Lieber Leser, liebe Leserin,
die Abkehr vom einzelnen Steuergerät mit eng abgegrenzten Funktionen bringt uns in die schöne neue Welt der "Computer on Wheels" mit einer enormen zentralisierten Rechenpower statt der bisherigen Schwarmintelligenz durch ECUs. Wie Paul Hansen in der Ausgabe 3-4 berichtete, stellt die Umsetzung des Prinzips die OEMs und Tier-1-Zulieferer allerdings durchaus vor Probleme: "[…] we were surprised to learn recently from top executives in our industry that multiple carmakers have been struggling to make HPC implementations work."
Vorher anwendungsnah in einer ECU dargestellte Funktionen mit einem schnellen Abgleich zwischen Führungs-, Stell-, Regel- oder Störgrößen wie komplexen Brems- und Rekuperationsvorgängen eines PHEV schwimmen künftig zwar nicht einfach nur irgendwo in einem großen Softwaresee herum, sondern teilen sich nun Ressourcen mit anderen Anwendungen teils ähnlicher Sicherheitsstufe. Auf die alte Art waren verteilte Systeme mit enger Zielrichtung möglicherweise einfacher bereitzustellen, abzusichern und zu optimieren. Verglichen damit steigt die allgemeine Komplexität in einem neuen zentralen System eher exponentiell denn linear an.
Berücksichtigt man, dass dieses Thema der Implementierung in HPC-Systeme bereits beim Umsetzen der aktuellen E/E-Architekturen und Assistenzsysteme bis hin zu SAE-Level 2 immer öfter aufpoppt, gibt das zu denken. Addiert man hier die Entwicklung in Richtung hochautomatisierter Fahrzeuge hinzu, deren KI Bewegungsmuster, Objekte oder gar Daten wie Geräusche extrem schnell verarbeiten und vorausschauend extrapolieren muss, liegt der Bezug zur indischen Schachbrettlegende mit ihren 264 minus 1 Datenkörnchen nahe. Entscheidend wichtig fürs Auto deswegen: Wie reduziere ich die Zahl der relevanten Daten für die KI, um nicht bei einer extrem großen Zahl an Handlungspfaden wie den genannten rund 18,5 Trillionen zu landen und dies in Software und Hardware abbilden zu müssen? Neben anderen Dingen führt das eigentlich unweigerlich zur Definition beherrschbarer Maximalgeschwindigkeiten für bestimmte Situationen oder Orte. Denn im Gegensatz zum Menschen, der ganz locker davon ausgeht, dass bei Tempo 200 keine ungeplante Störung durch "oncoming Aliens" auftritt und gewisse Wahrscheinlichkeiten einfach ausblendet, benötigt eine KI kontinuierlich exakte, belastbare Daten, um sicher unterwegs zu sein. Und der bei autonomem Fahren haftende Fahrzeughersteller dürfte diesen sicheren Zustand zu jeder Zeit gewährleisten wollen.
Viel Spaß bei der Lektüre des Hefts!
Robert Unseld
Verantwortlicher Redakteur

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Unseld, R. 18.446.744.073.709.551.615. ATZ Elektron 17, 3 (2022). https://doi.org/10.1007/s35658-022-0767-3
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