2‑ und 1‑Faktoren-Modell signifikant. Das bedeutet, dass ein 3‑Faktoren-Modell die empirische Kovarianzmatrix am besten reproduziert. Auf der nachfolgend relevanten Analyseebene von Abteilungen bzw. Fachbereichen sind allerdings sehr hohe Zusammenhänge zwischen diesen Faktoren zu beobachten (rSEVB-IU = 0,907, p < 0,000; rSEVB-PF = 0,938, p < 0,000; rIU-PF = 0,946, p < 0,000). Daher greifen wir in den nächsten Analyseschritten (Abschn. 4.2) auf das 1‑Faktoren-Modell (Globalfaktor-Modell) zurück. Dies ist aus zwei weiteren Gründen sinnvoll: Erstens führen die hohen Faktorkorrelationen in allen Modellierungsvarianten des Führungsverhaltens (insbes. im 4-Faktoren-Modell; siehe Tab. 8 im Anhang) in multiplen Regressionen zu Multikollinearität, die inhaltlich aussagekräftige Ergebnisse verhindert. Zweitens ist aufgrund der kleinen Clusteranzahl ein weniger komplexes Modell vorzuziehen. Daher wurden einfache Regressionen geschätzt, um Erklärungsbeitrage des Globalfaktors Unterstützende Führung für Kerndimensionen der PLG-Arbeit zu ermitteln.

Tab. 4 Prüfung der Faktorenstruktur des wahrgenommenen Führungsverhaltens mittels χ2-Differenztests für genestete Modelle

4.2 Vorhersage der PLG-Kerndimensionen durch das Führungsverhalten schulischer Leitungskräfte

Tab. 5 zeigt, dass die Dimensionen Normativer Konsens und Tragfähige Infrastruktur überzufällig und mit mittlerer bis hoher Effektstärke durch den Globalfaktor Unterstützende Führung vorhergesagt werden können (NK: βg = 0,481, p = 0,014; TI: βg = 0,650, p = 0,000). Auch für die Dimension Kooperative Entwicklung kann ein moderater Zusammenhang beobachtet werden, der aber statistisch nicht signifikant ausfällt (KE: βg = 0,314, p = 0,206). Angesichts der kleinen Clusteranzahl auf Fachbereichsebene ist dabei die geringe Teststärke der Stichprobe zur Identifikation von statistisch signifikanten Koeffizienten zu berücksichtigen. Die in Anhang A6 dargestellten Ergebnisse einer Simulationsstudie zeigen, dass die Wahrscheinlichkeit bei 54 % liegt, aufgrund von p = 0,206 zu schließen, dass der Effekt des Führungsverhaltens auf die Kooperative Entwicklung in der PLG-Arbeit (β = 0,314) nicht vorliegt, obwohl dieser tatsächlich vorliegt und nachweisbar wäre, hätte man eine ausreichend große Stichprobe (gegeben einem Signifikanzniveau von α = 0,05). Diese Fehlerwahrscheinlichkeit liegt deutlich über der tolerierbaren Obergrenze von 20 % (Cohen 1988). Die quadrierten Effektstärken (R2) lassen hingegen erkennen, dass zwischen 10 und 42 % der Varianz der auf Fachbereichsebene geteilten Einschätzungen von PLG-Aktivitäten durch das auf Fachbereichsebene wahrgenommene Führungsverhalten der Schulleiter/innen erklärt werden kann. Werden die abhängigen Variablen KE, NK und TI simultan geschätzt, ändern sich diese Befunde kaum.

Tab. 5 Doppelt-latente Zweiebenen-Strukturgleichungsmodelle zur Vorhersage der PLG-Dimensionen durch das Führungsverhalten

5 Schlussbetrachtung

5.1 Erkenntnisgewinne, Limitationen und weiterer Forschungsbedarf

Vor dem Hintergrund erweiterter einzelschulischer Gestaltungsräume und parallel wachsender Gestaltungsaufgaben der Schulleitung befasste sich die hier berichtete Studie mit der Frage, welchen Beitrag schulische Führungskräfte zur Förderung der Lehrendenkooperation in Fachbereichen nach dem Vorbild professioneller Lerngemeinschaften (PLGen) leisten können. Hierzu wurden Befragungsdaten von 395 Berufsschullehrkräften in 47 berufsfachlich organisierten Abteilungen mittels Mehrebenen-Strukturgleichungsmodellen ausgewertet. Den Analysen gingen konzeptionelle Überlegungen und strukturprüfende Verfahren voran, die angesichts einer erheblichen Operationalisierungsvielfalt in der PLG-Forschung dazu diente, wesentliche Elemente sowohl der professionellen Zusammenarbeit als auch der sie begünstigenden Führungspraktiken einzugrenzen.

Die Literatursichtung ergab eine Unterscheidung von drei Kerndimensionen der PLG-Arbeit (Kooperative Entwicklung, Normativer Konsens und Tragfähige Infrastruktur) sowie vier Ansatzpunkten unterstützender Führung (Strukturelle Erleichterungen, Impulse für die Unterrichtsentwicklung, Vertrauens- und Beziehungsstiftung sowie Partizipative Führung). Anschließend spezifizierte doppelt latente Strukturgleichungsmodelle legen allerdings nahe, dass die auf Fachbereichsebene geteilten Einschätzungen dieser Aspekte das theoretisch angenommene Differenzierungsniveau nicht ganz erreichen. Zwar spiegelt ein theoriekonformes 3‑Faktoren-Modell für Kerndimensionen der PLG-Arbeit die Antwortmuster der befragten Berufsschullehrkräfte am besten wider; bei den Führungspraktiken lassen sich hingegen nur drei statt vier postulierte Dimensionen empirisch abbilden. Zudem korrelieren die Führungspraktiken in den geteilten Wahrnehmungen der Fachbereichsmitglieder hoch miteinander, so dass zur Vermeidung von Multikollinearitätsproblemen in den sich anschließenden Regressionen ein Globalfaktor Unterstützende Führung herangezogen wurde. Interessanterweise findet sich die Verwendung eines Globalfaktors – größtenteils unkommentiert – auch in anderen Studien der bedingungsbezogenen PLG-Forschung (z. B. Bryk et al. 1999; Li et al. 2016; Webs und Holtappels 2018). Als Desiderat lassen sich deshalb Instrumentenentwicklungen und Validierungsstudien benennen, die nicht nur generische Führungsstrategien in schulischen Organisationen (z. B. Brauckmann und Pashiardis 2011), sondern auch spezifische Maßnahmen zur gezielten Förderung professioneller Lerngemeinschaften differenzierter abbilden als es in bisherigen Untersuchungen gelingt.

Die durchgeführten Regressionen mit dem Globalfaktor der unterstützenden Führung entsprechen dennoch unserer forschungsleitenden Annahme, dass hohe Ausprägungen der PLG-Kerndimensionen vorrangig in solchen Abteilungen zu finden sind, deren Arbeit auf vielfältige Weise begünstigt wird (siehe hierzu vertieft 5.2). Dies gilt vor allem für die ideellen und infrastrukturellen Dimensionen der PLG-Arbeit als Kriteriumsvariablen, deren Variationen statistisch überzufällig und mit mittleren bis starken Effektstärken durch ein unterstützendes Führungsverhalten aufgeklärt werden können. Stichprobenspezifische, jedoch praktisch bedeutsame Erklärungsbeiträge ergeben sich zudem für die aktionale Dimension der PLG-Arbeit. Dass die hier erhobenen Führungspraktiken die Intensität von PLG-Aktivitäten ursächlich hervorbringen, kann mit dem querschnittlichen Design unserer Studie freilich nicht nachgewiesen werden. Die methodisch fortgeschrittenen Analyseverfahren (doppelt-latente Mehrebenen-Strukturgleichungsmodellierung zur Kontrolle von Mess- und Stichprobenfehlern, vergleichende Zusatzanalysen nach Ausschluss von Clustern mit geringer Urteilerübereinstimmung, Simulationsstudien) legen aber nahe, dass eine intensive PLG-Arbeit in Fachbereichen nicht unabhängig vom Agieren der Schulleitung entsteht. Dennoch stellen längsschnittliche Untersuchungen ein weiteres gewichtiges Forschungsdesiderat dar, um kausale Wirkungsanalysen vornehmen zu können.

Mit Blick auf die Skalen zum Führungsverhalten ist hervorzuheben, dass die niedrige Reliabilität der Skalen auf Fachbereichsebene (Stichprobenfehler) die Analysen der Effekte des Führungsverhaltens trotz der verwendeten Doubly-Latent-Modelle erschwert. Aufgrund des Erhebungsdesigns war es nämlich nicht möglich die tatsächlichen Größen der Fachbereiche zu erfassen, sodass unklar ist, ob die statistische Kontrolle des Stichprobenfehlers in der vorliegenden Studie adäquat ist. Aber auch hier kann auf die Zusatzanalysen verwiesen werden, die zeigen, dass selbst nach Ausschluss von Clustern mit geringer Urteilerübereinstimmung die ermittelten Befunde konsistent bleiben.

Einschränkend ist weiterhin zu vermerken, dass Modellierungen mit einem Globalfaktor Unterstützende Führung zwangsläufig zulasten differenzierter Aussagen über die relativen Erklärungsbeiträge der hierin gebündelten Aktivitäten der Schulleitung gehen. Die mäßige empirische Bestätigung der aus umfangreichen Literatursichtungen gewonnenen Faktorenstruktur wurde bereits weiter oben moniert. Ein Ausweichen auf überprüfte Skalen zur Erfassung allgemeiner Führungsstrategien ohne Zuschnitt auf die Unterstützung von PLGen schien für die forschungsleitenden Fragestellungen des aktuellen Artikels allerdings ebenfalls suboptimal.

Eine letzte Limitation der vorliegenden Studie stellt der begrenzte Geltungsbereich der Ergebnisse dar. Einerseits verbietet die mangelnde Repräsentativität der Klumpenstichprobe eine Verallgemeinerung der Befunde. Andererseits verbietet der Untersuchungskontext beruflicher Schulen vorschnelle Generalisierungen auf andere Schularten, auch wenn unsere Literatursichtung eine hohe inhaltliche Konsistenz der postulierten unterstützenden Führungspraktiken, unabhängig von der betrachteten Schulart, nahelegen. Für die Übertragbarkeit spricht, dass sich bei der Personalführung – anders als im Bereich der Ziele und didaktischen Prinzipien des Unterrichtens – an beruflichen Schulen grundsätzlich ähnliche Fragen stellen wie an allgemeinbildenden Schulen. Relativierend sind wiederum unterschiedliche Qualifizierungshintergründe des Personals sowie unterschiedlich große Leitungsspannen zu berücksichtigen (die jedoch nicht nur schulart-, sondern auch schulgrößenabhängig variieren). Berücksichtigt man ferner, dass das berufliche Schulsystem in DE/AUT von 58 %/78 % aller Lernenden der Sekundarstufe II besucht wird (OECD 2010), stellt die Gewinnung wissenschaftlicher Erkenntnisse in diesem Sektor einen wichtigen Beitrag zur Qualitätssicherung des Bildungsangebotes dar. Dies gilt insbesondere für die Forschung zur professionellen Zusammenarbeit von Lehrkräften und den Möglichkeiten ihrer gezielten Förderung durch die Schulleitung, da hierzu noch kaum Befunde für den berufsbildenden Bereich vorliegen.

5.2 Implikationen für die schulische Führungspraxis

Erfolgsträchtige Stützstrategien für die Arbeit von PLGen sind vielfältig und keineswegs einseitig anzulegen (z. B. Borchers 2009; Cormier und Olivier 2009). Hierfür müssen nicht nur günstige arbeitsorganisatorische Voraussetzungen geschaffen werden, die in manchen Veröffentlichungen sogar priorisiert werden (z. B. Wahlstrom und Louis 2008); vielmehr dürfen auch arbeitsklimatische Bedingungen nicht vernachlässigt werden, wenn eine ernsthafte, produktive Auseinandersetzung über hochwertige Lehr-Lern-Prozesse in einer vertrauensvollen, angst- und vorwurfsfreien Atmosphäre dauerhaft etabliert werden soll (z. B. Berkemeyer et al. 2015; Gray et al. 2016). Einem frühzeitigen Ende entsprechender Entwicklungsprozesse sollte die Schulleitung zudem (mikro-)politisch entgegenwirken, indem sie die domänenspezifische Expertise der PLG-Mitglieder anerkennt und in innerschulischen Entscheidungs- und Gestaltungsfragen berücksichtigt (z. B. Scribner et al. 2002). Um darüber hinaus auch die inhaltliche Ausrichtung professioneller Zusammenarbeit auf kontinuierliche unterrichtliche Verbesserungen zu gewährleisten, kommt schulischem Führungspersonal die wesentliche Aufgabe zu, sachdienliche Impulse und begründete Rückmeldungen zur Bestätigung oder aber Korrektur von Entwicklungsschritten zu geben. Vor allem diese Funktionen des Monitorings und Feedbacks werden jedoch im deutschsprachigen Raum von vielen Leitungskräften nur zögerlich umgesetzt, was Professionalisierungsbedarfe für das Leitungshandeln selbst nahelegt (Thiel et al. 2018).