Erste Handlungsempfehlungen zur Diagnose und Behandlung von Patienten mit langanhaltenden COVID-19-Symptomen sind veröffentlicht worden. Die Diagnose gestaltet sich schwierig, spezifische therapeutische Interventionen sind noch nicht bekannt.

Eine S1-Leitlinie zum Thema Post- beziehungsweise Long-COVID-Syndrom ist veröffentlicht worden. Sie ist zunächst gültig bis Juli 2022, federführende Fachgesellschaft ist die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin. Als S1-Leitlinie handelt es sich dabei um Handlungsempfehlungen, die Konsensfindung fand in einem informellen Verfahren statt.

Post oder Long?

Bei Infektionen mit SARS-CoV-2 und Erkrankung an COVID-19 mehren sich ja die Berichte von Patienten mit Symptomen, die über den üblichen Infektionszeitraum von vier Wochen hinaus anhalten. Persistieren die Symptome noch nach vier Wochen nach der Infektion, wird in der Literatur der Begriff "fortwährend symptomatische COVID-19" gebraucht, nach zwölf Wochen Symptom-Persistenz der Begriff "Post-COVID-19-Syndrom". Beide Begriffe, also persistierende Symptome ab vier Wochen nach Infektion, deckt der Oberbegriff "Long-COVID" ab.

Aus den Kriterien für Long-COVID können der Leitlinie zufolge eine der vier folgenden Kategorien herangezogen werden, um Long-COVID zu diagnostizieren:

  • Symptome, die aus der akuten COVID-19-Phase oder deren Behandlung fortbestehen,

  • Symptome, die zu einer neuen gesundheitlichen Einschränkung geführt haben,

  • neue Symptome, die nach dem Ende der akuten Phase aufgetreten sind, aber als Folge der COVID-19 verstanden werden,

  • die Verschlechterung einer Grunderkrankung.

Um welche Symptome handelt es sich?

Sehr häufige Long-COVID-Symptome sind etwa Fatigue, Dyspnoe oder Riech- und Schmeckstörungen, an denen mehr als 40 % der Erkrankten leiden. Oft kommen z. B. Husten, Haarausfall oder Schlafstörungen vor, an denen 26 % der Erkrankten in einer Metaanalyse litten. Symptome, die über den 28. Tag nach der Infektion hinaus persistieren, treten bei etwa 13 % der COVID-19-Erkrankten auf, so die Leitlinienautoren. Nach mehr als 8 Wochen haben noch ca. 5 % der Patienten Symptome, 2 % auch nach mehr als 12 Wochen noch. Das Auftreten von Long-COVID scheint dabei unabhängig von bestehenden Komorbiditäten zu sein und kann nach leichten und schweren Verläufen auftreten.

Die Pathogenese von Long-COVID ist noch nicht geklärt, sie ist multifaktoriell und nicht bei jedem Patienten gleich. Unklar ist bisher auch, anhand welches Antikörper-Nachweises sich auf Long-COVID schließen lässt. Die Autoren weisen daher darauf hin, dass Long-COVID bisher nicht durch eine einzelne Laboruntersuchung oder ein Panel von Werten bestimmt werden kann und es auch gilt, andere Differenzialdiagnosen auszuschließen. Für die Praxis zählen die Autoren Warnhinweise auf. Zu diesen gehören: ein schlechter Allgemeinzustand, eine signifikante Gewichtsabnahme, unerklärliche oder neu aufgetretene neurologische Defizite oder Auffälligkeiten, neue Schmerzen, schlechte oder sich verschlechternde somatische oder psychische Befunde sowie unerklärliche Auffälligkeiten in der Basisdiagnostik. Diese sollten Anlass zur vertiefenden Diagnostik u./o. Überweisung z. B. in eine Long-COVID-Ambulanz geben. Empfehlungen für die Basisdiagnostik sind etwa das Überprüfen des Blutdrucks, der Herz- und Atemfrequenz, aber auch die Screening-Fragen nach Fatigue, anhaltender Erschöpfung, Schmerzen und depressiven Verstimmungen.

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Eines der häufigsten Langzeitsymptome nach COVID-19 ist Erschöpfung, die sich auch durch Schlaf und Ausruhen nicht vertreiben lässt.

Therapie an Symptomen orientieren

Gesicherte therapeutische Interventionen sind bisher nicht bekannt. Die Leitlinienautoren raten, sich an den Symptomen zu orientieren. Des Weiteren ist der Effekt einer frühen therapeutischen Vakzinierung bei Patienten mit Long-COVID bisher nicht gesichert. Diese sollte daher vorerst nur in Studien erfolgen. Routinemäßig wird die Impfung der STIKO folgend bei Genesenen nach 6 Monaten als einmalige Impfung empfohlen.

Die S1-Leitlinie (S1-LL) "Post-COVID/Long-COVID" gibt es hier https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/020-027.html online. Federführende Fachgesellschaft ist die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin, die S1-LL ist gültig bis Juli 2022. Ein Webinar des Koordinators der S1-LL Prof. Rembert Koczulla, Berchtesgaden, gibt´s hier: https://www.springermedizin.de/covid-19/impfungen/neue-s1-leitlinie-post-covid/19338338

Quelle: S1-Leitlinie "Post-COVID/Long-COVID", Ärztezeitung online 3.8.2021