Die Therapie bei refraktärem Asthma bronchiale und fortgeschrittener COPD soll künftig noch differenzierter erfolgen. Außer Merkmalen des Phäno- und Endotyps sollen vor allem sogenannte "treatable traits" (im Sinne von behandelbare Merkmale) berücksichtigt werden, um individuell noch zielgerichteter therapieren zu können.

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Ob es wohl der vorerst letzte rein virtuelle ERS gewesen ist? Die Sessions sind noch bis Ende 2021 online abrufbar. Der nächste ERS-Kongress soll vom 3.-7.9.2022 in Barcelona stattfinden.

Einen Einblick in den Stand der Präzisionsmedizin bei chronischen Atemwegserkrankungen gaben Wissenschaftler bei einem ERS-Symposium mit dem Fokus auf Asthma bronchiale. Derzeit werden meist vier Asthma-Phänotypen unterschieden:

  • Allergisches Asthma mit frühem Symptombeginn, als Untergruppe kombiniert mit mittelgradigem bis schwerem Remodelling der Atemwege sowie

  • nicht allergisches Asthma mit spätem Symptombeginn, mit oder ohne Eosinophilie.

In der Praxis sei es aber oft schwierig, die Phänotypen zu differenzieren, da es bei Symptomen und Biomarkern große Überlappungen gebe, so Prof. Daiana Stolz vom Universitätsspital Basel. Deutlich machen dies z. B. Daten einer britischen Studie bei 1.175 Patienten mit schwerem Asthma, bei denen die Biomarker für eosinophiles Asthma (Bluteosinophile ≥ 300/µl = auffällig (af), FeNO (fraktioniertes exhaliertes Stickstoffmonoxid) ≥ 25 ppb = af) bzw. ein allergisches Asthma (IgE ≥ 75 kU/l = af) untersucht wurden. Von den Patienten mit Eosinophilie waren 72 % FeNO-af aber 62 % auch IgE-af. Ähnlich häufig waren Eosinophilie-af- (71 %) und IgE-af-Patienten (64 %) in der Gruppe derer, die auch FeNO-af waren. Bei den IgE-af-Patienten erfüllten wiederum 63 % die Grenzwerte für FeNO-af und 59 % für Eosinophilie-af. Bei 12 % aller Teilnehmer war kein Biomarker auffällig (Denton E et al. JACI 2021). Ein weiteres Problem: "Die Phänotypen sind im Verlauf nicht stabil", sagte Stolz, das heißt die Messwerte veränderten sich, abhängig von der Matrix. Eine persistierende Sputumeosinophilie (> 3 %) werde z. B. bei einer zweiten Messung im Abstand von einem Monat nur bei etwa zwei Dritteln der Patienten mit auffälligen Erstbefund gemessen. Und die Korrelation der Eosinophilen in unterschiedlichen Atemwegskompartimenten (Sputum, broncheoalveoläre Lavage, bronchiale Submukose) sei gering. Das Fazit der Pneumologin: Eine T2-Entzündung könne vermutlich nicht durch einen einzelnen Biomarker oder stabil über die Zeit diagnostiziert werden.

Biomarker einer eosinophilen Atemwegsentzündung sind trotz dieser diagnostischen Unsicherheiten für eine zielgerichtete Asthmatherapie sehr nützlich. Daran ließ Prof. Christopher Brightling von der Universität Leicester/UK keinen Zweifel. In vielen Studien wurde belegt, dass Anti-IgE-Antikörper und Interleukin-Blocker bei Patienten mit hohem FeNO und ausgeprägter Eosinophilie besonders wirksam sind. Dies gilt nicht nur für therapierefraktäre Patienten mit mittelgradigem bis schwerem Asthma. Auch bei stark symptomatischen Patienten mit COPD und erhöhten Bluteosinophilen könne durch zusätzlichen Einsatz von Interleukin-Blockern das Exazerbationsrisiko deutlich verringert werden, erinnerte Brightling.

Für eine Optimierung des Therapieerfolgs - bei Asthma wie bei COPD - sollten aber weitere Faktoren berücksichtigt werden, waren sich die Experten einig. Zu diesen "treatable traits" zählten systemische Entzündung, Non-Adhärenz und die Fähigkeiten zum Selbstmanagement, so Prof. Vanessa McDonald von der Universität Newcastle/Australien. Klinisch relevant seien neben dem Entzündungsgrad in den Atemwegen u. a. Flusslimitation und Mukushypersekretion, berücksichtigt werden sollten auch extrapulmonale Faktoren wie gastroösophagealer Reflux, psychische Störungen (z. B. Ängstlichkeit, Depression) und Lebensstilfaktoren wie Übergewicht, Aktivitätsbeschränkung oder Stress.

Am Exzellenzzentrum "treatable traits" in Newcastle werden Patienten mit Asthma, COPD und chronischem Husten von einem multidisziplinären Team aus Ärzten und spezialisierten Assistenten, Pharmazeuten und Physiotherapeuten betreut. Unterschieden würden die Patienten nach stabilen und instabilen Phänotypen und ihren "treatable traits", so McDonald. Die Ziele: Optimieren von Pharmakotherapie und Adhärenz, Aufklärung sowie Erlernen von Strategien zum Symptommanagement, Techniken zur Entspannung oder Raucherentwöhnung. Die umfassende individuelle Betreuung ist erfolgreich. "Es gibt Hoffnung", resümierte McDonald, die Lebensqualität der so behandelten Patienten sei viel höher als mit Standardtherapie.

Quelle: Symposium "Precision medicine in asthma and COPD" beim virtuellen Jahreskongress der European Respiratory Society (ERS) 2021