Liebe Leserin, lieber Leser,

die gesellschaftlichen und demografischen Entwicklungen bringen das Gesundheitssystem zunehmend unter Druck. Vor allem das Tätigkeitsfeld der Pflege wird zunehmend größer – sowohl quantitativ als auch qualitativ –, hoch qualifizierte Pflegekräfte fehlen jedoch, und die Aussichten für die künftige Versorgung sind eher düster. Die Vielfältigkeit des Berufsbilds könnte eines von mehreren Argumenten sein, junge Menschen in ihrer Berufswahl für dieses Tätigkeitsfeld zu begeistern. In der Realität kämpfen die aktiven Pflegekräfte jedoch oft mit frustrierenden Rahmenbedingungen.

Drei brisante Aspekte werden in den Beiträgen der vorliegenden Ausgabe von HeilberufeScience erörtert. Ganz unmittelbar mit dem sozialen, beruflichen und gesundheitlichen Erleben der Pflegekräfte in stationären Krankenpflegeeinrichtungen beschäftigten sich Kraft und Drossel in einer qualitativen Analyse mit 10 Pflegenden im Alter von 26 bis 52 Jahren aus 5 verschiedenen Krankenhäusern im Raum von Niedersachsen und Thüringen. Sie stellten fest, dass sich der Fachkräftemangel aus der Sicht der Pflegenden u. a. auf ihre physische und psychische Gesundheit, den Blick auf den eigenen Beruf sowie die Teilnahme am sozialen Leben auswirkt. Zudem werden zunehmend auch die zu behandelnden Patienten durch den Mangel an Fachpersonal gefährdet. In den Interviews gaben 6 der 10 Befragten an, den Beruf heute nicht noch einmal zu wählen und über einen Branchenwechsel nachzudenken. Die Befragten wünschen sich verschiedene Veränderungen, die Arbeitgeber und Politik betreffen. Dazu zählt ein Personalschlüssel, abgestimmt auf die Anzahl der Patienten, als auch eine grundsätzliche attraktivere Gestaltung des Berufs. Die große Anzahl junger Migranten sollte als bedeutende Ressource genutzt werden, meinen die Autoren, und sie für eine entsprechende Ausbildung gewonnen werden.

Migranten werden künftig auch Einrichtungen der Altenhilfe und Pflege als Klienten in Anspruch nehmen. Der Zugang ist für diese Bevölkerungsgruppe aus unterschiedlichen Gründen erschwert. Einer ist der Grad der interkulturellen Öffnung der Einrichtungen im Pflegebereich. Kim und Park untersuchten die Situation anhand von Pflegeinstitutionen in Berlin und fanden, dass knapp über 50,0 % der befragten Einrichtungen Handlungsbedarf bei der pflegerischen Versorgung von Migranten wahrnahmen. Der überwiegende Teil der befragten Einrichtungen, nämlich 70,0 %, meinte jedoch, dass die Versorgung von Migranten wirtschaftlich nicht bedeutend sei. Die Einstellung gegenüber dem Thema beeinflusst jedenfalls auch das Verhaltensmuster: Eine hohe Sensibilität für die interkulturelle Öffnung geht mit dem besseren interkulturellen Stand der Einrichtungen einher. In Berlin, so zeigte die Studie von Kim und Park, gibt es bezüglich der interkulturellen Öffnung bei den pflegerischen Einrichtungen einen deutlichen Aufholbedarf. Auch wäre es notwendig, valide und objektive Instrumente zur Erfassung der interkulturellen Öffnung zu entwickeln.

Der Stellenwert von Pflegewissenschaft und -forschung trägt langfristig auch zur Professionalisierung der Pflege und zum Selbstbewusstsein des Berufsstandes bei. Bis diese Entwicklung etabliert ist, ist die Zeit des Übergangs von ambivalenten Einstellungen in der Praxis geprägt. Der Prozess der Implementierung geprüfter, wissenschaftlich hinterlegter Methoden in der Pflegepraxis wird in der Gesundheits- und Krankenpflege seit mehreren Jahren diskutiert. Maurer et al. untersuchten anhand eines speziellen Konzepts Einflussfaktoren für die erfolgreiche Umsetzung. Sie stellten dabei das Implementierungsmodell Consolidated Framework for Implementation Research (CFIR) auf den Prüfstand bei der Einführung von Kinästhetik in stationären Langzeitpflegeinstitutionen und fragten, ob aufgrund der komplexen Eigenschaften von Kinästhetik zusätzliche Aspekte bei der Implementierung beachtet werden müssen. Dabei zeigte sich jedoch, dass der CFIR umfassend mögliche Einflussfaktoren, die bei der Implementierung von Kinästhetik berücksichtigt werden sollten, abdeckt und die Experten deutlich weniger als die im CFIR aufgeführten Einflussfaktoren benennen. Allerdings konnten manche im CFIR beschriebenen Einflussfaktoren durch die Interviewaussagen konkretisiert werden. Für das konkrete Untersuchungsfeld von Schweizer Langzeitpflegeeinrichtungen empfehlen die Autoren, dass Personen in leitenden Positionen stärker hinsichtlich Implementierungsstrategien und deren Anwendung in Bezug auf die erfolgreiche und nachhaltige Implementierung von Kinästhetik geschult werden sollten.

Zusätzlich zu den drei Beiträgen in der aktuellen Ausgabe von HeilberufeScience möchten wir Sie auch auf das Supplement zur „18th European Doctoral Conference in Nursing Science – EDCNS“, die im September 2019 in Graz stattfand, aufmerksam machen. Sie finden die Abstracts zu allen Vorträgen, Keynotes, Postern und auch Workshops. Hier können Sie sich ein gutes Bild machen, woran Doktoratsstudenten der Pflegewissenschaft arbeiten und welche Fragestellungen aktuell im Mittelpunkt stehen.

Wir wünschen Ihnen eine anregende Lektüre und freuen uns, wenn Sie auch eigene Untersuchungen und Publikationen in HeilberufeScience einreichen!

Ihre Verena Kienast

Redakteur Springer Medizin/Springer Pflege