Liebe Leserin, lieber Leser,

nur wenige Themen werden derzeit so heiß diskutiert wie das hochautomatisierte oder das vollautomatisierte Fahren. Quer- und längsdynamisch führende Assistenzsysteme wie ACC und Spurhalteassistent, die das teilautomatisierte Fahren ermöglichen, werden bald zum Standardrepertoire im Automobilbau gehören. Sie genießen, wo bereits heute angeboten, auf Kundenseite hohe Akzeptanz. Die zunehmende Urbanisierung und das zukünftige Wachsen der Ballungszentren werden allerdings weitreichende Folgen für den Individualverkehr mit sich bringen. Der Individualverkehr in seiner heutigen Form wird zumindest im urbanen Umfeld in nicht allzu ferner Zukunft der Vergangenheit angehören: Kooperative Mobilitätskonzepte werden das Autofahren revolutionieren.

Das macht Sinn, denn die Überlastung der Hauptverkehrsadern bedeutet längere Fahrzeiten, erhöhtes Unfallrisiko und stärkere Umweltbelastung und ist damit volkswirtschaftlich nicht sinnvoll. Die Forschung und Erprobung im Bereich von Car-to-X-Systemen ist mittlerweile schon so weit fortgeschritten, dass bei den notwendigen Technologien bereits von Serienreife gesprochen werden kann. Telematik, intelligente Assistenz- und mobile Kommunikationssysteme sind technisch in der Lage, ein umfassendes, dynamisches Verkehrsleitsystem in Echtzeit abzubilden: mit Reichweiten von bis zu 1000 m und Geschwindigkeiten von bis zu 200 km/h.

Damit sind technisch nahezu alle Voraussetzungen erfüllt, um Verkehrsbehinderungen, Gefahrensituationen oder Unfallstellen schnell und sicher von Fahrzeug zu Fahrzeug zu kommunizieren und auch ohne Eingreifen des Fahrers die nötigen Reaktionen einzuleiten. In einem ersten Schritt werden sicherlich nur die Fahrzeuge untereinander kommunizieren und sich (und ihre Fahrer) gegenseitig auf Situationen hinweisen. Dennoch bedarf es keiner Kristallkugel, um zu prophezeien, dass es dann bis zum autonomen Agieren des Fahrzeugs und seiner Assistenzsysteme nur ein kleiner Schritt ist. Die gegenwärtigen Notbremsassistenten verschiedener Hersteller geben einen guten Ausblick darauf, was passieren kann, wenn der Fahrer sein Fahrzeug nicht oder nicht schnell genug überwachen kann.

Die Technik ist mithin vorhanden, es bleibt nur noch ein schwerwiegendes Problem: Nach der derzeit gültigen Rechtslage wäre kein vollautomatisiert fahrendes Fahrzeug homologationsfähig. Hier geht der Appell an die Politik, schnell die Weichen dahingehend zu stellen, dass kooperative Mobilität basierend auf einem tragfähigen Leitsystem schnell und nachhaltig umgesetzt werden kann. Fließende, sichere und schnelle Regelung komplexer Verkehrsflüsse steht für intelligente Steuerung bewegter Massen — wer einmal einen großen Schwarm Fische beobachtet hat, weiß, wovon die Rede ist.

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