Die Beiträge des vorliegenden Heftes der Zeitschrift für Bildungsforschung sind überwiegend einem Schwerpunkt zugeordnet: Einstellungen zum inklusiven Unterricht. Die Zeitschrift für Bildungsforschung trägt damit einer Entwicklung Rechnung, die für das (österreichische) Schulsystem eine große Herausforderung darstellt: der Forderung nach einer gemeinsamen Unterrichtung aller Schülerinnen und Schülern im Regelschulsystem. Über das Gelingen von Inklusion entscheidet nicht zuletzt die Einstellung der Lehrerinnen und Lehrer, mit der sich die Autoren und Autorinnen des Schwerpunkts auseinandersetzen. Er umfasst sechs Beiträge und wurde von Susanne Schwab und Marco Hessels als Gastherausgeber/innen organisiert und begleitet (siehe die nachstehende Einleitung).

Die ZBF realisiert damit ihre im Leitbild formulierte Intention, Innovationen im Bildungswesen zu begleiten, theoretisch abzusichern und damit eine evidenzbasierte Weiterentwicklung im Bildungswesen zu unterstützen.

Neben dem Schwerpunkt enthält das Heft auch Beiträge zu allgemeinen Themen. Markus Gebhardt, Susanne Schwab, Matthias Krammer, Barbara Gasteiger-Klicpera und Christine Sälzer überprüfen eine Skala zur Erfassung von individualisiertem Unterricht in der Sekundarstufe I. Bei einer Anwendung des Instruments zum Vergleich von Integrations- und Regelschulklassen zeigt sich, dass Schülerinnen und Schüler aus Integrationsklassen den Unterricht als integrativer wahrnahmen und Fragen zur inneren Differenzierung häufiger positiv beantworten.

Fran Osrecki, Enrica Denk und Wolfgang Dür untersuchen die Implementation eines Gesundheitsförderungsprogramms an ausgewählten Grundschulen in Österreich. In ihren Fallanalysen gehen sie der Frage nach, welche intendierten und nicht-intendierten Wirkungen dabei hervorgerufen werden. Im Zentrum steht das Spannungsverhältnis zwischen top-down Steuerung der Bildungsadministration und den Versuchen der Schulen bzw. Lehrpersonen, sich Autonomie zu erhalten.

Darüber hinaus finden Sie in diesem Heft eine kontrastierende Rezension von Josef Thonhauser zu didaktischen Veröffentlichungen von Horst Rumpf („Was hätte Einstein gedacht, wenn er nicht Geige gespielt hätte?“) sowie Mareike Kunter und Ulrich Trautwein („Psychologie des Unterrichts“), in der demonstriert wird, wie Autor/innen ganz unterschiedlicher wissenschaftstheoretischer Provenienz mit ähnlichen Fragestellungen umgehen. Jan-Hendrik Hinzke und Kathrin Maleyka besprechen „Professionalität und Kooperation in Schulen“ von Manuela Keller-Schneider, Stefan Albisser und Jochen Wissinger. Und wie immer wird das Heft durch Nachrichten aus der ÖFEB abgerundet.

Einleitung zum Themenschwerpunkt „Einstellungen zum inklusiven Unterricht

Susanne Schwab (Universität Graz) und Marco G. P. Hessels (Universität Genf),

Gastherausgeber/innen

Größere strukturelle Veränderungen im Schulsystem, wie beispielsweise die zunehmende Integration von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf (SPF), sind für die Bildungsforschung von großem Interesse. Wenngleich in Österreich, Deutschland und der Schweiz unterschiedliche Definitionen für den Begriff des SPF vorherrschen, so haben alle drei Länder in den letzten Jahren immer stärker auf den gemeinsamen Unterricht von Kindern mit und ohne SPF gesetzt. Nicht zuletzt, da auch alle drei Länder die UN Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung (siehe United Nations 2007) ratifiziert haben. Österreich tat dies dies bereits 2008, Deutschland im Jahr 2009 und die Schweiz im April 2014. Der Artikel 24 dieser Konvention widmet sich der inklusiven Bildung, wobei Inklusion in Regelschulen zum Normalfall werden soll. Hinsichtlich der Umsetzung von schulischer Inklusion gibt es jedoch starke Unterschiede zwischen einzelnen Ländern, Schulen und auch Klassen. Insofern ist es Aufgabe der Forschung zu analysieren, unter welchen Voraussetzungen Inklusion gelingen kann. Dabei gilt die Einstellung zum inklusiven Unterricht als eine der wohl wichtigsten Einflussvariablen, welche die Qualität der Inklusion beeinflusst (siehe dazu z. B. De Boer et al. 2011). Insbesondere die Einstellung der Lehrerinnen und Lehrer beziehungsweise jene von Lehramtsstudierenden gilt es zu erforschen. Aus diesem Grund widmet sich das vorliegende Themenheft dieser Thematik mit unterschiedlichen Methoden und verschiedenen Zugängen.

Valérie Benoit und Gérard Bless untersuchen die Einstellung zur schulischen Integration von Primarstufenlehrkräften der deutschsprachigen und französischsprachigen Schweiz anhand von zwei international bekannten Skalen (ORI und ATIES): Der Schwerpunkt ihres Beitrags liegt auf der Validierung dieser Messinstrumente.

Frank Hellmich und Gamze Görel zeigen am Beispiel von Grundschullehrkräften aus Deutschland, wie Erfahrungen in der Inklusion und persönliche Ressourcen von Lehrkräften (z. B. Selbstwirksamkeitsüberzeugungen) die Einstellung und Motivation erklären können.

Silke Trumpa, Frauke Janz, Vera Heyl und Stefanie Seifried führten eine Fragebogenerhebung zur Erfassung der Einstellungen zur schulischen Integration mit Lehrkräften und Eltern aus Deutschland durch und analysieren Unterschiede in Bezug auf verschiedene Schulentypen (Grundschulen, Werkreal- und Realschulen, Gymnasien und Sonderschulen).

Oskar Dangl befasst sich mit der Geistigbehindertenpädagogik. In einer qualitativen Evaluationsstudie präsentiert er die Ergebnisse aus Lerntagebüchern von österreichischen Lehramtsstudierenden und zeigt Herausforderungen der inklusiven Beschulung auf.

Neben der Einstellung zur Inklusion von Schüler/innen mit SPF spielt auch die generelle Einstellung zu Menschen mit Behinderung eine bedeutende Rolle. Jan Kuhl, Hubertus Redlich und Lea Schäfer stellen die Ergebnisse einer Befragung deutscher Lehrerinnen und Lehrer unterschiedlicher Schulen (Lehramt, Förderschule, Grundschule, Haupt-/Realschule und Gymnasium) zu ihren Einstellungen zu Menschen mit geistiger Behinderung dar.

Im letzten Beitrag des Themenhefts plädieren Helga Fasching und Gottfried Biewer für die Aufnahme partizipatorischer Elemente in die Forschung über Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung und benennen die damit verbundenen Chancen, Problemlagen und Herausforderungen.

Wir hoffen, dass die verschiedenen Artikel des Themenschwerpunkts zu einem tieferen Verständnis in Bezug auf die Einstellung zur schulischen Inklusion beitragen; eine gelingende Inklusion kann nur mit einer inklusiven Einstellung erreicht werden.