Seit das IQWIG Ende 2020 den Startschuss für ein Lungenkrebs-Screening gegeben hat, geht es um die Details, und die sind hochkomplex. Das macht die Sache nicht einfacher, wie sich an verschiedenen Beispielen eindrücklich erläutern lässt.

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Das Screening auf Mamma-, Prostata- oder auch Kolonkarzinom ist längst etabliert. Anders das Lungenkrebs-Screening. Denn obwohl Lungenkrebs der am häufigsten zum Tod führende maligne Tumor ist, machte die Entwicklung eines Screeningverfahrens um den Lungenkrebs lange einen weiten Bogen. Das IQWIG hat dieser Ignoranz nun ein Ende bereitet und festgestellt, dass der Nutzen eines Screenings auch beim Lungenkarzinom den Schaden überwiegt. Im Abschlussbericht Nr. 982 im November 2020 kommt es zum "Lungenkrebsscreening mittels Niedrigdosis-CT" zu folgendem Schluss: "Zusammenfassend wird ein Anhaltspunkt für einen Nutzen des Low-dose-Screenings gegenüber keinem Screening festgestellt und somit, dass für (ehemalige) starke Raucherinnen und Raucher der Nutzen des Low-dose-CT-Lungenkrebs-Screenings den Schaden überwiegt". Es müsse gelingen, das Lungenkarzinom im Stadium 1 zu erkennen und kurativ zu behandeln, statt es erst im Stadium IV zu diagnostizieren. PD Dr. Niels Reinmuth, Asklepios Fachkliniken München-Gauting, betonte die Notwendigkeit eines begleitenden Raucherentwöhnungsprogramms. "Das könnte der größte Nutzen sein."

Doch die Zusammenhänge sind hochkomplex. "Wir brauchen ein lernendes System, um den Schaden so gering wie möglich zu halten", so Reinmuth. Viele Fragen lassen sich nicht mit ja oder nein beantworten. Schon bei der Entscheidung, wer gescreent werden soll, ist einiges offen, auch bei der Definition der Screening-Population. Alter und Raucherstatus sind relevante Parameter, aber: Was ist ein starker Raucher? Wie sind Patienten zu bewerten, die zwischendurch aufgehört haben zu rauchen? Welche Altersdefinition gilt? Frauen scheinen mehr vom Screening zu profitieren. Was bedeutet das für die Praxis?

Welcher Knoten ist eine Gefahr?

Eine große Herausforderung im CT-Screening auf Lungenkarzinom ist die hohe Prävalenz pulmonaler Knoten bei einer eher geringen Inzidenz von Lungenkrebs. Sie müssen, so Reinmuth, verantwortungsvoll definiert werden. Wann ist ein Knoten auffällig? Hier sollte nicht der Durchmesser, sondern, wegen der Dreidimensionalität, das Volumen herangezogen werden. Und was ist mit Knoten, die in einem Folgescreening auftreten. Bei welchen Knoten muss eine zusätzliche Diagnostik erfolgen? Reinmuth verwies auf die Auswertung von Daten der NELSON-SC-Screening-Studie (Horeweg N et al. Lancet Oncol 2014 Nov;15(12):1332-41). Berücksichtigt wurden Durchmesser, Volumen und Volumenverdopplungszeit über 2 Jahre, per CT-Scan. Kleine Knoten (Volumen < 100 mm3) sind demnach nicht prädiktiv für ein Lungenkarzinom. Große Knoten ≥ 300 mm3 bergen ein hohes Risiko und müssen sofort diagnostisch evaluiert werden.

Bei der Bewertung des Screenings zu berücksichtigen sind auch Risiken und Komplikationen, etwa bei einer Biopsie, oder eine zusätzliche Krebsinzidenz durch die Bestrahlung von Organen. Hier sei das Risiko für Frauen erhöht. Zudem müsse sich die Pneumologie auf mehr Zufallsbefunde einstellen, etwa eine COPD oder interstitielle Lungenerkrankungen.

Konkretes Positionspapier

Bleibt die Frage, wer das Screening durchführen soll? Gefordert wird im Positionspapier der Deutschen Röntgengesellschaft und der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) zum qualitätsgesicherten Früherkennungsprogramm des Lungenkarzinoms mit Niedrig-Dosis-CT ein "multidisziplinäres Behandlungsteam, idealerweise in einem zertifizierten Lungenkrebszentrum, eine begleitende Raucherentwöhnung, fortlaufende Dokumentation und Befundvergleich und ein qualitätsgesichertes Früherkennungsprogramm".

Fazit für die Praxis

  • Ein gewisser Nutzen des Lungenkrebsscreenings mittels Low-dose-CT ist für (ehemalige) starke Raucherinnen und Raucher in Deutschland anerkannt.

  • Die Rahmenbedingungen für ein solches Screening sind zwar in einem Positionspapier entsprechender Fachgesellschaften umrissen, im Detail müssen für die Praxis aber noch viele offene Fragen geklärt werden.

Quelle: DGP-Kongress, Symposium "Lungenkrebsscreening approved - und nun?" 27. Mai 2022 in Leipzig und online