Liebe Leserin, lieber Leser,

nach wie vor sucht die Bundesregierung ihr Heil in der Elektromobilität, um den CO2-Ausstoß im Verkehr zu verringern. Kaufprämien und Steuervergünstigungen sollen Kunden locken, Zuschüsse den Aufbau der Ladeinfrastruktur vorantreiben. Völlig selbstverständlich werden immer wieder Rekorde verkündet, der Bestand elektrischer Fahrzeuge explodiere nahezu. Auf dem aktuellen Niveau stimmt das sogar: Waren Anfang 2019 noch knapp 53.000 E-Fahrzeuge in Deutschland zugelassen, sind es ein Jahr später schon 136.600. Auch bei den Ladestationen tut sich etwas: Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) meldet im März 2020 27.730 öffentliche und teilöffentliche Ladepunkte in Deutschland, auch hier ein Zuwachs von über 50 %. Prozentual klingt das nach einem Erfolg, absolut sind die Zahlen allerdings ernüchternd. Denn selbst der BDEW geht davon aus, dass für eine flächendeckende E-Mobilität in Deutschland 70.000 Normalladepunkte und weitere 7000 Schnellladepunkte pro 1 Million E-Autos benötigt werden. Bei einer angepeilten E-Fahrzeug-Flotte von 7 bis 10 Millionen Fahrzeugen bis 2030 wird dann auch dem letzten klar, dass die Ziele eventuell etwas zu optimistisch angesetzt wurden. Die bis Ende 2022 angepeilten 50.000 öffentlichen Ladepunkte würden dann, den Angaben des BDEW folgend, ausreichen, um eine Flotte von 650.000 E-Autos zu versorgen. Damit müsste sich die Zahl der zugelassenen E-Fahrzeuge auch in den nächsten beiden Jahren jeweils mehr als verdoppeln, um auch nur die Kapazität zu decken.

Zudem werden Nutzer von Elektrofahrzeugen aber auch mit einer schier unüberschaubaren Flut an verschiedenen Anbietern und Preismodellen für das Laden überhäuft. Zwar gibt es mittlerweile zahlreiche kombinierte Angebote, bei denen der Ladevorgang per RFID-Chip oder einfach mit der Kreditkarte gestartet werden kann. Die Preise schwanken dabei aber enorm. Seit April 2019 müssen Ladesäulen zwar eichrechtskonform aufgebaut und abgerechnet werden; einmal mehr existieren aber Übergangsfristen, die es den Betreibern nach wie vor ermöglichen, nach Einreichung eines Umrüstplans für die Säulen Sessionpreise pro Ladevorgang zu verlangen und so eine genaue Abrechnung pro kWh zu umgehen. Sogenannte Notlader, also all jene, die normalerweise zu Hause laden und nur im Notfall zu öffentlichen Stationen gehen, sind Benachteiligte, denn besonders an Autobahnen und Schnellladesäulen wird ordentlich abkassiert.

Unabhängig von der Diskussion rund um Lebenszyklus-CO2-Emissionen von Elektrofahrzeugen und die so viel zitierte Reichweitenangst: Ein Plan muss her, denn unerreichbare Ziele und undurchsichtige Kostenstrukturen werden den Hochlauf der Elektromobilität behindern.

Ich wünsche viel Vergnügen bei der Lektüre dieser Ausgabe der MTZ.

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Marc Ziegler

Stellvertretender Chefredakteur