Die Coronavirus-Pandemie ist das beherrschende medizinische Thema der Jahre 2020 und 2021. Auch in der Diabetologie ist es notwendig, sich mit dieser neuen Erkrankung zu beschäftigen: Zum einen, weil viele Menschen mit Diabetes Risikopatienten sind, zum anderen, weil natürlich auch in der Pandemiezeit Erstmanifestationen eines Diabetes mellitus weiter diagnostiziert und diese Patienten rechtzeitig adäquat behandelt werden müssen.

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Ein Mensch kommt mit schweren Atemproblemen und Fieber in die Klinik, COVID-19 ist diagnostiziert. Vorsicht, das könnte nicht alles sein.

Schlanke Patientin mit Pollakisurie und Polydipsie schon seit mehreren Monaten

Eine 56-jährige, bisher gesunde und normalgewichtige Frau erkrankte Ende Oktober 2020 mit starkem Krankheitsgefühl, Fieber, Husten, Dyspnoe, Gliederschmerzen sowie Geruchs- und Geschmacksverlust. Nach 3 Tagen waren die pulmonalen Symptome rückläufig, aber die ausgeprägte Schwäche bestand weiterhin. Ein ambulanter SARS-CoV-2-PCR-Test war positiv, die Vorstellung im Krankenhaus erfolgt wegen der sehr ausgeprägten Schwäche. In den Laboruntersuchungen zeigte sich dann ein Blutzucker von 594 mg/dl. Auf gezielte Nachfrage berichtete die Patientin über Pollakisurie und Polydipsie schon seit mehreren Monaten. Im Urin war der Ketontest dreifach positiv, der pH-Wert im Blut war 7,2. Nach der stationären Aufnahme erfolgte dann eine bilanzierte Infusionstherapie mit Ausgleich der Elektrolytbilanz, außerdem wurde eine Insulintherapie begonnen. Der HbA1c-Wert von 16,0 % zeigt, dass die Stoffwechselentgleisung schon längere Zeit, also schon lange vor der SARS-CoV-2-Erkrankung, vorgelegen haben musste. Die Patientin wurde nach der stationären Aufnahme aufgrund der SARS-CoV-2-Infektion isoliert im COVID-Bereich des Krankenhauses. Die Diabetesschulung und die Einstellung auf eine intensivierte Insulintherapie verzögerten sich durch die notwendigen Hygienemaßnahmen deutlich, da die aufwendigen Maßnahmen natürlich auch durch die Mitarbeiter des Diabetesteams exakt umgesetzt werden mussten. Glücklicherweise besserte sich der Zustand der Patientin schnell und es war keine weitere spezifische COVID-Therapie notwendig. Die im weiteren Verlauf bestimmten diabetesspezifischen Autoantikörper zeigten positive GAD-Antikörper, weitere Autoantikörper waren nicht nachweisbar. Die GAD-Antikörper und die ketoazidotische Stoffwechselentgleisung bei Aufnahme sprechen für einen LADA, sodass die Patientin nach Überwindung der COVID-19 und Einstellung auf eine intensivierte Insulintherapie mit einem schnell wirkenden Insulinanalogon zu den Mahlzeiten und einer abendlichen Basalinsulininjektion mit kompensierter Stoffwechsellage in die ambulante Betreuung entlassen werden konnte.

Adipöser Patient mit "Zucker", Virus und bakterieller Superinfektion

In der Rettungsstelle eines großen Krankenhauses stellt sich ein 54-jähriger Mann mit einem Body-Mass-Index von 33 kg/m² mit Fieber, Husten, Dyspnoe, Schwäche und Polyurie vor. Der Blutzucker bei Aufnahme ist mit 477 mg/dl deutlich erhöht, es besteht aber keine Azidose und keine Ketonurie. Die SARS-CoV-2-PCR ist positiv, im Thorax-CT zeigten sich typische bilaterale flächige Infiltrate. Der Patient wurde in den COVID-Bereich des Krankenhauses aufgenommen. Die Diabetestherapie erfolgte mit einer intensivierten Insulintherapie und zusätzlicher Gabe von Sitagliptin. Trotz kontinuierlicher Sauerstoffgabe verschlechterte sich die Sauerstoffsättigung des Patienten, sodass der Einsatz von Dexamethason notwendig wurde. Eine pulmonale bakterielle Superinfektion erforderte den Einsatz eines intravenösen Antibiotikums. Erst nach 14 Tagen besserte sich der Zustand des Patienten soweit, dass bei stabiler pulmonaler Situation jetzt die Umstellung auf eine mit Basalinsulin unterstützte orale antidiabetische Therapie (BOT) mit Metformin in reduzierter Dosis, Sitagliptin und Basalinsulin zur Nacht erfolgen konnte. Der HbA1c-Wert war mit 12,8 % deutlich erhöht, Diabetes-Autoantikörper waren nicht nachweisbar, sodass es sich auch aufgrund des klinischen Erscheinungsbildes wahrscheinlich um einen Typ-2-Diabetes-mellitus handelt. Nach einer individualisierten Diabetesschulung konnte nach mehr als dreiwöchigem Krankenhausaufenthalt die Entlassung nach Hause in noch deutlich geschwächtem Zustand erfolgen. Ambulant kann dann nach weiterer Diabetesschulung, Ernährungsoptimierung und Bewegungstherapie eventuell im Verlauf ein Insulinauslassversuch gestartet werden, dies war im Verlauf des stationären Aufenthaltes noch nicht möglich.

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© Jürgen Tomicek, Werl

Jung, gesund und nicht offensichtlich systemrelevant? Willkommen in der Impftermin-Warteschleife.

Diabetesschulung unter sehr erschwerten Bedingungen

Diese beiden Beispiele zeigen, dass sich nicht selten auch im Verlauf einer COVID-19 ein Diabetes mellitus manifestieren kann, sowohl ein Typ 1 als auch ein Typ 2. Die Therapieeinleitung ist durch die Infektionserkrankung und die damit verbundene Stoffwechselentgleisung sowie die Isolationsnotwendigkeit mit den eingeschränkten Schulungsmöglichkeiten erschwert und erfordert eine hohe Flexibilität sowie eine exakte Beachtung der notwendigen Hygienemaßnahmen durch das Diabetesteam. Auch zusätzliche Medikamente wie Dexamethason machen eine ständige Therapieanpassung und - zumindest in der Akuttherapie - fast immer den Einsatz von Insulin notwendig. Es gibt aber bisher keine Anzeichen dafür, dass eine COVID-19 einen Diabetes mellitus auslösen könnte, sondern die Diabetesmanifestation erfolgt, wie in den Fallbeispielen gezeigt, weiterhin als Diabetes Typ 1 oder Typ 2.