Betrachtet man den derzeitigen öffentlichen Diskurs zum Thema Automobilindustrie, könnte man leicht glauben, es handele sich nicht um die größte industrielle Erfolgsgeschichte in Deutschland, sondern um einen besonders krassen Fall von Unvermögen und Verantwortungslosigkeit. Bei dieser hysterischen Debatte geht verloren, welche großartige Arbeit die deutschen Automobilingenieure leisten.

Ich möchte hier nicht der Frage nachgehen, ob und wieweit Gesetze bei den Abgasemissionen von Automobilen missachtet wurden und welche Institution oder Person dabei Fehler gemacht hat. Vielmehr möchte ich anhand der Fahrzeugakustik aufzeigen, dass insgesamt mehr Sensibilität bei den Verantwortlichen vonnöten ist, wenn die automobile Erfolgsgeschichte weitergehen soll. Denn kaum ein technisches Produkt greift so tief in das Leben der Menschen ein wie das Automobil. Das gilt sowohl in sachlicher als auch in emotionaler Hinsicht. Dem einen ist sein Auto Ausdruck des individuellen Lebensgefühls, dem anderen ist es nur Fortbewegungsmittel oder gar Feindbild. Es ist Aufgabe der Gesetzgebung, diesen latenten Interessenskonflikt durch entsprechende Vorgaben zu entschärfen. Dabei ist die Mitwirkung der Industrie unabdingbar, denn nur sie kann alle technologischen und wirtschaftlichen Interdependenzen einbringen. Daraus erwächst ihr jedoch auch eine besondere Verantwortung.

Wie die Abgasemission ist auch die Lärmemission von Kraftfahrzeugen gesetzlich geregelt. Auch hier wurde das seit 1982 gültige Messverfahren zur Bestimmung des Vorbeifahrgeräuschs als wenig praxisrelevant kritisiert und mittlerweile durch ein neues, realitätsnahes Verfahren ersetzt. Mit der europäischen Verordnung EU 540/2014 wurden seit 2016 auch neue Grenzwerte festgelegt. Stellt man das modifizierte Testverfahren in Rechnung, so bedeuten diese neuen Grenzwerte keine wirkliche Verschärfung der Anforderungen an die Geräuschemission. Damit haben sich die kurzfristigen Interessen der Industrie gegen das Schutzbedürfnis des Bürgers vor Lärmbelästigung durchgesetzt. Besonders problematisch ist auch, dass die Grenzwerte nach Fahrzeugklassen gestaffelt wurden. Dabei sind für besonders leistungsstarke Fahrzeuge bis zu 4 dB höhere Grenzwerte erlaubt. Auf diese Weise wurde die seit 40 Jahren praktizierte Gleichbehandlung aller Automobile wieder zugunsten eines „Lärmbonus“ für Supersportwagen aufgegeben. Ob sich die Automobilindustrie mit diesem „Verhandlungserfolg“ längerfristig einen Gefallen tut, kann bezweifelt werden. Die seit einigen Jahren in Mode gekommenen synthetisch programmierten „Fehlzündungen“ stellen bei diesen Fahrzeugen eine weitere unnötige akustische Belästigung dar. Sie sind auch das plakative Negativbeispiel für eine wenig authentische „Fake-Akustik“.

Nur wenn die großartige Arbeit der Automobilingenieure durch eine größere Sensibilität der Verantwortungsträger für das Gemeinwohl ergänzt wird, kann die gesellschaftliche Akzeptanz des Automobils auch zukünftig erhalten werden.