Migräne kann ganz schön auf die Stimmung schlagen, daher ist es nicht erstaunlich, wenn in den USA rund ein Drittel der Migränepatienten neben Triptanen auch serotonerg wirkende Antidepressiva nehmen. Da Triptane auch auf das Serotoninsystem wirken, besteht bei einer Kotherapie zumindest theoretisch die Gefahr eines Serotoninsyndroms mit Tachykardie, Zittern, Fieber, Erbrechen, Blutdruckschwankungen oder gar Koma. Nach 29 Verdachtsfällen hat die US-Zulassungsbehörde FDA 2006 eine Warnung herausgegeben und sprach von einem potenziell lebensbedrohlichen Serotoninsyndrom unter einer Kombitherapie von selektiven Serotoninwiederaufnahmehemmern (SSRI) oder Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmern (SNRI) zusammen mit Triptanen. Auch in Deutschland ist eine solche Warnung in Beipackzetteln zu finden. Nach einer gründlichen Analyse habe aber keiner dieser 29 Fälle die diagnostischen Kriterien für ein Serotoninsyndrom erfüllt, sagte Dr. Michelle Kerr von der Universität Seattle auf dem AAN-Kongress. Auch weitere Studien hätten keine Hinweise auf ein erhöhtes Risiko durch eine entsprechende Komedikation ergeben. „Es wird daher Zeit, dass die FDA diese Warnung überdenkt“, sagte Kerr.

Unterschiedliche Rezeptoren

Die Neurologin wies darauf hin, dass das Serotoninsyndrom über den Serotoninrezeptor 5HT2A vermittelt werde, Triptane wirkten jedoch primär an diversen 5HT1-Rezeptoren. Das spreche schon vom Wirkmechanismus gegen ein erhöhtes Risiko unter einer Komedikation von Triptanen und Antidepressiva. Zudem sei ein Serotoninsyndrom nicht einfach zu diagnostizieren: Symptome wie Erbrechen, Fieber und Durchfall hätten oft andere Ursachen. Es müssten schon gemäß den Hunter-Kriterien Beschwerden wie Kloni, Tremor oder Hypertonie und Hyperthermie unter einer serotonergen Arznei auftreten.

Auch Verordnungsdaten lieferten keine Hinweise auf eine Gefahr. Kerr verwies auf eine Untersuchung, bei der Klinikdaten von über 62.000 Migränepatienten mit einer Triptan-Therapie analysiert wurden, die in der Klinik in Seattle sowie an der Harvard Medical School in Boston behandelt worden waren. Die Ärzte suchten überdies gezielt nach ICD-Codes für nicht näher bezeichnete extrapyramidale Symptome oder Bewegungsstörungen. Sie fanden insgesamt 103 Patienten mit auffälligen ICD-Codes, deren Patientenakten sie gründlich analysierten. Bei keinem einzigen deuteten die Einträge auf ein serotonerges Syndrom, so Kerr, obwohl, wie aus den Daten zu entnehmen war, rund ein Drittel zu den Triptanen SSRI oder SNRI einnahmen.

Die Neurologin verwies auf Studien aus den vergangenen Jahren, die zu ähnlichen Resultaten geführt haben. Bereits 2012 erschien eine Analyse von Verordnungsdaten, nach denen in den Jahren 2007 und 2008 mehr als eine Million US-Amerikaner zugleich Triptane und serotonerge Antidepressiva eingenommen hatten, ohne dass dabei Fälle eines Serotoninsyndroms bekannt geworden sind. Schließlich fand eine 2018 veröffentlichte Analyse von knapp 48.000 Migränepatienten mit Triptan-Antidepressiva-Kotherapie aus dem Raum Boston bei 229 Patienten einen Verdacht auf ein Serotoninsyndrom. Eindeutig bestätigen ließ er sich jedoch nur bei zwei Betroffenen. Unterm Strich sei auch hier ein Zusammenhang mit der Triptan-Kotherapie fraglich. Da jedoch noch immer vielen Migränepatienten geraten werde, entweder ihre Triptane oder die Antidepressiva abzusetzen, hätten solche Analysen eine erhebliche Bedeutung für die Versorgung von Migränekranken, sagte Kerr.