Liebe Leserin, lieber Leser,

werden die Automobilisten zu Architekten? Schaut man sich die Aktivitäten der OEMs in letzter Zeit an, könnte man diesen Eindruck gewinnen. Deren Geschäftsziel ist nicht mehr der Verkauf von Autos, sondern Städte neu zu planen, Infrastrukturen zu optimieren und Verkehrsströme besser zu lenken.

In der Forschungsinitiative Urban von BMWi und Industrie — unter anderem wirken Audi, BMW, Daimler, MAN, Opel und Volkswagen sowie Bosch und Continental mit — wird gezeigt, wie Stadt und Stadtverkehr von morgen bedarfsgerecht gestaltet werden können. Im Teilprojekt Vernetztes Verkehrssystem geht es um ein nahtloses Zusammenspiel der Assistenzsysteme im Fahrzeug mit den lokalen Verkehrsleitzentralen, sodass hochautomatisiertes Fahren möglich wird.

Audi lobt den Urban Future Award aus, dessen Ergebnisse helfen sollen, Probleme der Stadt und der Mobilität zu lösen. Vier internationale Expertenteams mit Stadtplanern und Ethnografen präsentierten im Mai ihre Ideen und möchten im Herbst den Preis gewinnen. Das deutsche Team will den Flughafen in Berlin-Tegel zum Forschungs- und Industriepark komplett umgestalten. Unter dem Stichwort Virtual Valet Parking möchte die Bostoner Gruppe „Raum- und Effizienzgewinne in der städtischen Infrastruktur schaffen“, indem Assistenzsysteme intensiv genutzt werden.

Der Leiter des Mercedes-Benz Advanced Design Deutschland entführte die Teilnehmer der ATZlive-Karosseriebautage, siehe Seite 8, in visionäre Bilderwelten für die Mobilität in der Großstadt des Jahres 2025. Holger Hutzenlaub griff die Trends Stadtarchitektur und Infrastruktur auf. Er konstatierte, dass sich das Aufgabenfeld des Designers, das bisher die formale Gestaltung eines Fahrzeugs umfasste, heute auch um die Darstellung seines Kontextes, also des Stadtraums, erweitere. Das Fahrzeug der Zukunft ist Büro und Wohnzimmer zugleich.

Das klingt alles sehr futuristisch. Aber gehen wir als Individuen diese Schritte auch mit? Wird der Mensch nicht vielmehr zum Statisten in einer gigantischen Technik-Aufführung? Es genügt nicht, wenn Technik und Design sich Stadtplanung und Architektur als neue Spielfelder vornehmen. Auch die Menschen müssen reif für solch eine Weiterentwicklung sein und das auch wollen. Die Designer täten gut daran, die Bedürfnisse eine heterogenen Gesellschaft, seien es nun Junge und Alte, Reiche und Arme sowie kulturelle Unterschiede wie bei Italienern oder Japanern, gleichermaßen und stärker in ihre Planungen einzubeziehen. Dies nach dem Motto: Möchte das der Kunde überhaupt? Erste Schritte sind mit Fahrer-assistenz und Vernetzung getan, jedoch ist es noch ein weiter Weg in die skizzierten visionären Bilderwelten.

Herzlichst, Ihr

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