Das Auto der Zukunft wird elektrifiziert, automatisiert und vernetzt sein. Das hören wir zur Genüge. Doch welche technischen Konsequenzen hat diese Entwicklung überhaupt? Ebenfalls zur Genüge ist kommuniziert, dass die Komplexität von Elektronik, Software und IT so enorm steigt wie deren Kostenanteile im Fahrzeug. Die Herausforderungen sind formuliert und geeignete Maßnahmen — beispielsweise neue und nachhaltige Systemarchitekturen — sollten demzufolge schon zu erwarten sein, die zudem den wachsenden Anforderungen an Safety und Security Rechnung tragen. Wird das schon überzeugend umgesetzt?

Dies gilt es zu diskutieren. Meiner Ansicht nach reicht es nicht, sich auf die bisher evolutionär erfolgten Rezepte zu verlassen, wie dies heute noch praktiziert wird. Unreflektiert verlassen wir uns auf ein verteiltes paralleles Rechnersystem. Fünf verschiedene Datenbusse werden standardmäßig für die Kommunikation zwischen den bis zu 100 Steuergeräten eingesetzt: Ein Gateway-Knoten fungiert für die Kommunikation zwischen den Bussen und als Diagnoseschnittstelle zur Außenwelt. Erste Anwendungen setzen bereits Ethernet ein. Wenn nun neue Funktionen kommen, bauen wir einfach an: noch ein Balkon und noch ein Balkon. Die Statik wird kippen.

Besser wäre die Bildung von Domänen — mit wenigen, aber leistungsfähigeren Steuergeräten, die über einen Backbone miteinander vernetzt sind. Funktionen lassen sich domänenbezogen zusammenfassen und optimieren sowie die ihnen angebotene Computerleistung erhöhen. Die Car-to-X-Vernetzung ließe sich vereinfachen, ebenso die Softwareaktualisierung „over the air“. Es entsteht Freiraum für neue Entwurfs- und Absicherungsmethoden.

Eine neue E/E-Architektur wird zentrale Supercomputer nutzen. Zu den aufgeführten Vorteilen könnten wir vollkommen neue Softwarearchitekturen realisieren und — in Kombination mit einer Performanceerhöhung der drahtlosen Vernetzung der Fahrzeuge — Funktionen in die Cloud auslagern. Offene Softwareplattformen und Machine Learning halten dann Einzug ins Automobil. Hypervisorkonzepte ließen sich realisieren. Es wäre nicht mehr die Hardware, sondern die Software, die das System beschreiben würde.

„So ein Aufwand“, sagen Bedenkenträger. Und dann gelte es zudem, Entwicklungsabteilungen umzustrukturieren. Der Kunde merke ja eh nichts. Oder doch? Interessant ist, dass sich manche Unternehmen in den USA und in China nicht an eine 30 Jahre alte Architektur gebunden fühlen. Sie starten ohne Ballast. Ein Wettbewerbsvorteil, den der Kunde früher oder später spüren wird.

Immerhin gibt es in den Reihen der klassischen Automobilindustrie ein paar wenige Verbundprojekte, die sich in der Forschung bereits mit mehr Revolution als Evolution in dieser Thematik beschäftigen. Auch sind uns schon erste Konzepte für eine revolutionär neue Elektrik- und Elektronikarchitektur aus der Elektronik- und Softwareindustrie vorgestellt worden. Ich wünschte, es wären von allen mehr.