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Ludger Tebartz van Elst

254 S., 1. Auflage, Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart 2017, 35 € (Epub 30,99 €)

ISBN 978-3-17-031258-6 (Epub: 978-3-17-031260-9)

Das Buch ist vor allem für Patienten und Angehörige, aber ebenso für Allgemein-, Fachärzte und Forscher gedacht. In seinem Vorwort vermerkt der Autor, dass dies ein schwieriges Unterfangen sei. In Zeiten von Transparenz und erstaunlicher Informiertheit von Laien erscheint eine so weit gefasste Gruppe von Adressaten keineswegs verfehlt, sondern dem Bedürfnis nach seriöser Information im raschen Wandel von Erkenntnissen durchaus angemessen. Somit schließt dieses Buch eine wichtige Lücke fundierter, aber doch verständlicher Informationen für viele über viele auch unzureichend geklärte oder ganz ungeklärte Fragen in der Schizophrenieforschung mit einem besonderen Blick auf hoch spannende Neuentwicklungen mit therapeutischer Relevanz. Bei letzteren stehen sowohl in der Darstellung wie in einzelnen Falldarstellungen aus der eigenen Klinik die entzündlichen Ursachen schizophrener Syndrome sowie paraepileptische Syndrome im Fokus, was auch der internationalen Aufbruchsstimmung in dieser Hinsicht entspricht.

Limbische oder autoimmune Enzephalitiden und andere milde Enzephalitiden sind offenbar eine bis vor kurzem selten oder gar nicht erkannte klinische Entität in akut psychiatrischen Patientengruppen mit meist schizophren oder affektiv ausgeprägten Psychosyndromen, die immer wieder überraschend schnell und effektiv mit immunmodulatorischen Therapien behandelt werden können. Die dargestellten Einzelfälle geben hierzu detaillierte Einblicke. Die weiteren Kapitel des Buches einschließlich eines Abschnitts zur Problematik einzelfallbasierter Forschung weisen aber auch auf die vielen offenen Fragen und die Begrenztheit des aktuellen Wissens ausdrücklich hin.

In den neun Kapiteln des Buches werden die Psychopathologie, der Krankheitsbegriff mit Fokus auf die psychische Störung, die aktuellen Klassifikationen nach ICD und DSM (internationale medizinische Klassifikationssysteme), die aktuell bekannten Risikofaktoren und Ursachen schizophrenieformer Syndrome einschließlich der beteiligten Faktoren im Krankheitsmodell (Pathogenese, Ätiologie) sowie in Kapitel 8 die neuen Entwicklungen wie schon besonders erwähnt, kritisch und umfassend bearbeitet.

Im neunten Kapitel wird schließlich der Krankheitsbegriff auf dieser Grundlage nochmals hinterfragt und ein Blick in die Zukunft einer neuropsychiatrischen Differenzialdiagnostik schizophrener Syndrome geworfen, in der verschiedene Ursachengruppen erkannt werden, was letztlich dann wieder schon der Idee von Eugen Bleuler bei der Schaffung des Schizophreniebegriffs sehr nahekommt, der ja davon sprach, dass es sich wahrscheinlich um eine Gruppe von Schizophrenien handele.

Die wissenschaftliche Qualität des Buches wird durch jeweils ein Geleitwort von Prof. Heinz Häfner, Deutschland, und von Prof. Dr. Stephan Heckers, USA, unterstrichen. Die praktische Qualität des Buches ist besonders hervorzuheben, mit einer einleitenden Darstellung wichtiger Begriffe auf mehreren Seiten, wiederholten Zusammenfassungen einzelner Kapitel mit einfach verständlicher Botschaft sowie ausführlichen informativen Tabellen etwa zu den verschiedenen Formen von autoimmunen Enzephalitiden, metabolischen Psychosen oder der Wernicke-Kleist-Leonhardt-Systematik psychotischer Störungen.

Ein wesentliches Anliegen des Autors ist, Vorurteile und Ängste bei Patienten und Angehörigen — vielleicht auch bei Ärzten und Forschern — in Bezug auf Erkrankungen an Psychosen aus dem schizophrenen Formenkreis, wie dies Gerd Huber nannte, abzubauen durch Information und Hinterfragen des Standardmodells. Dies ist in anspruchsvoller aber auch verständlicher Weise gelungen. Das Buch kann dem Kreis der Adressaten von Laien und Fachleuten aus Praxis und Forschung wärmstens empfohlen werden.