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Bei Typ-1-Diabetikern mit Gastroparese steigt der Blutzucker 20 min nach einer Haferflockenmahlzeit nur auf <160 mg/dl.

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Bei der Gastroparese handelt es sich um eine verzögerte Magenentleerung mit abdominellen Symptomen wie Übelkeit, Erbrechen, Sättigungsgefühl, Blähungen und epigastrischen Schmerzen. „Viele Diabetiker klagen ebenso wie Stoffwechselgesunde über gastrointestinale Beschwerden ohne dass eine diabetische Gastroparese dahinter steckt“, so Prof. Erhard G. Siegel, Chefarzt der internistischen Abteilung im St. Josefskrankenhaus, Heidelberg. Doch während 20 bis 40 % der Allgemeinbevölkerung zumindest zeitweise Magen-Darm-Symptome angeben, sind es bei den Diabetikern 75 %. Das Symptomenspektrum umfasst Übelkeit (20-30 %), Sodbrennen (15 %), Erbrechen (10-20 %), Obstipation (10-20 %) und rezidivierende Durchfälle (5-10 %). „Schon die Tatsache, dass Obstipation und Durchfälle manchmal beim gleichen Patienten auftreten, zeigt, wie komplex die Pathogenese ist“, so Siegel. Auch sei die Inzidenz bei Typ-1-Diabetikern mit 5,2 % deutlich höher als bei Typ-2-Dabetikern, von denen nur 1 % betroffen seien. Bei Stoffwechselgesunden sei die Gastroparese mit einer Inzidenz von 0,2 % sehr selten.

Komplexe Störung der gastrointestinalen Motilität

Als auslösender Faktor spielt auch bei Diabetikern eine gastrointestinale Infektion eine besondere Rolle. „Viele Diabetiker geben an, dass die Symptome erst nach einem Magen-Darm-Infekt, den sie sich im Rahmen einer Auslandreise zugezogen hatten, aufgetreten seien“, so Siegel. Dies gelte auch für das Reizdarm-Syndrom. Die Diabetesdauer und auch das Vorliegen einer peripheren bzw. autonomen Neuropathie seien wichtige Prädiktoren für das Vorliegen einer Gastroparese.

Im Mittelpunkt des Geschehens steht die verzögerte Magenentleerung und zwar als Folge einer verminderten Antrumkontraktion bei einer gesteigerten Pyloruskontraktion. Aber auch die Motilität der Speiseröhre, des Dünn- und Dickdarms und auch des Anorektums ist gestört, was zu einer Verlängerung der Transitzeit führt. „Am Anus ist sowohl der Press- als auch Ruhedruck und auch die Sensitivität herabgesetzt“, so Siegel.

Die Diagnostik ist schwierig

Für den Nachweis der verzögerten Magenentleerung stehen verschiedene Verfahren zur Verfügung, die aber im Hinblick auf die Praktikabilität und auch Zuverlässigkeit sehr unterschiedlich zu bewerten sind. Ein Elektrogastrogramm steht meist nicht zur Verfügung. „Einfach und praktikabel sind dagegen der Ultraschall nach einer Testmahlzeit und der Haferflockentest“, so Siegel. Im Unterschied zu Gesunden komme es bei Patienten mit einer Gastroparese 20 Minuten nach der oralen Belastung mit Haferflocken nur zu einem Blutzuckeranstieg auf einen Wert unter 160 mg/dl. Dies gelte aber nur für Typ-1-Diabetiker, für Typ-2-Diabetiker sei der Haferflockentest nicht geeignet, um eine Gastropathie zu diagnostizieren.

Aufwendig und nicht überall verfügbar sind apparative Methoden wie der C13-Oktanoat-Atemtest, die Magenentleerungsszintigrafie und der Radiopaque-Marker-ROM-Test, mit dem röntgenologisch der Transit von Pellets verfolgt werden kann. „Wenn sechs Stunden nach der Einnahme die Marker immer noch im Magen sind, spricht das eindeutig für eine Gastroparese“, so Siegel.

Begrenzte Wirkung von Medikamenten

Bei einer schweren akuten Magenentleerungsstörung muss der Magen über eine Sonde dekomprimiert werden, zusätzlich sollte Erythromycin i.v. gegeben werden. Wichtig ist auch die Beseitigung der Stoffwechselentgleisung, nämlich der Ketoazidose. „Das A und O der Therapie der Gastroparese ist die Optimierung der Blutglukose-Einstellung“, so Siegel. Achten müsse man aber auch auf eventuelle Nebenwirkungen einer begleitenden Pharmakotherapie, insbesondere solche mit einer anticholinergen Wirkung. Medikamentös stehen nur Domperidon und Metoclopramid zur Verfügung. Bei Gabe von Metoclopramid kommt es meist zu einem schnellen Wirkverlust. Nachteilig sind auch die zentralnervösen Nebenwirkungen. „Es kann sinnvoll sein, beide Substanzen im einem mehrwöchigen Wechsel zu geben“, so die Empfehlung von Siegel. Als Ultima ratio müsse in Einzelfällen bei Patienten mit nicht ausreichender Nahrungszufuhr auch eine perkutane endoskopische Jejunostomie oder ein Magenschrittmacher diskutiert werden.

Wichtige Ernährungsempfehlungen

Effektiver als Medikamente sind Ernährungsempfehlungen. Dazu gehören der Verzicht auf Kaffe, Alkohol und Nikotin. Pfefferminz, Schokolade, Fette und Koffein verringern den Druck des distalen Ösophagussphinkters und sind deshalb ebenfalls ungünstig. Auch auf Kaugummis sollte man verzichten, da sie zu einem vermehrten Luftschlucken führen. Empfehlenswert sind kleine ballaststoffarme Mahlzeiten mit wenig Fett, gutes Kauen, ein aufrechtes Sitzen bis zu 30 Minuten nach der Mahlzeit und bei insulinpflichtigen Diabetikern eine Reduzierung des Spritz-Ess-Abstandes.