Liebe Leserin, lieber Leser,

ein altes deutsches Sprichwort besagt, der Zweite sei der erste Verlierer. Auch wenn es zugegeben eine sehr radikale Sicht auf die Dinge repräsentiert, verdeutlicht es doch sehr gut eine Situation, in der höchste Ansprüche gestellt und dann nicht erfüllt werden. Das haben zum Beispiel jüngst die Ruderer des Deutschland-Achters zu spüren bekommen, die im Rennen um die olympische Goldmedaille den Neuseeländern knapp unterlagen. In den meisten anderen Disziplinen wäre eine Silbermedaille sicherlich ein Erfolg, aber für das Flaggschiff des Verbands gelten eben andere Ansprüche.

Tatsächlich haben kürzlich auch die deutschen Ingenieure einen Titel "verloren", ebenfalls in einer Paradedisziplin, dem Maschinenbau. In diesem Bereich hat China Deutschland den Rang des Exportweltmeisters abgelaufen. Und was macht man als guter Verlierer? Richtig, das gleiche wie im Sport: Staub abklopfen, Krönchen zurechtrücken und wieder loslaufen. Schließlich waren die deutschen Ingenieure nicht ohne Grund so lange an der Weltspitze. Um dorthin zurückzukommen, dürfen sie sich nun nur nicht in den Schatten stellen lassen und defensiv agieren, sondern müssen mit stolz geschwellter Brust zu ihren Produkten stehen. Auch zum Verbrennungsmotor, der in Deutschland zu einer Reife entwickelt wurde, die ihresgleichen sucht. Darauf kann man stolz sein, und man muss es auch, schließlich wird der mit CO2-neutralen, synthetischen Kraftstoffen betriebene Verbrennungsmotor einen entscheidenden Beitrag zur Emissionsvermeidung leisten können und müssen. Davon bin ich überzeugt, und mit mir ein großer Teil der Entwickler.

Der Abgasskandal hat erheblichen Schaden angerichtet, seine Nachwirkungen sind heute noch überdeutlich zu spüren. Aber damals wie heute steht das Produkt für sich selbst - als eine großartige Ingenieursleistung. Nur haben sich die Handelnden, als der Skandal publik wurde, benommen wie unreife Jungs, die man beim Betrügen erwischt hat - vielleicht auch etwas aus Angst davor, den hohen Ansprüchen nicht zu genügen und erster Verlierer zu sein.

Gerade dann, wenn es nicht optimal läuft, ist echter Sportsgeist gefragt. Dann gilt es zum einen, sich auf seine Stärken zu besinnen und Ziele konsequent und selbstbewusst zu verfolgen, zum anderen aber auch, offen für Neues zu sein und sich Entwicklungen nicht zu verschließen.

Viel Vergnügen bei der Lektüre dieser Ausgabe der MTZ.

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Marc Ziegler

Stellvertretender Chefredakteur