Pneumologen drängen auf konkrete Regelungen zur Entwöhnung langzeitbeatmeter Patienten. Die Coronavirus-Pandemie unterstreiche diese Notwendigkeit, betonen sie.

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Mit dem Motto "Pneumologie - persönlich und präzise" lag der Themenschwerpunkt des Kongresses auf der personalisierten Medizin. Unser Dossier mit allen Berichten online: https://www.springermedizin.de/dgp-2021/dgp-2021/19183372

Von 60.000 bis 80.000 per Tracheostoma langzeitbeatmeten Patienten in Deutschland geht die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) aus. Es handelt sich um Schätzungen auf Basis von Krankenkassendaten.

20 bis 50 Prozent der außerklinisch invasiv beatmeten Patienten hätten zuvor keine strukturierte Entwöhnungsbehandlung erfahren, erklärte DGP-Präsident Prof. Michael Pfeifer aus Regensburg im Vorfeld des digitalen Jahreskongresses der DGP vom 2. bis 5. Juni.

Durch die COVID-19-Pandemie mit einer großen Zahl über längere Zeit beatmungspflichtiger Patienten hat das Thema erneut an Bedeutung gewonnen. Die dauerhafte Abhängigkeit von einer invasiven Beatmung mit Umzug der Patienten in eine fremde Umgebung stelle eine deutliche Einschränkung der Lebensqualität dar und sei eine enorme wirtschaftliche Belastung für das Gesundheitssystem, sagte Pfeifer. Die Jahreskosten liegen pro Patient bei 120.000 bis 250.000 Euro.

Häufig genügt nichtinvasive Beatmung

Die Fachgesellschaft drängt auf die Umsetzung des im vergangenen Jahr beschlossenen Gesetzes zur Stärkung von intensivpflegerischer Versorgung und medizinischer Rehabilitation (IPReG). Konkrete Regelungen seien nun "dringlich erforderlich."

Nach Pfeifers Angaben könnten viele der ambulant invasiv beatmeten Patienten ganz ohne Beatmung oder mit einer nichtinvasiven Beatmung mittels Maske leben. Es handele sich häufig um Patienten mit schwerer COPD, schwerer Herzinsuffizienz oder mit Muskelerkrankungen.

Die noch fehlenden Ausführungsbestimmungen des Gesetzes sollen in den nächsten Wochen erstellt werden. Die DGP spricht sich für ein abgestuftes Vorgehen aus. Kritisch sei dabei der Übergang vom stationären in den ambulanten Sektor, erklärte der DGP-Präsident. Die Beurteilung des Weaning-Potenzials müsse durch einen qualifizierten Intensivmediziner mit Weaning-Erfahrung erfolgen.

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Invasive Beatmung: 20 bis 50 Prozent der außerklinisch invasiv beatmeten Patienten hatten zuvor keine strukturierte Entwöhnungsbehandlung erfahren.

Routinemäßige Beurteilung des Weaning-Potenzials

Bereits während des stationären Aufenthalts soll routinemäßig das Weaning-Potenzial evaluiert werden. Ist die Entwöhnung vor Entlassung aus dem Krankenhaus nicht möglich, soll in der Folgezeit in nachgeschalteten Betreuungseinrichtungen in definierten Abständen das Entwöhnungspotenzial erneut beurteilt werden. Pfeifer verwies auf ein bundesweites Netzwerk zertifizierter Weaning-Zentren, deren Ergebnis- und Strukturqualität regelmäßig geprüft werde. Allerdings seien für die große Zahl von Beatmungspatienten nicht ausreichend Plätze vorhanden. Es werde voraussichtlich Jahre dauern, bis ausreichende Strukturen geschaffen sind, meinte Pfeifer. Dennoch zeigte sich der Regensburger Pneumologe optimistisch, dass das Problem infolge der aktuellen Gesetzgebung gelöst werden könne. Man sei auf einem guten Weg.

Quelle: Vorab-Pressekonferenz online am 26.5.2021 zum 61. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie