SUV, Familien-Van, klassische Limousine, sportliches Cabrio: Noch nie konnten Autokäufer unter so vielen unterschiedlichen Fahrzeugmodellen auswählen. Des einen Freud ist des anderen Herausforderung: Neben der großen Variantenvielfalt haben die gestiegenen gesetzlichen Anforderungen zu deutlich veränderten Entwicklungsprozessen geführt, insbesondere im Bereich der Powertrain-Entwicklung. Motor und Antriebsstrangkomponenten müssen trotz häufig realisierter Plattformstrategie für nahezu jedes einzelne Derivat individuell angepasst werden. Die klassischen Vorgaben wie steigende Leistung bei möglichst reduziertem Verbrauch bleiben erhalten. Verschärfte gesetzliche Anforderungen wie der für das Jahr 2020 angestrebte durchschnittliche Verbrauch von 95 g CO2/km für Neufahrzeuge oder die Erweiterung der rein zyklusbasierten Emissionsgrenzwerte um die sogenannten Real Driving Emissions für Europa und die USA führen zu immer komplexeren Antriebssystemen.

Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, kommen in modernen Motorsteuerungen immer häufiger physikalisch oder chemisch basierte Modelle zum Einsatz. Die Kalibrierung solcher Motorsteuerungen ist an klassischen Motorprüfständen mit klassischen Entwicklungsmethoden nicht zu leisten, soll der Aufwand vertretbar bleiben. Deshalb geht der Trend neben dem Weiterentwickeln klassischer Engineering-Methoden deutlich in Richtung mehr Simulationswerkzeuge. Der Einsatz von HiL-, SiL- oder Road-to-Rig-Prüfständen ermöglicht die signifikante Reduzierung der teuren Prototypen-Fahrzeuge.

Durch die geänderten Entwicklungsmethoden verändert sich auch das Anforderungsprofil des Entwicklungsingenieurs. Wir arbeiten heute in Projekten, die so komplex sind, dass unsere Entwicklungsingenieure neben einem hervorragenden Verständnis für das Gesamtsystem auch über ausgeprägte Methodenkompetenz verfügen müssen. Innovative Themen wie zum Beispiel prädiktives Fahren machen den Blick fürs Ganze genauso wichtig wie die Liebe zum Detail. Streckenverlauf, Steigung, Kurvenkrümmung — all diese Informationen können dazu genutzt werden, um den Leistungsbedarf des Fahrzeugs zu prädizieren und den Antriebsstrang so zu regeln, dass er möglichst wenig Kraftstoff verbraucht.

In den nächsten zehn Jahren wird sich im Bereich Augmented Reality, bei Elektronik und IT im Auto noch sehr viel tun. Bits und Bytes sind zum Taktgeber für Innovationen geworden, die die Automobilindustrie revolutionieren. Die Entwicklungszyklen für neue Motorengenerationen und alternative Antriebskonzepte werden immer kürzer und intensiver. Zwischen den ersten CAD-Modellen und dem Start der Serienproduktion liegen heute zwei bis zweieinhalb Jahre, mehr nicht. Ein Grund, weshalb Entwicklungspartner vollständig in den Engineering-Prozess der Hersteller integriert sein müssen. Anders sind die gemeinsamen Herausforderungen nicht zu meistern.