Liebe Leserin, lieber Leser,

dieser Tage besuchte ich eine langjährige Freundin in deren frisch bezogener Wohnung und erkundigte mich irgendwann nach dem Netzschlüssel für den Internetzugang bei ihr. "Die Nummer lautet …", sie senkt die Stimme, nähert den Mund meiner Hörmuschel und beginnt die Zahlenkombination zu flüstern. Meiner ebenso erstaunten wie verständnislosen Miene begegnet sie mit einem vielsagenden Kopfnicken in Richtung ihres Handys. "Google!", raunt sie. Es dauert einen Moment, bis ich verstehe: Feind hört mit.

Auch wenn man sich zuhause nicht der Alexas und Siris dieser Welt bedient - wer würde heutzutage noch seine Hand dafür ins Feuer legen, dass die Ohren der ein oder anderen Web-Krake via Router und verbundener Endgeräte nicht bis in die eigenen vier Wände reichen? Was geschieht da wirklich, Datenschutz hin, Privatsphäre her, sei es legal oder illegal? Ein ebenso privater Raum wie die heimische Wohnung ist das Automobil, finden doch hier ähnliche Aktivitäten wie zum Beispiel sensible Telefonate, Privatgespräche und zuweilen auch der Austausch körperlicher Zärtlichkeiten statt. Wie schaut es also dort mit dem Datenschutz aus, welche Freiheiten räumen sich die Automobilhersteller hier über ihre schriftlich fixierten Nutzungsbedingungen ein?

Genau dies hat die Mozilla Foundation in einer Studie untersucht und ist dabei zu einem mehr als erschreckenden Ergebnis gelangt. Während etwa bei Fitnessapplikationen, einer beim Datenschutz mit dem Attribut "grottenschlecht" versehenen Kategorie, schon 63 % der betrachteten Anwendungen als kritisch eingestuft wurden, sind es bei den Fahrzeuganbietern sage und schreibe 100 %. Entsprechend vernichtend fällt das Urteil aus: "Allen 25 Automarken in unserem Test haben wir den 'Datenschutz-nicht-inbegriffen-Warnhinweis' verliehen. Damit sind Autos in puncto Datenschutz ganz offiziell die übelste Produktkategorie, die wir je geprüft haben." Penibel listen die Prüfer den "Albtraum Datenschutz" auf, bei dem einem wirklich der Mund offen stehen bleiben kann.

Autohersteller können demnach nahezu ungehemmt persönliche Daten sammeln, indem sie beobachten, wie wir über die genutzten verbundenen Dienste mit dem Fahrzeug interagieren, und weitere umfangreiche Informationen von Drittquellen wie Sirius XM oder Google Maps über uns beziehen. Die Quintessenz laute: Automobile können in riesigen Mengen intimste Details über uns zusammentragen: von medizinischen und genetischen Daten oder gar Sexleben über Informationen, wie schnell und wohin wir fahren, bis hin zu der Lieblingsplaylist für unterwegs. Diese Informationen würden dann verwendet, um durch "Rückschlüsse" auf Intelligenz, Fähigkeiten und Interessen der Insassen zu kommen.

Manchmal wünscht man sich in seinen alten Käfer zurück, wo man unbeobachtet kommunizieren und auf der Rücksitzbank kuscheln konnte.

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Frank Jung

Redakteur