Ende April hat das Bundesverfassungsgericht die Bundesregierung zum Nachsitzen verdonnert. Nun hat die Regierung das Klimaschutzgesetz nachgebessert: Bereits bis 2045 soll Deutschland klimaneutral werden, die Emissionsziele bis 2030 werden verschärft - auch für den Verkehrssektor. Dieser sorgte zwischen 1990 und 2019 nahezu unverändert für jährlich rund 160 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente, der Rückgang 2020 war vor allem Lockdown-bedingt. Bis 2030 soll nun der Ausstoß um fast die Hälfte sinken. Eine gewaltige Herausforderung, für deren Lösung einseitige Technologiebewertungen nicht taugen. Machen wir uns also ehrlich.

Keine Frage: Die vom Verkehrssektor verursachten CO2- Emissionen müssen deutlich sinken. Aber: Die gängige Tank- to-Wheel-Betrachtung ist aus Sicht einer Gesamt-CO2-Bilanz schlicht hinderlich. Sie blendet wesentliche CO2-Quellen wie Rohstoffgewinnung, Produktion und Recycling aus und eignet sich nicht für eine ehrliche Technologiebewertung.

So können selbst bei optimistischer Betrachtung der Ausbauszenarien für erneuerbare Energien diese den steigenden Energiebedarf im Zuge einer vollständigen Flottenumstellung auf BEVs mittelfristig nicht abdecken. Somit würde eine solche Umstellung erst weit nach 2030 zu einer merklichen CO2-Einsparung führen - und zuvor die CO2-Budgets belasten. Ein Effekt, auf den IAV bereits 2020 auf dem Wiener Motorensymposium hingewiesen, und den jüngst auch eine Gruppe internationaler Professoren bei der Europäischen Kommission adressiert hat. In Ergänzung zum Ausbau der E-Mobilität sprechen sie sich unter anderem für E-Fuels aus, mit denen der Einsatz von Verbrennungsmotoren de facto CO2-neutral, und außer beim Kaltstart nahezu emissionsfrei ist.

Bei aller Diskussion, das eigentliche Ziel bleibt klar: Das verbleibende Restbudget an CO2, um die Erderwärmung auf höchstens 1,5 °C zu begrenzen, darf nicht überschritten werden. Dafür ist eine ehrliche und neutrale Bewertung von Technologien zwingend notwendig - wie es beispielsweise in China angedacht wird. Dieser Ansatz erfordert eine sektor- und ressortübergreifende Betrachtung.

In unserer auf dem diesjährigen Wiener Motorensymposium vorgestellten Studie haben wir entsprechend in einer Lebenszyklus-Betrachtung die Einsparpotenziale von E-Antrieben, Brennstoffzellensystem und Wasserstoffverbrennungsmotoren bewertet und miteinander verglichen. Die Ergebnisse zeigen: Mit Blick auf die Gesamt-CO2-Bilanz sollten wir auf einen intelligenten und bedarfsgerechten Antriebsmix setzen, der neben dem BEV auch E-Fuels und - Stichwort leichte und schwere Nfz - den Wasserstoffantrieb via Brennstoffzelle und motorischer Verbrennung beinhaltet.

Für uns als Entwickler bedeutet das: Um die mit der Vielzahl und Kombination der Technologien einhergehende Komplexität zu meistern, setzen wir weiterhin auf die Digitalisierung und Automatisierung der Entwicklungsprozesse und den Einsatz von Simulationsmethoden.