Man muss kein großer Prophet sein, um zu sagen: Das Jahr 2022 wird als Meilenstein in die Geschichte eingehen. Eine weltweite Pandemie, ein verbrecherischer Angriffskrieg und eine Weichenstellung für die künftige Mobilität. Die Auswirkungen werden uns noch lange begleiten. Und wir brauchen angesichts rasant gestiegener Benzin- und Dieselpreise eine größere Akzeptanz für synthetische Kraftstoffe. Wir bleiben ein Importland für Energie und sollten uns deutlich mehr Sonne und Wind als Energiequellen erschließen. Damit werden auch synthetische Kraftstoffe, sogenannte E-Fuels, bezahlbar. Wenn wir es bis 2050 betrachten, kommen wir nach jetzigen Maßstäben vielleicht auf einen Literpreis von rund einem Euro.

In den europäischen Gremien und Ausschüssen herrschte lange Zeit die Meinung, dass Elektromobilität sauber ist. Kritiker verwiesen allerdings schon länger darauf, dass die Herstellung der Akkus bis hin zu ihrer Entsorgung als Ganzes betrachtet werden muss. Und möglicherweise haben auch die eingangs erwähnten Krisen dazu geführt, dass nun noch intensiver darüber nachgedacht wird. Die EU-Umweltminister folgten zwar fast dem Vorschlag der EU-Kommission und ihrem "Fit for 55"-Programm, aber eben nur fast. Denn einige Länder, darunter auch Deutschland, haben die Kommission zu Vorschlägen verpflichtet, dass Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor auch nach 2035 neu zugelassen werden können, wenn sie mit E-Fuels betrieben werden. Ein Etappensieg für mehr Technologieoffenheit.

Zur Erinnerung: E-Fuels werden durch die Synthese von Wasserstoff und Kohlenstoff hergestellt und können da produziert werden, wo es Sonne und Wind satt gibt. Siemens, Porsche, Exxon und andere haben bereits eine entsprechende Anlage dafür in Chile. Doch es braucht klare Rahmenbedingungen für den Hochlauf. Der Einsatz von E-Fuels kann mit der Beimischung zu herkömmlichen Kraftstoffen beginnen. Schon eine Beimischung von 5 % des regenerativ erzeugten Kraftstoffs könnte im Jahr 2030 zur Einsparung von 60 Mio. t CO2 führen. Das entspräche 40 Mio. Pkw, die für ein Jahr von der Straße genommen werden. Aber die Produktion von nachhaltigen Kraftstoffen verlangt hohe Investitionen. Die Kraftstoffindustrie benötigt daher ein deutliches Signal, um rechtzeitig ausreichende Mengen an E-Fuels bereitstellen zu können. Dieses Signal muss von den europäischen Gesetzgebern kommen. Wenn Brüssel dies nicht tut, Peking wird es mit Sicherheit tun - mit neuen Abhängigkeiten für Europa. Wir sollten in diesen Tagen gelernt haben, dass dies keine guten Vorzeichen sind.