Die 1999 von 29 europäischen Bildungsministern in Bologna unterzeichnete Erklärung, Studiengänge und -abschlüsse harmonisieren zu wollen, führte in Deutschland zu einer weitreichenden Umstellung auf Bachelor- und Masterstudiengänge. Der Abschluss „Diplom-Ingenieur“ wurde hierdurch nach und nach durch „Bachelor/Master of Science/Engineering“ ersetzt. Bis auf wenige Ausnahmen werden die deutschen Hochschulen daher bald keinen Titel „Dipl.-Ing.“ mehr vergeben.

Diese Entwicklung haben einige Bundesländer zum Anlass genommen, die sogenannten Ingenieurgesetze zu verschärfen, um die EU-Richtlinie 2013/55 zur erfüllen. Diese Gesetze sind Ländersache und legen seit den 1970er-Jahren fest, unter welchen Voraussetzungen die Berufsbezeichnung „Ingenieur“ geführt werden darf und wie die Anerkennung von Bildungsabschlüssen erfolgt, die im Ausland erworben wurden. Die Anforderungen an ein deutsches Ingenieurstudium waren dabei bisher auf das Wesentliche beschränkt: Das Studium muss eine technische oder naturwissenschaftliche Fachrichtung haben, mit einer Dauer von mindestens sechs Semestern. Dies wollen nun einige Bundesländer deutlich ändern. Beispielsweise ist geplant, für das Ingenieurstudium ein Mindestanteil von 80 % Mint-Fächern gesetzlich vorzuschreiben. Die Ingenieurkammern sollen prinzipiell das Recht zum Führen der Berufsbezeichnung „Ingenieur“ prüfen und bescheinigen. Berufsaufgaben und typische Tätigkeiten werden vorgegeben. Und Ingenieure mit ausländischer Berufsqualifikation müssen sich in ein Verzeichnis der Ingenieurkammer eintragen.

Solche Regelungen sind weder förderlich für den Schutz des guten Rufs des Ingenieurberufs, noch zielführend in Hinblick auf die Straffung und Vereinfachung der Vorschriften, wie es von der EU-Richtlinie angestrebt wurde, um berufliche Qualifikationen anzuerkennen. Sie erzeugen stattdessen zusätzlichen bürokratischen Aufwand, schwächen die Autonomie der Hochschulen, erschweren die nationale und internationale Mobilität von Ingenieuren und verringern die Anpassungsmöglichkeiten von Ingenieurstudiengängen an neue technische und gesellschaftliche Entwicklungen.

Um sicherzustellen, dass wir auch zukünftig herausragende Ingenieure ausbilden können, muss die Zertifizierung der Qualität von Ingenieurstudiengängen im Hochschul- und Wissenschaftsbereich bleiben. Detaillierte gesetzliche Vorgaben sind hierfür unnötig. Für die Anerkennung von im Ausland erbrachten äquivalenten Leistungen benötigen wir ein einfaches und transparentes Verfahren. Ein Mitwirken der Ingenieurkammern sollte dabei möglich, aber nicht notwendig sein. Und die Abschlussurkunden aller deutschen Ingenieurstudiengänge können zum Tragen des Titels „Ingenieur“ berechtigen, damit der „Ingenieur“ auch zukünftig ein anerkanntes und transparentes Markenzeichen bleibt.