Welcher Pneumoniepatient kann ambulant behandelt werden, wer muss ins Krankenhaus? Pneumologen geben dafür eine Entscheidungshilfe an die Hand.

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Etwa 3.000 Teilnehmende hatten sich für den ersten digitalen Jahreskongress in der 111-jährigen Geschichte der DGP registriert. Eine ausführliche Berichterstattung finden Sie in unserem Kongressdossier: www.springermedizin.de/dgp-2021/19183372

Die ambulant erworbene Pneumonie (CAP, "community acquired pneumonia") ist eine der am meisten unterschätzten Erkrankungen überhaupt. Das sagte Prof. Tobias Welte aus Hannover beim digitalen Kongress der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) und verwies auf eine halbe Million Erkrankungen pro Jahr in Deutschland. Unter Federführung der DGP sind jetzt neue Diagnose- und Therapieempfehlungen in Form der aktualisierten S3-Leitlinie (AWMF-Nr. 020-020) erschienen. Sie ist beim DGP-Kongress vorgestellt worden.

Etwa die Hälfte aller CAP-Patienten können ambulant behandelt werden. Wenn bestimmte Risikokriterien erfüllt sind, sollte jedoch die Einweisung ins Krankenhaus erwogen werden, wie Prof. Gernot Rohde vom Universitätsklinikum Frankfurt am Main erläuterte. Diese sogenannten CRB-65-Kriterien sind:

  • neue Bewusstseinstrübung,

  • hohe Atemfrequenz (≥ 30/min),

  • niedriger Blutdruck (< 90/60 mmHg),

  • Sauerstoffsättigung von ≤ 92 %.

Zusätzlich werden instabile Komorbiditäten und eine chronische Bettlägerigkeit berücksichtigt. Trifft keines dieser Kriterien zu, ist von einer leichten Pneumonie auszugehen und der Patient kann ambulant behandelt werden, vorausgesetzt, er ist in der Lage, seine oralen Medikamente sicher einzunehmen und es bestehen keine sozialen Kontraindikationen oder Komplikationsmöglichkeiten. Zur Sicherung der Diagnose wird auch bei ambulanter Therapie eine thorakale Bildgebung empfohlen. Allerdings wird in Abhängigkeit von Verfügbarkeit, Patientenfaktoren und anderen Faktoren ausdrücklich kein einheitliches Vorgehen empfohlen.

Während der ambulanten Therapie sollte die Pulsoximetrie sicherstellen, dass der Patient ausreichend oxigeniert ist. In der Leitlinie wird die Reevaluation des CAP-Patienten innerhalb von 48 bis 72 Stunden empfohlen. Dabei sollten die oben genannten Kriterien weiterhin nicht erfüllt sein. Ergeben sich dagegen im Verlauf ein positives Kriterium, eine instabile Komorbidität oder soziale Faktoren wie eine fehlende häusliche Versorgung, sei die Hospitalisation zu erwägen, erklärte Rohde.

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Die strukturierte Risikoevaluation und frühzeitige Bestimmung des Therapieziels sind wichtige Bausteine der CAP-Leitlinie.

Der Pneumologe betonte, dass CAP-Patienten sich nicht unbedingt bereits innerhalb der ersten Tage verschlechtern, sondern oft erst im weiteren Verlauf. Besonders diese seien mit einer Letalitätsrate von bis zu 48 Prozent hochgefährdet. "Das Konzept 'CAP als Notfall' sollte umfassend implementiert werden", so Rohde. Daher durchlaufen CAP-Patienten auch bei Klinikaufnahme eine definierte Risikostratifizierung. Ziel ist es, Zeichen für einen schweren Verlauf rechtzeitig zu erkennen, die Patienten entsprechend intensiv zu überwachen und aggressiv zu behandeln.

Hinweise auf einen schweren Verlauf sind zum Beispiel ein typischer Auskultationsbefund, eine Oxygenierungsstörung, niedriger Blutdruck bei erhöhter Atemfrequenz und erhöhter Herzfrequenz, Fieber und multilobäre Infiltrate. Damit lassen sich eine schwere von einer mittelschweren Pneumonie unterscheiden sowie Patienten identifizieren, die in der Klinik kein intensiviertes Monitoring benötigen. Ausdrückliches Ziel der aktualisierten Leitlinie ist die Reduktion der Krankenhausletalität. Diese liegt in Deutschland derzeit bei etwa 13 Prozent, wenn 1 bis 2 CRB-Kriterien vorliegen, und bei 34 Prozent, wenn 3 bis 4 Kriterien vorliegen.

Quelle: 61. Kongress der DGP vom 2.-5. Juni 2021 (DGP 2021 digital)