Die in den vergangenen zwei Jahrhunderten zunehmend raumgreifende und ressourcenverbrauchende Lebensweise des Menschen hat den Begriff des "Anthropozän" geprägt. Der Mensch ist zum wichtigsten Einflussfaktor auf dem Planeten Erde geworden. In verschiedenen Bereichen überschreiten wir planetare Grenzen und steuern auf Kipppunkte zu wie das Abschmelzen der polaren Eiskappen, das Auftauen der Permafrostböden und der Verlust des tropischen Regenwaldes: Dies alles sind kaskadenartige und unumkehrbare Prozesse, welche die Lebensbedingungen auf der Erde für lange Zeit tiefgreifend verändern.

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Als Ärzte haben wir eine besondere Verantwortung angesichts der Herausforderungen durch die Klimakrise.

Während wir in der Medizin auf der Mikroebene große Fortschritte in der Diagnostik und Therapie von Krankheiten machen, bedrohen diese Veränderungen auf der Makroebene zunehmend unsere Gesundheit. Der Ansatz der "planetaren Gesundheit" nimmt daher die größtmögliche Makroperspektive ein und betrachtet transdisziplinär die Wechselwirkungen zwischen den natürlichen Systemen unseres Planeten, den anthropogenen sozialen, ökonomischen und politischen Systemen und unserer Gesundheit. Es geht darum, die Beziehung zwischen Mensch und Planet neu zu verstehen, die Gesundheitsfolgen globaler Umweltveränderungen zu erfassen und Lösungsstrategien für einen umweltverträglichen Lebensstil zu entwickeln und umzusetzen. Der Mensch ist ein Teil des komplexen Netzwerks des Lebens: Nur auf einem gesunden Planeten können gesunde Menschen leben.

Als Ärzte haben wir eine besondere Verantwortung im Hinblick auf die Herausforderungen, die in diesem Rahmen auf uns zukommen. Wir genießen als langfristige Vertrauenspersonen eine besondere Glaubwürdigkeit bei unseren Patientinnen und Patienten und können zu einer Lebens- und Ernährungsweise ermuntern, die gleichzeitig gesundheitsförderlich, nachhaltig und klimaschonend ist. Wir betreuen chronisch kranke Patienten, die durch die Klimakrise besonders gefährdet sind. Wir müssen uns zu Risiken und möglichen prophylaktischen Maßnahmen fortbilden und auch unsere Patientinnen und Patienten entsprechend aufklären. Schließlich hat der Gesundheitssektor bekanntermaßen einen besonders großen CO2-Fußabdruck und ist für etwa 5 % der globalen CO2-Emissionen verantwortlich. Eine klima- und ressourcenschonende Arbeits- und Wirtschaftsweise in unseren medizinischen Einrichtungen ist daher ein besonderes Gebot der Stunde. Der 125. Deutsche Ärztetag 2021 hat sich dafür ausgesprochen, dass das deutsche Gesundheitswesen bis 2030 klimaneutral wird, dazu wurden vielfältige Handlungsfelder im Krankenhaus und in Arztpraxen benannt1. Hier finden wir reichhaltige Anregungen. Einen besonders großen Hebel haben wir dann, wenn wir Überversorgung in allen Bereichen vermeiden, insbesondere wenn es darum geht, Medikamente zu verordnen und die Indikation zu Interventionen und operativen Eingriffen zu stellen.

Die Atemwege und die Lunge sind als Portalorgan des Körpers von den Folgen der Klimakrise besonders betroffen. Christian Witt et al. informieren in dieser Ausgabe darüber, was der Kliniker zum Thema Klimawandel und Lunge wissen muss. Christian Grah et al. geben uns Anregungen zu einem klimafreundlichen und nachhaltigen Arbeiten im Gesundheitswesen.

Öffnen wir unser ärztliches Handeln für eine planetare Perspektive und tragen wir damit zur nötigen Transformation bei: zum Erhalt unserer Lebensräume und unserer Gesundheit!

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Dr. med. Wolfgang Gesierich

Asklepios Fachkliniken München-Gauting

Zentrum für Pneumologie und Thoraxchirurgie

Robert-Koch-Allee 2

82131 Gauting

w.gesierich@asklepios.com

1 www.bundesaerztekammer.de/themen/aerzte/klimawandel-und-gesundheit/co2-fussabdruck-gesundheitssektor