Nikotinabusus nimmt unter Erwachsenen weltweit ab, steigt aber gleichzeitig bei Kindern und Jugendlichen. Modern sind vor allem E-Zigaretten und Cannabis. Befürchtet werden beträchtliche Auswirkungen auf die Hirnentwicklung.

Der Name der ERS-Session zur Nikotin- und Cannabissucht "Orphan childhood disease" führe eigentlich auf die falsche Fährte, sagte Prof. Alexander Möller vom Universitätskinderspital Zürich, Chairman der Veranstaltung. Die Zahl der jugendlichen Raucher ist hoch, allein unter den 13- bis 15-Jährigen werde sie weltweit auf 25 Millionen geschätzt, berichtete Prof. Charlotta Pisinger aus Frederiksberg, Universität Kopenhagen in Dänemark. Am häufigsten konsumiert werden E-Zigaretten und kleine Zigarren, laut Umfragen unter High-School-Studenten in den USA und Südkorea häufig von einer Person mindestens zwei verschiedene Tabak- bzw. Nikotinprodukte. In Europa variiere der Konsum von E-Zigaretten hingegen von Land zu Land beträchtlich, so Pisinger, von nur 5 % in Deutschland unter 14- bis 17-Jährigen bis auf 40 % in Rumänien.

E-Zigaretten scheinen unter Jugendlichen kein Ersatz für konventionelle Zigaretten zu sein, sondern eher eine Ergänzung. Als Hauptgrund für den Konsum nannte Prof. Ilona Jaspers von der Universität von North Carolina in Chapel Hill die unterschiedlichen Aromen, auf die in Marketingkampagnen fokussiert werde. Auch für den Konsum von Nikotin oder Cannabis gibt es inzwischen eine Reihe von "Verdampfern". Cannabiskonsum beginne meist im mittleren bis späten Teenageralter, so Pisinger, und werde am stärksten von jungen Erwachsenen im Alter Anfang 20 konsumiert. Zahlen zur Prävalenz seien rar, laut Schätzungen konsumierten Jugendliche in Europa, den USA und Australien am häufigsten Marihuana (Anteil > 8 %).

Toxische Wirkungen sind für jede Form des Rauchens gut dokumentiert und sind gerade im Jugendalter relevant. Marihuanarauch enthalte ähnlich viele Toxine, Irritanzien und Karzinogene wie Tababrauch, berichtete Prof. Elef Dagli aus Istanbul. Auch die Lungen würde durch den Konsum beider Drogen in ähnlichem Maße beeinträchtigt. Bei E-Zigaretten bergen auch die für die Aromen verwendeten Chemikalien Risiken. Sie enthielten zum Teil bekannte toxische Substanzen wie Aldehyde, die Immunfunktionen von Zellen inhibierten, berichtete Jaspers. Das Rauchen von E-Zigaretten bewirke eine Dysfunktion des Immunsystems im Atemwegstrakt und eine Schwächung der Immunabwehr. Auch Nikotin wirkt immunsuppressiv und moduliert Wachstumsfaktoren. Dokumentiert wurde bei jugendlichen Rauchern bereits ein erhöhtes Risiko für eine COVID-19-Erkrankung im Vergleich zu Nichtrauchern (Gaiha SM et al. J Adolesc Health 2020; 67(4): 519), diskutiert werde derzeit laut Jaspers eine verringerte Antikörperbildung nach Impfungen.

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In Untersuchungen unter Studenten mit bildgebenden Verfahren war Cannabiskonsum mit einer Abnahme der Hirnperfusion assoziiert.

Besonders besorgniserregend sind mögliche Beeinträchtigungen der Hirnentwicklung. In Tierversuchen und Zwillingsstudien mit zerebraler Bildgebung könne Nikotinexposition signifikante Langzeitdefizite in der Hirnentwicklung hervorrufen, berichtete Pisinger, vermutlich durch Interferenzen mit cholinergen Regulationsprozessen. Diese Störungen könnten Verhaltungsauffälligkeiten und kognitive Beeinträchtigungen erklären, die bei jugendlichen Rauchern gehäuft beobachtet werden und nicht selten bis ins Erwachsenenalter anhielten. Auch ein frühzeitiger schwerer Cannabiskonsum unterbreche die normale Hirnentwicklung, sagte Pisinger. In bildgebenden Untersuchungen unter Studenten war Cannabiskonsum mit einer Abnahme der Hirnperfusion und einer Verringerung der Kortikalwanddicke assoziiert. Eine Metaanalyse hat Hinweise für ein erhöhtes Schizophrenierisiko ergeben. Je früher mit Drogenkonsum im jugendlichen Alter begonnen wird, sei es Alkohol, Nikotin oder Cannabis, desto höher sei das Risiko für den Konsum mehrerer Drogen und Sucht, betonte Pisinger.

Wie ließe sich am besten vorbeugen? Für am wirksamsten hält Dr. Asli Görek Dilektasli von der Uludag-Universität in der Türkei Preiserhöhungen von Tabakprodukten und noch strengere Regulierungen des Zugangs von Jugendlichem beim Erwerb von Tabakprodukten. Hilfreich seien gerade bei Jugendlichen die bebilderten Warnungen vor den Gesundheitsrisiken des Rauchens auf Zigaretten- und Tabak-Packungen. Auch stärkere Restriktionen von Aromen in E-Zigaretten seien wünschenswert.

Quelle: Symposium "Orphan Childhood disease: nicotine and cannabis" beim virtuellen Jahreskongress der European Respiratory Society (ERS) 2021.