Im ersten Heft des Jahres 2018 zeichnen sich drei Themenbereiche ab, die sich mit je spezifischen Facetten von Unterricht, Schule und Bildungsforschung beschäftigen.

In den ersten beiden Beiträgen wird danach gefragt, was Lernen erleichtern und unterstützen kann. Heidemarie Pöschko und Veronika Prieler sehen sich dazu Schulbücher an und untersuchen, ob geschlechtergerecht formulierte Schulbuchtexte deren Verständlichkeit und Lesbarkeit erschweren. Diese Frage wird oft sehr polemisch diskutiert. Gründe für die Nicht-Anwendung einer geschlechtergerechten Sprache sind zum einen die Befürchtung, dass damit diese Texte schwer lesbar werden und dadurch solche Personen benachteiligen, die eine andere Erstsprache als Deutsch haben bzw. weniger bildungsaffin sind, zum anderen die Befürchtung, dass durch den ständigen Gebrauch von männlichen und weiblichen Sprachformen vom eigentlichen Inhalt abgelenkt wird, zum dritten, dass durch den Gebrauch von weiblichen und männlichen Formen das Denken in einem zweigeschlechtlich gedachten System ständig verstärkt und reproduziert wird. Im Beitrag „Zur Verständlichkeit und Lesbarkeit von geschlechtergerecht formulierten Schulbuchtexten“ veranschaulichen die beiden Autorinnen zunächst, wo solche Texte von Bedeutung sind, und arbeiten den Forschungsstand auf. In einer empirischen Untersuchung testen sie drei verschiedene Möglichkeiten (die Verwendung des generischen Maskulinums, die Schrägstrich-Schreibweise und die Nutzung von neutralen Begriffen) im Hinblick auf die Erinnerungsleistung und das Textverständnis von Schülerinnen und Schülern. Das Ergebnis zeigt, dass die Jugendlichen nicht in ihrem Leseverständnis eingeschränkt werden und zumindest aus diesem Grund geschlechtergerecht formulierte Schulbuchtexte nicht abzulehnen sind.

Die bisherige Operationalisierung der lehrerseitigen Unterstützung lässt es derzeit noch nicht zu, dass alle auftretenden Verhaltensphänomene angemessen dokumentiert werden können. In Kenntnis dieser Forschungslücke veranschaulichen Jens Siemon, Antonia Scholkmann und Tekla Paulsen in ihrem Beitrag „Beschreibung von Formen lehrerseitigen Unterstützungsverhaltens im offenen Unterricht“ ihren Anspruch und die damit einhergehende notwendige Herleitung eines innovativen Kategoriensystems. Das von ihnen vorgestellte Kategoriensystem böte gegenüber bislang praktizierten methodischen Zugängen den Vorteil, nicht nur in kontrollierter Weise gegen subjektive Wahrnehmungsverzerrungen besser abgesichert zu sein, sondern darüber hinaus auch bislang nicht dokumentierte Aspekte der lehrerseitigen Unterstützung in speziellen offenen, individualisierten und handlungsorientierten Unterrichtssituationen systematisch erfassen zu können. Veranschaulicht wird dieser Ansatz mittels der Kombination videografierter und audiografierter Unterrichtsbeobachtungen in den Schulformen Berufsschule, Berufsfachschule und berufliches Gymnasium.

Kirsten Schweinberger und Carsten Quesel lenken den Blick auf die Schulentwicklung. Sie analysieren externe Schulevaluationen daraufhin, wie der Prozess und die Ergebnisse externer Evaluationen von den Schulleitungen und den Lehrkörpern wahrgenommen werden, und ob sich daraus Hinweise für eine Steigerung ihrer Wirksamkeit ergeben. Sie verwenden dazu Daten aus Nachbefragungen an mehr als 150 Volksschulen aus zwei Schweizer Kantonen, die im Anschluss an externe Evaluationen durchgeführt wurden. Zwei Ergebnisse aus ihrem Beitrag „Im Auge des Betrachters: Die externe Schulevaluation und das Wirkgefüge ihrer Teilprozesse im Blick von Lehrpersonen und Schulführungen“: Schulleitungen glauben tendenziell, dass ihre Einstellungen gegenüber der Evaluation mit jenen ihres Lehrkörpers gut übereinstimmen – die betreffenden Lehrpersonen sehen das offenbar aber nicht so. Und wichtiger noch: Letzten Endes entscheidet hauptsächlich die Qualität der Rückmeldung an die Schulen darüber, ob die Betroffenen die Evaluationsergebnisse als einen Wissenszuwachs verbuchen, der dann auch zu Maßnahmen führt.

Gun-Brit Thoma und Olaf Köller fokussieren ein bislang im deutschsprachigen Raum noch wenig bekanntes Thema: „Test-wiseness: ein unterschätztes Konstrukt?“ und präsentieren empirische Daten zur Überprüfung und Erlernbarkeit von test-wiseness. Hintergrund ist die Tatsache, dass Multiple-Choice-Aufgaben in vielfältigen Formen dazu herangezogen werden, Wissen, Lernergebnisse, Fähigkeiten und Kompetenzen zu messen. Allerdings weisen Untersuchungen aus den USA darauf hin, dass mit solchen Tests nicht nur das tatsächliche Wissen gemessen wird, sondern dabei auch die Fähigkeit einfließt, wie gut die zu testenden Personen mit dieser Art der Messung umgehen können und dabei Strategien entwickeln konnten, die die Wahrscheinlichkeit erhöhen, gute Resultate zu erzielen. Die Autorin und der Autor entwickelten einen deutschsprachigen Test, um test-wiseness zu erfassen, und überprüften dessen Güte mit Hilfe eines experimentellen Untersuchungsdesigns bei Studierenden einer Universität bzw. Fachhochschule. Die Ergebnisse veranschaulichen, dass bei Multiple-Choice Tests in Hinkunft test-wiseness besser kontrolliert werden sollte.

Österreich wies weltweit bei dem PISA Durchgang 2015 den am stärksten ausgeprägten geschlechtsspezifischen Unterschied in der Mathematikkompetenz zugunsten von Jungen auf. Vor diesem Hintergrund gehen Silvia Salchegger und Birgit Suchań in ihrem Beitrag „Was bedeutet es für den Geschlechterunterschied in der Mathematikkompetenz bei PISA, wenn dem Schulsystem leistungsschwache Jungen verloren gehen?“ der Frage nach, inwiefern länderspezifische Unterschiede bei den im Rahmen von PISA 2015 attestierten Geschlechterdifferenzen möglicherweise auch mit darauf zurückgeführt werden können, dass leistungsschwache Jungen über die Länder hinweg unterschiedlich stark in der PISA Stichprobe repräsentiert waren. In diese vertiefende Vergleichsuntersuchung gingen aufgrund der schulsystembezogenen, kulturellen, sprachlichen wie auch geografischen Nähe die PISA Teilnehmerstaaten Österreich, Deutschland und die Schweiz ein. Die vorliegenden Ergebnisse der in diesem Zusammenhang durchgeführten Simulationsanalysen deuten darauf hin, dass es sich – im Gegensatz zur Schweiz – in Österreich und Deutschland bei den Jungen, die in die PISA-Population eingingen, um eine stärker selektierte Gruppe handelt als dies bei den Mädchen der Fall zu sein scheint.

Das Heft wird ergänzt durch eine ausführliche Rezension des Buches von Regula J. Leemann, Moritz Rosenmund, Regina Scherrer, Ursula Streckeisen und Beatrix Zumsteg „Schule und Bildung aus soziologischer Perspektive. Ein Studienbuch für Lehrpersonen in Aus- und Weiterbildung“ durch Michael Sertl sowie Nachrichten aus der ÖFEB und Hinweise auf Publikationen von ÖFEB-Mitgliedern.