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Viel diskutiert wurde in der Roma Hall während des EASD-Kongresses, etwas darüber, ob Hypoglykämien wirklich ursächlich schuld am erhöhten Sterbebrisiko sind.

© spa/Springer Medizin

Erneut zeigt sich in einer Studie, dass schwere Hypoglykämien mit einer erhöhten Sterblichkeit einhergehen. Erstaunlicherweise war das Sterberisiko in der DEVOTE 3-Studie sogar noch Monate nach dem Vorfall erhöht. Dieser Befund wirft die Frage nach der Kausalität des Zusammenhangs auf.

Eine Assoziation zwischen dem Auftreten von Hypoglykämien und kardiovaskulären Ereignissen und Tod hat sich in diversen Studien immer wieder gezeigt. Fraglich ist allerdings, ob die Unterzuckerzustände die kausale Ursache oder nur ein Marker für eine besondere Anfälligkeit der betroffenen Patienten darstellen.

In einer aktuellen Sekundäranalyse der DEVOTE-Studie wurde der Zusammenhang zwischen schweren Hypoglykämien und der Gesamtsterblichkeit erneut belegt. Die Ergebnisse dieser DEVOTE 3-Studie wurden auf dem EASD-Kongress in Lissabon präsentiert.

Mortalität noch Monate später erhöht

„Die Daten deuten darauf hin, dass das Sterberisiko für Wochen bis Monate nach dem Ereignis erhöht bleibt“, berichten die Studienautoren um Thomas Pieber von der Universität Graz in der zeitgleichen Publikation in Diabetologia. Die größte Gefahr bestehe aber wohl kurz nach dem Ereignis. So war das Sterberisiko 15 Tage nach Auftreten der Hypoglykämie um mehr das Vierfache (Hazard Ratio, HR: 4,20), 180 Tage später um mehr das Dreifache (HR: 3,13) und 365 Tage nach dem Vorfall um das 2,7-Fache erhöht.

Generell war das Sterberisiko für Patienten, die während der Studienzeit eine Hypoglykämie erlitten hatten, um das 2,5-Fache höher als für Patienten ohne entsprechendes Ereignis.

Kaum Einfluss auf kardiovaskuläre Ereignisraten

Für das Auftreten schwerer kardiovaskulärer Ereignisse (MACE) ergab sich keine zeitliche Assoziation, wobei die Autoren darauf hinweisen, dass die Ereignisraten womöglich zu gering waren, um diese nachzuweisen. Generell war das Risiko für MACE für Patienten mit schwerer Hypoglykämie tendenziell, aber nicht signifikant erhöht (HR: 1,38).

Konzipiert wurde die DEVOTE-Studie mit über 7.600 Typ-2-Diabetikern, um den von der FDA geforderten Sicherheitsnachweis für Insulin degludec (Tresiba®) zu erbringen. Dies gelang. Die Nichtunterlegenheit des Ultra-Langzeitinsulins gegenüber Insulin glargin U100 bzgl. des primären Endpunktes — dem ersten Auftreten von MACE — wurde belegt (8,5 vs. 9,3 %; HR: 0,91).

Aufgrund ihrer Größe, der hohen Hypoglykämien-Raten und den vergleichbaren Behandlungsregimen (beides Basalinsuline) bot sich die Studie für eine Auswertung der Hypoglykämie-Ereignisse in Beziehung zur Prognose der Teilnehmer an.

Frage nach der Kausalität

Trotz der darin erneut offenkundig gewordenen Assoziation bleibt die Frage nach der Kausalität offen. Warum sollten Unterzuckerzustände das Sterberisiko erhöhen, wenn das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse nur unwesentlich beeinflusst wird?

In der Publikation führen die Autoren mehrere ursächliche Erklärungen dafür an, die allerdings alle das Herz-Kreislauf-System betreffen. So ließ sich bei gesunden Menschen belegen, dass nach Unterzuckerzuständen vermehrt Katecholamine ausgeschüttet werden, die dann wiederum die myokardiale Kontraktilität und die Herzleistung erhöhen. Ebenso wurde gezeigt, dass Hypoglykämien die Repolarisation verändern und dadurch kardiale Arrhythmien verursachen können.

Gegen einen kausalen Zusammenhang spricht wiederum die Tatsache, dass Patienten, die Hypoglykämien erleiden, in der Regel kränker sind und daher auch eher versterben. Für Pieber und Kollegen ist eine Kombination aus beidem wohl die plausibelste Erklärung. „Am wahrscheinlichsten ist, dass die Hypoglykämie ein mitwirkender Faktor für das Auftreten eines kardiovaskulären Ereignisses ist in einer deutlich größeren multifaktoriellen Umgebung.“