Zusammenfassung
Kennzeichnend für die Mobilität innerhalb der Sekundarstufe I (z. B. Aufstieg und Abstieg in eine andere Schulform) ist die Negativauslese. Mit diesem Beitrag werden mögliche Begründungen für dieses Mobilitätsmuster in schulischen Selektionsprozessen aufgezeigt, indem auf Basis einer qualitativen Interviewstudie die berufsbezogenen Überzeugungen von Lehrkräften im Rahmen eines Schulformwechsels in der Sekundarstufe I untersucht werden. Es zeigt sich, dass in den berufsbezogenen Überzeugungen wichtige Hinweise für die Verhinderung von Aufstiegen sowie die Unterstützung von Abstiegen gesehen werden können. Darüber hinaus wird aber auch deutlich, dass Lehrkräfte nicht als einheitlich zu betrachten sind, sondern sich hinsichtlich der berufsbezogenen Überzeugungen zum Schulformwechsel zwei Typen unterscheiden lassen.
Abstract
Mobility within secondary education (e.g. students moving between higher or lower track schools) is characterized by a negative selection. This contribution aims to point out possible reasons for this mobility pattern in school selection processes. Based on a qualitative interview study, teachers’ beliefs in the context of student movement between school types in secondary education are examined. The results indicate that teachers’ beliefs seem to play an important role for the prevention of student promotion to higher track schools as well as for the underpinning of student “downward movement” to lower track schools. In addition, it becomes clear that teachers cannot be regarded as sharing uniform beliefs in this matter; instead, teachers can be differentiated into two different types.
Notes
Die Schulformzugehörigkeit der interviewten Lehrkräfte wird im Folgenden angegeben mit GY = Gymnasium, RS = Realschule, HS = Hauptschule.
Literatur
Adam, H. (1964). Bildungsprivileg und Chancengleichheit.Das Argument, 6(31), 203–209.
Autorengruppe Bildungsberichterstattung. (2010).Bildung in Deutschland 2010. Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zu Perspektiven des Bildungswesens im demografischen Wandel. Bielefeld: Bertelsmann.
Baumert, J., Maaz, K., & Trautwein, U. (Hrsg.). (2010).Bildungsentscheidungen. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
Baumert, J., Trautwein, U., & Artelt, C. (2003). Schulumwelten. In Deutsches PISA-Konsortium. (Hrsg.),PISA 2000. Ein differenzierter Blick auf die Länder der Bundesrepublik Deutschland (S. 261–331). Opladen: Leske + Budrich.
Bellenberg, G., Hovestadt, G., & Klemm, K. (2004). Selektivität und Durchlässigkeit im allgemeinbildenden Schulsystem. Rechtliche Regelungen und Daten unter besonderer Berücksichtigung der Gleichwertigkeit von Abschlüssen. http://www.gew.de/Binaries/Binary6323/Studie_Selektivitaet_und_Durchlaessigkeit.pdf. Zugegriffen: 24. Feb. 2005.
Bless, G., Schüpach, M., & Bonvin, P. (2004).Klassenwiederholung. Determinanten, Wirkungen und Konsequenzen. Bern: Haupt.
Bos, W., Voss, A., Lankes, E.-M., Schwippert, K., Thiel, O., & Valtin, R. (2004). Schullaufbahnempfehlungen von Lehrkräften für Kinder am Ende der vierten Jahrgangsstufe. In W. Bos, E.-M. Lankes, M. Prenzel, K. Schwippert, R. Valtin, & G. Walther (Hrsg.),IGLU. Einige Länder der Bundesrepublik Deutschland im internationalen Vergleich (S. 191–228). Münster: Waxmann.
Gresch, C., Baumert, J., & Maaz, K. (2010). Empfehlungsstatus, Übergangsempfehlung und der Wechsel in die Sekundarstufe I: Bildungsentscheidungen und soziale Ungleichheit. In J. Baumert, K. Maaz, & U. Trautwein (Hrsg.),Bildungsentscheidungen (S. 230–256). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
Hartinger, A., Kleickmann, T., & Hawelka, B. (2006). Der Einfluss von Lehrervorstellungen zum Lernen und Lehren auf die Gestaltung des Unterrichts und auf motivationale Schülervariablen.Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 9(1), 110–126.
Helsper, W. (1996). Antinomien des Lehrerhandelns in modernisierten pädagogischen Kulturen: Paradoxe Verwendungsweisen von Autonomie und Selbstverantwortlichkeit. In A. Combe & W. Helsper (Hrsg.),Pädagogische Professionalität (S. 521–570). Frankfurt a. M.: Suhrkamp.
Klemm, K. (2004). Strukturfragen und kein Ende. In H. G. Holtappels, K. Klemm, H. Pfeiffer, H.-G. Rolff, & R. Schulz-Zander (Hrsg.),Jahrbuch der Schulentwicklung (Bd. 13, S. 83–96). Weinheim: Juventa.
Kluge, S. (1999).Empirisch begründete Typenbildung. Zur Konstruktion von Typen und Typologien in der qualitativen Sozialforschung. Opladen: Leske + Budrich.
KMK. (2010). Übergang von der Grundschule in Schulen des Sekundarbereichs I und Förderung, Beobachtung und Orientierung in den Jahrgangsstufen 5 und 6 (sog. Orientierungsstufe). http://www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/2010/2010_10_18-Uebergang-Grundschule-S_eI1-Orientierungsstufe.pdf. Zugegriffen: 12. Okt. 2011.
Kristen, C., & Dollmann, J. (2010). Sekundäre Effekte der ethnischen Herkunft: Kinder aus türkischen Familien am ersten Bildungsübergang. In J. Baumert & K. Maaz (Hrsg.),Bildungsentscheidungen (S. 205–229). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
Leuchter, M., Pauli, C., & Reusser, K. (2006). Unterrichtsbezogene Überzeugungen und handlungsleitende Kognitionen von Lehrpersonen.Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 9(4), 562–579.
Liegmann, A. B. (2008).Schulformwechsel. Perspektiven auf schulische Selektionsprozesse. Bad Heilbrunn: Klinkhardt.
Lüders, M. (2001). Dispositionsspielräume im Bereich der Schülerbeurteilung. Auch ein Beitrag zur Professions- und Organisationsforschung.Zeitschrift für Pädagogik, 47(2), 217–234.
Maaz, K., & Nagy, G. (2010). Der Übergang von der Grundschule in die weiterführenden Schulen des Sekundarschulsystems. Definitionen, Spezifikationen und Quantifizierung primärer und sekundärer Herkunftseffekte. In J. Baumert, K. Maaz, & U. Trautwein (Hrsg.),Bildungsentscheidungen (S. 153–182). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
Marsh, H. W. (2005). Big-Fish-Little-Pond Effekt on Academic Self-Concept.Zeitschrift für Pädagogische Psychologie, 19(3), 119–127.
Mauthe, A., & Rösner, E. (1998). Schulstruktur und Durchlässigkeit. In H.-G. Rolff, K.-O. Bauer, K. Klemm, & H. Pfeiffer (Hrsg.),Jahrbuch der Schulentwicklung (Bd. 10, S. 87–125). Weinheim: Juventa.
Ophuysen, S. van. (2006). Zur Problematik der Schulformempfehlungen nach der Grundschulzeit und ihrer prognostischen Qualität. In W. Bos, H.G. Holtappels, H. Pfeiffer, H.-G. Rolff, & R. Schulz-Zander (Hrsg.),Jahrbuch der Schulentwicklung: Daten, Beispiele und Perspektiven (Bd. 14, S. 49–79). Weinheim: Juventa.
Reusser, K., Pauli, C., & Elmer, A. (2011). Berufsbezogene Überzeugungen von Lehrerinnen und Lehrern. In E. Terhart, H. Bennewitz, & M. Rothland (Hrsg.),Handbuch der Forschung zum Lehrerberuf (S. 478–495). Münster et al.: Waxmann.
Roeder, P. M., & Schmitz, B. (1995).Der vorzeitige Abgang vom Gymnasium. Teilstudie I: Schulformwechsel in den Klassen 5 bis 10. Teilstudie II: Der Abgang von der Sekundarstufe I. Berlin: Max-Planck-Institut für Bildungsforschung.
Rolff, H.-G. (1972).Sozialisation und Auslese durch die Schule. Heidelberg: Quelle und Meyer.
Schümer, G. (1985).Daten zur Entwicklung der Sekundarstufe I in Berlin (West). Berlin: Max-Planck-Institut für Bildungsforschung.
Streckeisen, U., Hänzi, D., & Hungerbühler, A. (2007).Fördern und Auslesen. Deutungsmuster von Lehrpersonen zu einem beruflichen Dilemma. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwiss.
Terhart, E. (2011). Die Beurteilung von Schülern als Aufgabe des Lehrers: Forschungslinien und Forschungsergebnisse. In E. Terhart, H. Bennewitz, & M. Rothland (Hrsg.),Handbuch der Forschung zum Lehrberuf (S. 699–717). Münster: Waxmann.
Terhart, E., Langkau, T., & Lüders, M. (1999). Selektionsentscheidungen als Problembereich professionellen Lehrerhandelns. Abschlussbericht an die DFG. Bochum: Ruhr Universität Bochum.
Verordnung über die Ausbildung und die Abschlussprüfungen in der Sekundarstufe I (APO-S I). (i. d. F. v. 10.7.2011). http://www.schulministerium.nrw.de/BP/Schulrecht/APOen/APO_SI-07-08.pdf. Zugegriffen: 1. Okt. 2011.
Voss, T., Kleickmann, T., Kunter, M., & Hachfeld, A. (2011). Überzeugungen von Mathematiklehrkräften. In M. Kunter, J. Baumert, W. Blum, U. Klusmann, S. Krauss, & M. Neubrand (Hrsg.),Professionelle Kompetenz von Lehrkräften (S. 235–257). Münster u. a.: Waxmann.
Wagner, W., Helmke, A., & Schrader, F.-W. (2010). Die Rekonstruktion der Übergangsempfehlung für die Sekundarstufe I und der Wahl des Bildungsgangs auf der Basis des Migrationsstatus, der sozialen Herkunft, der Schulleistung und schulklassenspezifischer Merkmale. In J. Baumert, K. Maaz, & U. Trautwein (Hrsg.),Bildungsentscheidungen (S. 183–204). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
Witzel, A. (2000). Das problemzentrierte Interview H.1. http://www.qualitative-research.net/fqs-texte/1-00/1-00witzel-d.pdf [26 Absätze] Zugegriffen: 21. Jan. 2005.
Author information
Authors and Affiliations
Corresponding author
Rights and permissions
About this article
Cite this article
Liegmann, A. Durchlässigkeit im Schulsystem – eine Frage der Einstellung? Berufsbezogene Überzeugungen zum Schulformwechsel. Z f Bildungsforsch 2, 131–149 (2012). https://doi.org/10.1007/s35834-012-0031-7
Accepted:
Published:
Issue Date:
DOI: https://doi.org/10.1007/s35834-012-0031-7
Schlüsselwörter
- Schulformwechsel
- Berufsbezogene Überzeugungen
- Durchlässigkeit
- Gegliedertes Schulsystem
- Qualitative Interviewstudie