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Dr. Wolfgang Bernhart Senior Partner, Roland Berger GmbH, und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats der ATZelektronik

© Roland Berger

Wenn es um neue Geschäftsmodelle, Digitalisierung und Hochtechnologie geht, fällt der Blick oft zunächst ins Silicon Valley. Mit Tausenden von Unternehmen ist der südliche Teil der „Bay Area“ unbestritten die wichtigste IT- und High-Tech-Region weltweit. Gleichzeitig herrscht dort aber auch der höchste Wettbewerb — sowohl um Talente wie auch um Investitionen und Beteiligungen an innovativen Start-ups mit potenziell disruptiven Innovationen.

Hingegen führt Israel als wichtiger Standort für High-Tech-Start-ups noch immer ein Schattendasein. Und das zu Unrecht. Denn das Land verfügt über die weltweit höchste Konzentration von Start-ups pro Einwohner. Mit über 5000 Gründungen, von denen mehr als 750 durch Venture Capital finanziert sind, handelt es sich auch absolut um die weltweit zweithöchste Konzentration nach Kalifornien.

Gründe hierfür sind die High-Tech-Orientierung der gesamten Nation — mit einer Rate von 140 Wissenschaftlern und Ingenieuren pro 10.000 Einwohnern (85 in den USA) — und die ausgeprägte Start-up-Kultur des Landes. Zu den wesentlichen Aspekten zählen die positive Haltung gegenüber Fehlern und Risiko, das Arbeiten in Teams und „Joint missions“, das enge Netzwerk innerhalb des stark international orientierten Landes, die frühe Übernahme von Verantwortung im Rahmen des dreijährigen verpflichtenden Militärdienstes und nicht zuletzt die breit stattfindende Kommerzialisierung fortschrittlicher Militärtechnologien.

Mit dem Ziel von Partnerschaften und Akquisitionen betreiben daher über 300 multinationale Unternehmen (neben den Internetgiganten auch Automobilunternehmen wie GM) F&E-Zentren in Israel. Über 400 Unternehmen fokussieren auf die Schlüsseldisziplinen Infotainment und Connected Car, Auto-matisiertes Fahren, Shared Mobility, alternative Kraftstoffe und Energiespeicher sowie Safety und Security. Über 150 dieser Unternehmen sind mittlerweile produktive Zulieferer der Automobilindustrie mit einem Exportvolumen von deutlich über einer Milliarde US-Dollar.

Firmen wie MobilEye, RedBend, Moovit, GreenRoad, Waze und iOnRoad und andere konnten in den vergangenen 24 Monaten Beteiligungen oder Verkaufserlöse von Funds, strategischen Investoren und aus Börsengängen von über 10 Milliarden US-Dollar erlösen. Zuletzt beteiligte sich zum Beispiel Volkswagen mit über 300 Millionen US-Dollar am Fahrvermittlungsdienst Gett.

Eine gezielte Suche nach und der Besuch von innovativen Start-ups in Israel sollte nicht fehlen, um potenzielle Beteiligungen oder Akquisitionen zu identifizieren. Israel lädt dazu ein, zu Inspirationstouren, um die Digitalisierungsprogramme vorzustellen. Die Rundreisen haben sich auch als ein erfolgreiches Instrument erwiesen, um Führungskräften der Old Economy neue Denk- und Arbeitsweisen zu vermitteln. Hoffentlich lassen sie sich aufrütteln und Israel richtig einschätzen.