Als im September 2020 Pläne bekannt wurden, dass NVIDIA den britischen CPU-Entwickler Arm übernehmen möchte, war die Chipbranche alarmiert. Den Markt dominieren gegenwärtig zwei Prozessorarchitekturen, Arm und x86. Während x86 insbesondere bei Intel- und AMD-Prozessoren in PCs, Servern oder Spielkonsolen zum Einsatz kommt, ist Arm vor allem in sehr energieeffizienten Produkten wie Smartphones oder embedded Systems in der Autobranche und der Industrie in Gebrauch. Ohne die Lizenzen von Arm wären viele Halbleiterunternehmen daher nicht mehr wettbewerbsfähig. Mit dem möglichen Kauf durch NVIDIA sahen sich die Halbleiterproduzenten plötzlich mit der Gefahr konfrontiert, dass ein marktbeherrschender Wettbewerber ihnen beliebig die Preise diktieren kann.

Auch wenn das Geschäft letztlich platzte, waren die Hersteller gewarnt und hielten Ausschau nach Alternativen. Die vielversprechendste war RISC-V, eine Architektur für Prozessoren, die 2015 an der Universität von Berkeley entwickelt wurde. Der Clou an RISC-V: es handelt sich um ein quelloffenes System, das jeder ohne Lizenzgebühren nutzen und ändern kann. Das spart Kosten und erhöht den Spielraum für die Entwicklung von vielfältig einsetzbaren Prozessoren. Gleichzeitig senkt es die Einstiegshürde: Mit RISC-V können auch kleinere Marktteilnehmer Prozessoren für ihre speziellen Bedürfnisse entwickeln. Die Automobilindustrie könnte RISC-V-Chips etwa für Fahrzeugsysteme wie Lidar und Radar nutzen. Zudem eignen sie sich gut für sicherheitskritische Anwendungen im Fahrzeug, da hier einzelne "vorgefertigte" Blöcke nach Automotive-Standards wie ASIL-D zertifiziert werden können.

Open Source birgt allerdings auch Risiken. Die Hard- und Softwareentwicklung ist aufwändig und die Gefahr hoch, Patente zu verletzen. Vor allem aber ist klar, dass RISC-V in der Entwicklung den etablierten Architekturen noch viele Jahre hinterher ist. Doch inzwischen springen immer mehr Unternehmen und Institutionen auf den Zug auf. Ähnlich wie bei Linux vor 30 Jahren scheint sich das Jahr 2023 zu einem Wendepunkt zu entwickeln. Google hat bekanntgegeben, dass Android in Zukunft RISC-V unterstützen wird. Mehrere Industrieallianzen aus Technologiekonzernen und Chipfertigern − inklusive NXP − haben angekündigt, die Entwicklung eines Ökosystems rund um RISC-V zu fördern. Gemeinsam mit anderen namhaften Wettbewerbern planen wir, ein Unternehmen zu gründen, das sich zunächst vorwiegend auf die Entwicklung von RISC-V-Lösungen für die Automobilindustrie fokussieren soll. Sogar die EU setzt auf RISC-V, um die technologische Unabhängigkeit Europas zu stärken, zum Beispiel mit der European Processor Initiative (EPI).

Der Abstand von RISC-V zu Arm und x86 wird sich daher schnell verringern. Natürlich fehlt es noch an umfassender Softwareunterstützung, leistungsstarken Prozessoren bis hin zur Unterstützung weiterer großer Technologiekonzerne und -plattformen. Aber der Grundstein ist gelegt.